verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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No. 39. | 1857. |
Der Kaiser Roms, Honorius,
Der in Ravenna thronte,
Hatt’ einen Hahn zum Intimus,
Dem kaiserlich er lohnte.
Und weil das Thier so stolz gethan,
So nannt’ er „Rom“ den Gockelhahn,
Und wenn die Stadt nach Nahrung schrie,
So sprach er: „Speis’ ein And’rer sie –
Ich muß den Gockel füttern!“
Gen Welschland zog Held Alarich,
Der Feldherr der Barbaren;
Das kleine Heer der Römer wich
Bestürzt vor seinen Schaaren.
„O Cäsar! Cäsar! Große Not!
Bald bleicht das stolze Purpurroth
Am Kaisermantel! Drum zum Streit!“
Der Kaiser sprach: „Noch ist es Zeit!
Ich muß den Gockel füttern!“
Nicht lang’, und der Minister trat
Zum Kaiser sammt dem Hahne.
„O Fürst, der wilde Feind – er naht!
Ergreift des Reiches Fahne!“
Der Kaiser eilt zum Dach hinauf,
Bis zu des Thurmes goldnem Knauf.
Dann spricht er, ruhigen Gesichts:
„Was zagst Du, Freund? Ich sehe nichts! –
Ich muß den Gockel füttern!“
Die Botschaft kam: „Bedrängt ist Rom
Durch Alarich’s Geschosse!
Schon führt der Feind zum Tiberstrom
Zur Tränke seine Rosse!“
„Genug des Wassers hat der Fluß,“
Sprach stolz gefaßt Honorius –
„Sie trinken doch den Strom nicht aus.
Mich aber, bitt’ ich, laßt zu Haus!
Ich muß den Gockel füttern!“
Ganz zitternd naht ein Bote sich:
„O Herr! Rom ist genommen!“ –
„Wie? Rom, mein Hahn? O Alarich!
Das soll Dir schlecht bekommen!“ –
„Nein, Rom, die Stadt, das prächt’ge Rom
Ward gleichgemacht dem Tiberstrom!“ –
„Nichts weiter? Laßt es untergeh’n –
Es kann ja doch nicht ewig steh’n –
Ich muß den Gockel füttern!“
Der furchtsame Martin von Hemskerk.
Hat es auch, wie Jedermann bekannt, zu allen Zeiten und an allen Orten mitunter wunderliche Käuze gegeben, so lieferte doch sicherlich das Völkchen der Maler, Poeten und Musikanten die wunderlichsten. Man braucht nur hineinzugreifen in ihre Reihen auf’s Gerathewohl, eine jede der Schattengestalten, die man just heraufbeschwört, trägt eine Seltsamkeit, eine Eigenthümlichkeit, einen fremden Zug, wie ein wunderlich und altmodisch geschnittenes Kleid zur Schau. Und solche Sonderbarkeiten darf man bei der Beschreibung ihres Lebens und Seins eben so wenig verschweigen, als der gewissenhafte Zeichner bei Anfertigung eines getreuen Conterfeis die Fältchen
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_525.jpg&oldid=- (Version vom 27.9.2022)