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Seite:Die Gartenlaube (1857) 546.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Scheine des Lichts belästigt sein, seine Arme hingen herab, gleichsam wie bei Einem, der ermüdet ausruht. Die Dame, die uns begleitete, äußerte den Wunsch, ein Stückchen von dem schwarzen Mantel des Kammerherrn zu besitzen, allein der Führer erklärte, daß er nicht in diesen Raub willigen dürfe. Eine Engländerin, wie er hinzu setzte, hatte bei einem Besuche unvermerkt einen Handschuh des schönen Mannes eingesteckt, aber er war ihr beim Hinausgehen wieder abgenommen worden. „Denn,“ sagte der Führer, „unser schönes Exemplar muß unangetastet bleiben, wen hätten wir denn sonst den Fremden zu zeigen, der hier die Honneurs des Wirths vom Hause machte?“ Mit diesem Einfall mochte der gute Mann schon oft die Herumzuführenden bedient haben, es war nicht zu leugnen, daß das Scherzhafte, das in diesen Worten lag, einen besondern Contrast mit den Schrecken der Umgebung machte.

Wenn das Auge sich von den ziemlich erhaltenen Mumien abwandte, erblickte es oben einen Gegenstand, der noch heftiger die Sinne ansprach. Die Wand eines Gewölbes war in Folge der Zeit, vielleicht auch weil sie nicht im Stande war, die Last der in diesen Raum hinabgeworfenen Todten zu tragen, geborsten und ein Bündel Leichname, ineinander verschlungen, war aus der Oeffnung hinausgestürzt und zeigte sich jetzt drohend über unserm Haupte, als wollte ein Schwarm Todter mit Gier auf uns Lebende herfallen. Der Anblick war zum Entsetzen, besonders war ein Arm erschreckend, der aus der Höhe herablangte. An der Wand, die der Fackel gegenüberstand, war ein in Tücher gehüllter Körper in eben der Weise aufgestellt, wie jene erste beschriebene Mumie, allein da die Figur verhüllt war, konnte man von ihrem Aeußern nicht urtheilen, sie erschien wie eine alte gebeugte Frau, die eben im Begriff war, auf ihre Krücken gestützt, mühsam sich fortzubewegen. Ihr zu Füßen lag ein Gerippe, das der Zufall in eine Lage gebracht hatte, daß es scheinen konnte, als sähe sich der Todte unwillig und verwundert nach uns um. Ein Gewölbe enthielt auch eine Anzahl Särge, die noch nicht ganz aus ihren Fugen gewichen waren, und an denen noch einzelne Schilder und Embleme prangten.

Ein Herr unserer Gesellschaft entfernte sich gegen den ausdrücklichen Befehl unseres Führers in einen Gang hinein, der niedriger wie die andern gewölbt war und an dessen äußerm Bogen, eine Tafel befestigt war. Kaum hatte er einige Schritte gethan, als der Boden unter ihm zu weichen begann, und er mit einem Schrei zurücksprang. Es hatte sich ein Stein gelöst, der jetzt mit dumpfem Gepolrer in das untere Gewölbe rollte. Wäre dem Verwegenen der Rettungssprung nicht geglückt, so hätte er sein Grab in der Tiefe finden können, denn in die unterste Katakombe, die vermauert war, gab es kein Mittel einzudringen. Unsere kleine Gesellschaft war nicht wenig außer Fassung gesetzt, als der Führer uns diese, glücklich abgewandte Gefahr erklärte. Eine andre, nicht minder unheilbringende Situation ist die, wo das Licht durch Unvorsichtigkeit, oder durch einen Luftzug erfaßt, erlischt, allein dem ist vorgebeugt, indem der zweite Führer, der zurückbleibt, durch den Hülferuf zu erreichen ist, und seine Fackel mitbringt. Es ist nur einmal vorgekommen, daß das Licht erlöscht ist, doch von einem Sturz in die Tiefe wußte der Führer doch schon ein paar Beispiele zu erzählen.

Eine Stunde ungefähr brachten wir in diesem Reiche des Todes zu, alsdann war es uns ein Bedürfniß, wieder an die Oberwelt hinaufzusteigen. Ein düsteres Gewölbe der Kirche erschien uns nach diesem Anblick wie ein lichter Tempel, und eine Weile dauerte es, ehe wir uns überzeugten, daß es hier keine finstern Winkel gab, aus denen hervor Schrecknisse lauerten. Wir nahmen vom Geschlechte früherer Jahrhunderte Abschied und stiegen zu der Sonne unserer Tage empor, des schönen Lichtes uns freuend, das seine Strahlen über unsere Häupter, auf denen noch kein Staub der Gruft lag, hingleiten ließ. Schillers Vers kam unwillkürlich vor den betrachtenden Geist: „Dort unten aber ists fürchterlich! Und nimmer begehre der Mensch zu schauen, was die Götter gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.“

v. S.





Elternliebe in der Thierwelt.

Es geht ein großer, versöhnender Zug durch die oft in Kämpfen so gewaltig aufgeregte Natur, und seine Spur wird selbst bei den grausamsten und beutegierigsten Thieren nicht vermißt; es ist der Zug der Elternliebe zu den Jungen, oder in Ermangelung von Eltern, die Liebe der Pflegeeltern zu den verlassenen Jungen.

So weit das Auge theilnehmender Naturforscher gefolgt ist, hat man bis in die niederen Thierclassen hinab, bis in die Reihen der Spinnenthiere, diese offen bethätigte Liebe beobachtet, wobei wir noch immer alle instinctmäßige Vorsorglichkeit bei Seite lassen.

Wir rechnen z. B. nicht mehr zu der bewußt- und absichtsvollen Elternliebe das den Alten durch den Instinct gebotene und darum unabweisbare Fürsorgen betreffs eines sichern Brutplatzes, der den ersten Schutz und die erste Nahrung zugleich bietet. Denn der Instinct ist nichts, als der angeborne Trieb, Alles zu thun, was zur eignen Erhaltung und im Allgemeinen zur Erhaltung der Jungen nöthig ist.

Nach ihm sucht das Kind – denn auch der Mensch besitzt Instinct – bald nach der Geburt von selbst die Mutterbrust; nach ihm sucht das eben geborne Böcklein unter vielen Trinkgefäßen sich nur das Milchgefäß aus; nach ihm bauen sich gewisse Vögel immer und in jedem Falle Beutelnester; nach ihm liegen die Schmeißfliegenmaden im Fleische und die Zwiebelfliegenmaden in den Zwiebeln; nach ihm kleben die jungen Flußmuscheln, um vor Stößen gesichert zu sein, mehrfach in den Höhlungen der Ufersteine. Ja, ich fand sie mehrfach in Scherben, in dem hohlen Raume zwischen dem hervortretenden Bodenreife einer zerbrochenen Tasse oder Vase haften.

Alles dies kommt auf Rechnung des Instincts und der instinctmäßigen Mutterliebe. Es gibt aber auch der besondern Fälle gar viele, wo Ueberlegung, wo eine Art Gefühl, wo Erfahrung sichtlich wird, wo die Alten nicht gerade so handeln mußten, und wo man es auch ihnen zum Verdienste anrechnen könnte. Es ist uns hier darum zu thun, eine Reihe von fremden und eignen Beobachtungen vorzuführen, an denen bedachte und absichtlich einwirkende Elternliebe sichtlich ist, neben jener allgemeinen und instinctmäßigen, die Jeder, auch der einfachste Mann, ohne Loupe und Mikroskop auf seinen Spaziergängen finden kann.

Wie alte Hausthiere schon die Jungen pflegen, können wir täglich beobachten. Wie ängstlich geleiten nicht manche Tauben die Ihren zum ersten Fluge! Schafe finden unter hundert ihrer Brüder das Junge heraus, bleiben aber mit besonderer Treue oft bei Schwächlichen stehen. Stampfende Pferde schonen auf oft auffällige Weise ihr herumtölpelndes Füllen; selten und meist nur verschüchtert verletzt das Hornvieh seine Jungen. Eine alte Ziege ermunterte das von ihr niedergeworfene Junge nachdrücklichst zum Aufstehen, als wenn dies ein Beweis des Wohlbefindens wäre. Dazu trat die Alte mit den Vorderbeinen dicht an’s Junge heran und stieß gelind mit der Nase in dessen Weichen. Katzen schleppen oft ihre Jungen im Maule in die entlegensten Schlupfwinkel, wenn ihnen der alte Platz unbehaglich wird. Eine Katze, die in dem Winkel einer viel benutzten Küche Junge gesetzt hatte, schleppte dieselben, weil ihr das Fleischhacken widerlich schien, den neunten Tag in einen Holzschuppen, wo trocknes Reisig lag. Die Nacht war rauh und kalt; das Spalier hatte wenig Schutz geboten, und der nächste Tag fand die Katze mit den ihr gelassenen zwei Jungen unter dem Fenstertritte, der nach einer Seite offen war. Andere Hausthiere, z. B. manche Hunde, lassen sich kaum ihre Jungen ohne Gefahr rauben. Gänse und Enten wachen ängstlich über die Jungen; man weiß, daß alte Gänseriche den Verfolgern auf den Leib geflogen sind und sie empfindlich verletzt haben. Sprichwörtlich ist die Liebe einer Haushenne zu ihren Jungen geworden und Mutterliebe hat, wenn auch nicht eine ganze Sprache, so doch eine ziemlich lange Reihe von Lauten, mit denen die alte Glucke die Jungen heim oder zum Futter ruft oder vor Habichten sichert.

Noch ergreifender und oft viel wichtiger sind die Beobachtungen an den frei lebenden Thieren, sowohl in den Reihen der oft so lieblichen Gliederthiere, wie auch in dem Haufen der mehr aristokratischen Knochenthiere. Wie wohlthuend, wie gewinnend ist’s nicht, zu sehen, wie aus Mutterliebe die kleine Fledermaus des Abends beim Beutezuge ihr Junges in den warmen, häutigen Mantel

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 546. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_546.jpg&oldid=- (Version vom 18.10.2022)