verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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welcher wesentlich zur Verstärkung beiträgt. Die Sohlplatte ist mit einer Schiebervorrichtung versehen, welche den mittlern Cylinder (D) theilweise oder ganz über den innern (H) zu führen gestattet. Das zum Betrieb benutzte galvanische Element (E) ist in der Regel ein Daniel’sches aus Kupfer (Cu) und Zink (Zk); als flüssige Halbleiter dienen Cypervitriollösung außerhalb und Kochsalzlösung innerhalb des Thoncylinders (Th). Die Menge der Elektricität wächst mit der Zahl der Elemente, die Stärke (elektrische Spannung) mit der Größe der Metallflächen. Bei Vereinigung mehrerer werden die ungleichnamigen Metalle (Cu mit Zk des nächstfolgenden u. s. w.) verbunden. Der galvanische Strom wird nun durch die Drähte (d) auf eine behufs der Isolirung mit Seide übersponnene Kupferspirale geleitet, welche den innersten Holzcylinder (H) umwickelt und auf diesem nach G zurückkehrt. Hier ist das Hammerspiel (FG) eingeschaltet; der Eisenkern F wird durch den galvanischen Strom elektro-magnetisch und zieht daher den Hammer an, welcher an einer Messingfeder haftend, durch diese Entfernung von der Schraube G den Strom öffnet; er wird daher wieder von F losgelassen, und schließt nun den Strom von Neuem, daher abermals Anziehung erfolgt u. s. f.
Auf dem Holzcylinder D verläuft der Draht, auf welchen der faradische Strom inducirt wird, und dieser geht durch die Schrauben auf B in die Leitungsdrähte über; letztere sind zur Isolirung und bequemern Handhabung ebenfalls mit Seidenfaden umwickelt. Mit der Länge der Spirale wächst die Stärke des inducirten Stromes, sie ist am bedeutendsten, wenn a und b sich berühren.
Der ursprüngliche galvanische Strom heißt auch wohl der primäre, der inducirte im Gegensatz der secundäre; jeder kann besonders in Anwendung gezogen werden.
Hierüber, so wie über die Beschaffenheit der Conductoren und die Methode der localen Faradisation nach Duchenne ist bereits in Nr. 36 v. J. dieses Blattes ausführlich berichtet. Es erübrigt noch ein Wort über die sogenannten elektrischen Ketten, welche am Körper getragen werden. Dieselben sind zum Theil, wie namentlich die Goldberger’schen und ihre zahllosen Nachahmungen, von gar keiner physikalischen Wirkung; mehr Sinn hat der Romershausen’sche Bogen, welcher ein einfaches galvanisches Element darstellt; am wirksamsten sind die Pulvermacher’schen Ketten, die auf höchst sinnreiche Weise construirt, einen merklichen Strom entwickeln, doch erstreckt sich die Wirkung aller dieser Vorrichtungen nur auf die Haut, welche dadurch gereizt und geröthet wird; dieser Reiz wird beträchtlicher, wenn die betreffende Hautstelle durch Blasenpflaster der Oberhaut beraubt ist.
Es mußte ein außerordentlicher Anlaß sein, der heute eine so ungewöhnliche Bewegung in den sonst so gleichmäßig ruhigen und soliden Haushalt des Herrn Geheim-Secretairs brachte. Die Vorboten außerordentlicher Wirthschaftsereignisse waren, wie immer in derlei Fällen, zuerst in der Küche bemerkbar geworden, und es fiel den Hausgenossen nicht wenig auf, daß die Frau Geheim-Secretairin, als sie am gestrigen Markttage mit ihrem Dienstmädchen vom Einkaufen zurückkehrte, den Succurs einer „Tragefrau“ hatte requiriren müssen, um die eingekauften Vorräthe nach Hause zu schaffen. Bald genug kam das große Geheimniß durch das Factotum der Familie, das erwähnte Dienstmädchen, zur allgemeinen Kenntniß: es handelte sich um nichts Geringeres, als um eine Abendgesellschaft in großem Styl: Thee und warmes Abendbrod, dazwischen Tanz und Spielpartieen. Das dreistöckige Haus der Alten Jacobsstraße kam schier in Aufruhr über so ungewohnte Dinge! Wußte doch Jedermann, wie sehr die Familie sich sonst einschränkte, sich einschränken mußte! Es ist wahr, er hatte ein schönes Gehalt, der Herr Geheimsecretair, mit den üblichen Weihnachts-Gratificationen vom Herrn Minister, über 800 Thaler. Aber dafür war auch der Kindersegen stark; zwei herangewachsene Mädchen und drei Knaben, die zum Theil noch die theuren Schulen besuchten und, wie die Frau Geheim-Secretairin einer vertrauten Nachbarin zu klagen pflegte, „gar nicht vom Schuhmacher und Schneider fortkamen.“ Dazu kam, daß der Mann erst seit wenigen Jahren in die gegenwärtige, auskömmliche Stellung gelangt war und, wie man munkelte, aus früherer, schlechterer Zeit Schulden hatte, die nach und nach getilgt werden mußten. Und so war es denn natürlich genug, daß die Familie sich einschränkte, wie es nur irgend anging. Freilich hatte dieses Einschränken seine Grenzen; man mußte doch einigermaßen seiner Stellung in der Gesellschaft Ehre machen, konnte die erwachsenen Töchter nicht wie Dienstmädchen gekleidet einhergehen lassen, und die Söhne nicht in die gewöhnliche Volksschule schicken, welche allenfalls für die Zukunft von Proletarierkindern ausgereicht hätte, die von Hause aus dazu bestimmt waren, das Handwerk ihres Vaters fortzusetzen oder ein entsprechendes zu ergreifen. Nicht eben, daß der Geheim-Secretair hoch hinaus wollte, aber es wollte ihm doch auch nicht zu Sinne, und noch weniger der Frau, die aus guter Familie stammte, daß seine Söhne gewöhnliche Professionisten werden sollten. Welcher Gedanke, daß ihm, dem Herrn Geheim-Secretair, wenn er mit dem Bündchen im Knopfloch und den Acten unter dem Arm aus dem Ministerium nach Hause ginge, sein Jüngster, der Blondkopf, mit klappernden Pantoffeln, im Schurzfell, in der obligaten Tracht eines „Schusterjungen“ begegnete, und das vielleicht, wenn zufällig einer der Herren Räthe dem Vater die Ehre erwiese, eine Strecke neben ihm herzugehen, wie das schon vorgekommen war. Entsetzlicher Gedanke!
Der bedeutungsvolle Abend war gekommen, und die vier Frontfenster der nach der Alten Jacobsstraße gelegenen Wohnung glänzten hell inmitten der bescheiden beleuchteten Nachbarhäuser. Der Gegensatz bürgerlicher Gastlichkeit gegen die billige Scheidemünze der Gastfreundschaft in den „höheren Gesellschaftskreisen“ machte sich sofort darin kenntlich, wie die Eingeladenen anlangten. Die Meisten kamen zu Fuße, wenige in Droschken, Niemand in einer Kutsche. Dieses und die Art der Bewirthung unterschied die Gesellschaft einzig von den Soiréen anderer Kreise, wenigstens was die äußere Erscheinung betraf; doch muß gewissenhafter Weise hinzugefügt werden, daß, wenn die Herren weniger Bänder und Orden im Knopfloche hatten, die Blumenfülle in den Haaren der Damen desto beträchtlicher war, und daß, was den Coiffüren an Eleganz und Kostbarkeit abging, reichlich durch jugendliche Gesichter, blühende Farben und munter blickende Augen ersetzt wurde. Man sah es den Gestalten dieses Kreises an, daß sie nicht müde und gelangweilt von einer Soirée in die andere eilten, daß sie sich nicht vergeblich in dem Ringen nach Unterhaltung abmühten, ohne selbst etwas Anderes in die Gesellschaft mitzubringen, als vornehme Blasirtheit.
Die Gesellschaft war so zahlreich, daß sie die vorhandenen drei Zimmer vollständig füllte. In dem mittleren fand der eigentliche Ball statt, zu welchem die Töchter des Hauses, abwechselnd mit den vorhandenen musikalischen Kräften der Gesellschaft, Clavier spielten. In dem Vorderzimmer, welches sonst die Arbeitsstube des Hausherrn war, hatten sich einige Spielpartieen zusammengefunden; in dem dritten hatten diejenigen Elemente der Gesellschaft Posto gefaßt, welche weder am Tanz noch Spiel Theil nahmen, und ihre Rechnung bei einer allerdings nicht brillanten, aber dafür auch nicht unnatürlich geschraubten Unterhaltung fanden.
„Wie, Herr Director, Sie entziehen sich heute unserer Whistpartie? Das ist eine Auflehnung gegen alle gesetzliche Ordnung!“
Mit diesen scherzhaften Worten näherte sich der Hausherr einem Manne des zuletzt geschilderten Kreises, und machte Miene, den sich Sträubenden mit freundlicher Gewalt in das Spielzimmer zu ziehen.
Der mit dem stattlichen Titel „Director“ Angeredete war ein noch junger Mann, etwa ein Vierziger; ließ ihn aber die schlanke,
- ↑ Unter diesem Titel werden wir eine Reihe Artikel bringen, worin die innern Zustände unseres Beamtenthums in scharfen, aber getreuen Strichen von sachkundiger Hand gezeichnet werden. Den heutigen wollen unsere verehrten Leser als einleitende Skizze ansehen. D. Redact.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_519.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2022)