verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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er es mit Gott, und fährt er wieder heraus, so denkt er dankend an Gott, dessen Schutz ihm zu Theil ward. Die schöne Gewohnheit bei dem Regalbergbau, daß die Bergleute vor ihrer Einfahrt im Huthause gemeinschaftlich beten, ist bei dem Zwickauer Steinkohenebergbau noch nicht eingeführt.
Aberglaube, sonst bei den Bergleuten sehr gang und gäbe, ist bei dem Zwickauer Kohlenbergmann fast gar nicht zu finden. Er fürchtet sich nicht vor der Tücke der Kobolde, noch hofft er auf Segen aus den Händen der Berggeister. Er glaubt an die unwandelbar wirkenden Gesetze der Natur, an die Stärke seiner Maschinen, an die Festigkeit seiner Bauten, an die Zuverlässigkeit seiner Drahtseile und Fahrten, an die Kenntnisse, Erfahrung und Gewissenhaftigkeit seiner Vorgesetzten.
Muth und Entschlossenheit, rasches, energisches Handeln sind Eigenschaften, welche der Kohlenbergmann in hohem Grade besitzen muß, wenn er nicht jeder Gefahr zum Raube werden will. Eine schnelle Wendung bringt ihn aus dem Bereiche eines unversehens herabstürzenden centnerschweren Kohlenstückes; ein kühner Griff bewahrt ihn vor dem Fall in schauerliche Tiefe: eine entschlossene That rettet ihn und seine Kameraden vom sonst unvermeidlichen Tode.
Seine Arbeit ist voll Mühsal, gleichviel, ob er den Schacht erst niederbringt, oder vor Ort arbeitet, oder die losgearbeiteten Kohlen bis zum Förderschacht schafft, oder mit dem Einbaue in den Schacht beschäftigt ist, oder ob er vor der Gluth der Kessel und Coköfen sein Werk treibt. Bald liegt er, bald sitzt er, bald kniet er, bald lauert er, bald steht er, bald schwebt er, in allen Stellungen und Lagen muß er sein gewichtiges Werkzeug zu gebrauchen wissen. Dabei hat er zeitweilig nicht nur von der Nässe zu leiden, sondern muß sich auch oft mit einer schweren und drückenden Luft begnügen, die so mit schädlichen Gasarten angefüllt ist, daß das Grubenlicht kaum das zur Arbeit nothwendige Licht gewähren will. Diese „bösen Wetter“ werden namentlich im heißen Sommer bisweilen so arg, daß ihretwegen die Arbeit eingestellt werden muß. Noch schlimmer, als die bösen Wetter, sind die schlagenden Wetter; diese bestehen aus Wasserstoffgas, das sich, wenn es mit Feuer in Berührung kommt, sofort entzündet und den darein gerathenen Bergmann jämmerlich verbrennt. Diese schlagenden Wetter kommen zwar im Zwickauer Revier nur selten vor; aber doch fordern sie von Zeit zu Zeit ein Menschenleben.
Bei solchen Mühen und Beschwerden, die der Kohlenbergmann zu ertragen hat, können natürlich nur gesunde und kräftige Arbeiter gebraucht werden. Die Umgegend von Zwickau liefert die meisten und besten; die aus dem Obergebirge ankommenden Bergeleute halten gewöhnlich nicht lange aus, sei es, daß ihnen die Arbeit zu schwer ist, sei es, daß sie vom Heimweh ergriffen werden.
Der Verdienst des Kohlenbergmanns ist ziemlich hoch. Die Zimmerlinge, welche den ganzen Einbau in den Schacht zu besorgen haben, und aus den Häuern genommen werden, erhalten für die zwölfstündige Schicht 16 Ngr., die Häuer, welche die Kohlen vom Kohlenstock losarbeiten, 15 Ngr., die Förderleute, welche die Kohlen vom Orte bis zum Förderschachte schaffen, 12 Ngr., die Tagearbeiter 10 Ngr. Dieser Lohn wächst aber noch beträchtlich dadurch, daß die Bergleute sehr oft 1¼, ja sogar 1½ Schicht machen, und daß sie fast fortwährend im Gedinge arbeiten, wobei ihnen der Lohn nicht nach der Dauer der verwandten Zeit, sondern nach der Größe der gelieferten Arbeit gezahlt wird. Dabei ist es jetzt nichts gar Seltenes, daß ein tüchtiger Zimmerling oder Häuer den Tag über seinen Thaler verdient.
Daß der Bergmann bei so anstrengender Arbeit mit schmaler Kost nicht zufrieden ist, kann wohl nicht befremden. Wenn aber der Eine oder der Andere im Genuß geistiger Getränke nicht das rechte Maß hält, so ist das zwar bedauerlich und für die betreffenden Personen mit großer Gefahr verbunden; aber im Allgemeinen kann dem Zwickauer Kohlenbergmann die Mäßigkeit und Nüchternheit, ohne welche er sein Werk nie zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten verrichten könnte, nicht abgesprochen werden.
Für Krankheits-, Unglücks- und Todesfälle ist bei jedem großen Kohlenwerke eine sogenannte Knappschaftscasse errichtet. Ihr müssen nicht nur alle Arbeiter, sondern auch alle Officianten, bis zum Bergverwalter herauf, beitreten. Für die Beiträge, welche sie an diese Casse bezahlen, erhalten sie in Krankheitsfällen freie ärztliche Behandlung und Medicin, auch einen Theil ihres Arbeitslohnes, und wenn sie arbeitsunfähig geworden sind, wird ihnen eine kleine Pension auf Lebenszeit gewährt, die nach ihrem Tode theilweise sogar auf ihre Hinterlassenen übergeht. Diese Knappschaftscassen sind bei den häufigen Unglücksfällen, die bei dem Kohlenbergbau vorkommen, überaus heilsam wirkende Einrichtungen, zumal da der treue Arbeiter in der ihm gereichten Unterstützung nicht ein Almosen, sondern die Befriedigung eines während seiner Arbeitszeit wohlerworbenen Anspruches zu erblicken hat.
Alljährlich einmal versammeln sich die gesammten Bergleute eines Werkes zur Feier eines Knappschaftsfestes. Dabei halten sie in ihrer malerischen Kleidung feierliche Aufzüge, manchmal auch mit Kirchenparade und Bergpredigt verbunden. Bei dem darauf folgenden gemeinschaftlichen Mahle und Tanze wird freilich der bergmännische Ernst einmal ganz vergessen; wir wollen es aber den Männern, deren Leben eine fortgesetzte Reihe von Mühe und Gefahr ist, nicht verdenken, wenn sie die wenigen Rosen, die ihnen auf ihrem Lebenswege blühen, mit raschem Griffe pflücken, mag auch dem Einen oder Andern dabei ein kleiner Dorn in die Finger fahren.
Alle Ehre den braven Bergleuten, den Männern der Arbeit und Gefahr!
Das achtzehnte Jahrhundert zeigt eine große Vorliebe für alle Verbindungen, weltliche, geistliche und halb weltliche, halb geistliche. Wir wollen nur an die Illuminaten, Rosenkreuzer u. A. erinnern, deren Zwecke sehr hoch gestellt waren und die nichts Geringeres beabsichtigten, als die Menschheit aus den Banden, in denen sie schmachtet und die ihre freie Entwickelung hindern, zu lösen. Wir wollen hier nur zweier solcher Verbindungen Erwähnung thun, die nicht so hochfliegende Pläne verfolgten, die einzig zu Erziehungs- und gesellschaftlichen Förderungsmitteln dienen sollten und ihre Bestimmung auch genügend erfüllten. Der erstere war ein Orden, den eine fromme Gräfin von Zinzendorff, die Mutter des bekannten Gründers der Herrnhuter Gemeinde, gründete und der sich der „Orden vom Senfkorn“ nannte, auf jenes biblische Gleichniß sich beziehend, wo es heißt: „Wenn ihr Glauben habt nur eines Senfkorns Größe, so werdet ihr können Berge versetzen.“
Trotz dieser geistlichen Etiquette war dieser Orden doch lediglich ein auf weltliche Erziehungszwecke abzielender, denn die Theilnehmer desselben verpflichteten sich, dem Tanze und dem Spiele zu entsagen. In jener Zeit, wo die Moral auf so schwachen Füßen stand, wo die Verführungen der großen Weltstädte London und Paris, wohin die junge Welt ihre Reisen machte, zahllose Opfer dahinrafften, konnte eine zwingende Ordensregel, die gerade aus zwei der ärgsten, Gesundheit und Geld raubenden Modeleidenschaften ihr Augenmerk richtete, ganz gute Wirkung thun. Spangenberg im Leben des Grafen von Zinzendorff erzählt von der Gründung und dem weitverbreiteten Nutzen dieses Ordens vom Senfkorn. Ein anderer Orden, diesem nachgebildet und ebenfalls von einer frommen Gräfin gegründet, sollte die jungen Leute zwingen, ihre Schulden zu bezahlen. In die Verbindung des Ordens, der übrigens seinen Theilnehmern weltliche Vortheile, Protectionen bei Nachsuchung von Aemtern, günstige Heirathsprojecte etc. zusicherte, wurden nur Personen aufgenommen, die von keiner Art Gläubiger verfolgt wurden. Zeigte sich, daß ein Mitglied irgend eine Schuld, auch nur bis auf einen Thaler reichend, auf sich lasten fühlte, so wurde er unerbittlich aus dem Ordensverband gestoßen. Begreiflicher Weise hielt sich jedoch dieser Orden, der der Orden „zum guten Haushalter“ hieß, nicht lange. Der Orden, von dem wir jetzt sprechen wollen, hielt sich länger, weil er auf eine Basis gegründet war, die keine besonderen Pflichten und Opfer als nothwendig erachten ließ und nur mit dem Aufbau einer geistvollen, ungetrübten und glücklichen Geselligkeit sich beschäftigte.
Zwei Stunden von Gotha liegt das in französisch-holländischem Geschmack erbaute Lustschloß Friedrichswerth. Hier gründete
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_508.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2022)