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Seite:Die Gartenlaube (1857) 563.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Nachdem so die Aristokratie unter den Adelphi-Bogen ausrangirt ist, schiebt und huddelt sich das zurückbleibende letzte, hoffnungslose Elend auf den schmutzigen Steinen zusammen, wie es eben gehen will, um bleicher, schmutziger, schleichender einen neuen trostlosen Tag oben zu erwarten. Es wird still unten. Deshalb wird eine jämmerlich winselnde Säuglingsstimme schauerlich vernehmlich. Sie dringt matt und heiser aus einer fernen Schlucht hervor. Wir treten näher. Eine ferne Laterne wirft ihren schwachen Schimmer auf ein bläuliches, versunkenes Muttergesicht. Gott, diese zusammengebrochene, zitternde Gestalt ist eine Mutter! Das Kind schweigt einen Augenblick und saugt mit aller seiner Kraft an verwelkten ausgetrockneten Brüsten, um nach der neuen, vergeblichen Anstrengung noch elender und schwächer zu winseln. Die Mutter kauert bewegungslos, aber bei näherem Anblick, während wir in unsere Taschen griffen, hörten wir ihren gurgelnden, fieberischen Athem und sahen das Zucken ihrer weißen, knöchernen Finger. Sie sank mit ihrem Gesichte tiefer und wehrte unsere gebotene Gabe ab. – Dies durchrieselte uns wie ein Blick in das tiefste, unsäglichste Elend des Menschenherzens.

Andere Hände streckten sich aus und umringten uns, aber kräftige. Wir sahen so viele Greisengerippe und krankes Elend heraufschimmern, daß wir standhaft abwehrten und überzeugt, daß hier das aufopferndste Mitleiden ohnmächtig sei und just in die noch kräftigsten Hände fließen werde, uns so schnell als möglich zurückzogen.

Die abwehrenden, zitternden Finger der sich verhüllenden Mutter blieben vor meinen Augen; die ohnmächligen Winseltöne des Säuglings in meinen Ohren. Sie war glücklich gewesen, hatte geliebt und vertraut. Als die Welt die Folgen sah, stieß man sie von sich, der Begründer ihres Lebensglückes lachte sie aus oder war spurlos verschwunden. Sie wollte nun unter das tiefste Elend sich selbst versenken. Die Themse war nahe. Zwei Tage darauf stand in den Zeitungen unter unzähligen Unglücksfällen und Verbrechen auch, daß man einen weiblichen Leichnam und ein Kind in der Themse gefunden habe.




Das Zuckerrohr, sein Anbau und seine Bearbeitung.
Das Vorkommen des Zuckers im Pflanzenreich überhaupt. – Die verschiedenen Formen des Zuckerrohrs. – Die Anlage einer Zuckerplantage. – Die Art der Zuckerpflanzung. – Die Entwickelung des Rohres und seine Reife. – Die Ernte. – Die verschiedenen Zuckermühlen.

Das Vorkommen des Zuckers im Pflanzenreich ist sehr allgemein; er entwickelt sich bei den meisten Sämereien während des Keimens; man findet ihn in der Blume, aus den Honigdrüsen der Krone ausgeschieden, die zuweilen als eigene Organe auftreten; er scheidet sich durch Hautöffnungen an der Oberfläche reifer Trauben und Feigen aus. Der Zucker ist nämlich einer der gewöhnlichen Nahrungsstoffe der Pflanze und deshalb ebenso häufig vorhanden, wie Gummi, doch findet man ihn nicht wie das Gummi in eigenen Gängen abgelagert, sondern im aufgelösten Zustande im Pflanzensaft. Er wird in und von denselben Zellen gebildet, in welchen sich das Mehl entwickelt, und hat überhaupt eine sehr große Affinität zu diesem. Deshalb sieht man die Zucker und die Mehlbildung zu verschiedenen Perioden im Leben der Pflanze mit einander abwechseln; im reifenden Samen geht gewöhnlich die Zuckerbildung der Mehlbildung voraus, so z. B. bei den Kornarten, bei Erbsen u. s. w.; beginnt der reife Samen den Lebenscyklus der neuen Pflanze beim Keimen, dann wird dieses Mehl wiederum in Zucker und Gummi umgebildet und auf diesem Phänomen beruht z. B. die Malzbereitung. In der Holzsubstanz finden wir gegen den Winter und während desselben viel Mehl in den Markstrahlen abgelagert; im Frühjahre, wenn der Saft nach den Knospen in die Höhe steigt, wird es wieder in Zucker und Gummi aufgelöst.

Man kennt im Pflanzenreich verschiedene Arten Zucker, von denen die wichtigsten Rohrzucker, Schleimzucker oder Syrup, Traubenzucker oder Honigzucker, Mannazucker u. a. m. sind; zuweilen findet man in einer und derselben Pflanze mehrere Zuckerarten vereinigt, so ist der krystallinische Rohrzucker und der unkrystallinische Schleimzucker beim Zuckerrohr zugegen. Da man durch längeres Kochen in Wasser den Rohrzucker in Schleimzucker umändern kann, so ergibt sich schon daraus ihre nahe Verwandtschaft.

Vom Zuckerrohr, so wie von allen Pflanzen, die Jahrtausende unter Cultur des Menschen gewesen sind, kennt man mehrere Formen, die von Einigen als besondere Arten angesehen werden, und die ihre Eigenthümlichkeiten bei der verschiedenartigsten Behandlung und dem verschiedensten Boden behalten. In Amerika findet man vier solcher Formen, von denen besonders die beiden ersten die wichtigsten sind und auf deren ausschließliche Cultur man sich mehr und mehr beschränkt.

Die erste Form ist das ostindische Rohr (Canna creolla im spanischen Amerika), das seit langer Zeit in Amerika angebaut worden ist und deshalb von den jetzigen Amerikanern als eine inländische Pflanze betrachtet wird. Die zweite Form ist das otaheitische Rohr, das die Spanier Canna habanera nennen, weil es zuerst nach Havanna gebracht ward und von dort aus nach dem Festlande hinübergeführt wurde. Die dritte Form ist das blaue oder gestreifte Rohr (Canna veteada), das als eine besondere Art angesehen wird und unter dem Namem Saccharum violaceum Tussac aufgestellt worden ist. Endlich ist die vierte Form das sogenannte braune Rohr (Canna morena), an einzelnen Stellen das gespaltene Rohr (Canna reventador) genannt, es ist das schlechteste von allen und wird ausgerodet, wo man auf den Plantagen aufmerksam darauf wird.

Wir werden zuerst über den Anbau des Otaheitirohr’s sprechen, weil es sowohl in Bezug auf den Zuckergehalt, als auf die Lebensdauer das vortheilhafteste ist, dessen Verbreitung deshalb beständig zunimmt und das nur wegen klimatologischer und geognostischer Verhältnisse daran verhindert wird, das ostindische Rohr zu verdrängen.

Im Allgemeinen ist Waldboden für das Otaheitirohr am dienlichsten, doch hat man in den letzten Jahren in Amerika die Meinung verlassen, daß der Savannenboden zur Zuckerproduction gänzlich unbrauchbar sein sollte. Wenn man in den wellenförmigen Grassavannen nicht gerade die höchsten Plateaus wählt, die wegen des starken Abspülens in der Regenzeit am unfruchtbarsten, in der trockenen Zeit am trockensten sind und aus einem harten eisenhaltigen Thone bestehen, sondern sich vielmehr an die Abdachungen und an die Vertiefungen zwischen den Hügeln hält und dann das Zuckerrohr in parallelen Furchen pflanzt, welche auf den Abhängen horizontal laufen, wodurch das Fortspülen der guten Erde verhindert wird, und nicht nach der alten indianischen Methode vom Gipfel des Hügels nach dem Thalgrund zu pflanzt, wodurch die Furchen in der Regenzeit ebenso viele Canäle werden, durch welche die gute vegetabilische Erde in die Thalvertiefungen hinabgespült und das ganze Terrain nach dem Verlauf einiger Jahre für die Pflanzencultur gänzlich unbrauchbar wird, – so hat die Erfahrung gezeigt, daß man sehr gut das Otaheiti-Zuckerrohr auch in solchen Gegenden bauen kann, was ein großer Vortheil für diejenigen Orte ist, in denen man bereits bedacht sein muß, die Wälder zu schonen.

Man beginnt gewöhnlich mit der Anlage einer Zuckerplantage, indem man den Hochwald mit Beginn der trockenen Jahreszeit niederschlägt; nachdem die gefällten Stämme drei bis vier Monate zum Austrocknen gelegen haben, werden sie angezündet und man läßt durch das Feuer den Pflanzenwuchs zum Vortheil des Bodens, der durch die Asche gedüngt wird, verzehren. Die Reste, welche durch das erste Abbrennen nicht vernichtet worden sind, werden in Haufen gesammelt und angezündet und das Land ist nun zur Bearbeitung offen. Die sämmtlichen Baumwurzeln bleiben in der Erde, da es zu kostspielig sein würde, sie auszuroden, und da ohnedies durch ihr langsames Verfaulen dem Felde eine bedeutende Menge Nahrungsstoff zugeführt wird, jedoch ergibt es sich von selbst, daß man einen solchen Boden nicht mit dem Pfluge öffnen kann, sondern hierzu Ackerbaugeräthe benutzen muß, die vollkommen zweckmäßig und bereits seit Jahrtausenden bei den alten Indianern in Gebrauch gewesen sind. Das wichtigste dieser Geräthschaften ist die sogenannte Tlalacha, ein sechs bis acht Pfund

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_563.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)