verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Nachdem wir die Erlaubniß eingeholt und uns zugleich überzeugt haben, daß die Wetter im Schachte besser geworden und es wieder „brennt“, eilen wir am frühen Morgen zum Schacht, ziehen in der Expedition Hosen und „Bergkittel“ an, schnallen das Leder um, setzen den Schachthut auf und hängen die Blende vor. Nun sind wir fertig zum Einfahren und schlagen in Begleitung des dienstthuenden Obersteigers den Weg zur Grube ein. Die Fallthüre öffnet sich und die Tiefe gähnt schwarz herauf. Es kommt Manchem, wenn er die Fahrt betritt, der Schwindel an; wir aber kennen den Schwindel nicht und müssen uns nur wundern, wie Jemand, der fast nicht mehr sieht, als er greifen kann, vom Schwindel gefaßt werden kann.
Jede Fahrt ist sechs Ellen lang; ihre ursprünglich sehr breiten Sprossen sind schon bedeutend ausgetreten, aber hier und da zeigt eine neue eingezogene, daß sorgsame Augen über gute Instandhaltung der Fahrten wachen. Ist man an drei Fahrten heruntergefahren, so wird dem Fuße ein Ruhepunkt auf einer Bühne, die von achtzehn zu achtzehn Ellen wiederkehrt. Auf der Bühne wird links um die Fahrt herum getreten, und es kann die linke Hand die wohl zwei Ellen über die Bühne hervorstehende neue Fahrt schon erfassen, während die rechte die alte noch hält. Zehn Fahrten haben wir auf diese Weise passirt; da hält der Steiger mit Fahren an und macht darauf aufmerksam, daß hier die Schachtmauerung zu Ende ist und der Holzausbau beginnt. Bei kleinen Schächten, wie sie früher alle waren, geht der Holzeinbau von oben bis unten; aber große Schächte müssen, je nachdem man zeitiger oder später auf Gebirge kommt, das im Stande ist, eine so gewaltige Mauer mit Sicherheit zu tragen, vierzig, fünfzig, sechzig, siebzig und noch mehr Ellen mit Mauern von 1 bis 1½ Elle Stärke ausgefüttert sein. Unterhalb der Mauer folgt in Zwischenräumen von 1½ Elle ein viereckiger Kranz von starkem Holz und die Zwischenräume sind mit Schwarten sorgfältig verkleidet. Zur rechten Hand rollen in einer durch eine Bretterwand abgeschlossenen Abtheilung des Schachtes am Drahtseile die Förderwagen – Hunde genannt – auf und nieder, die vollen auf, die leeren nieder; zur linken geht das Gestänge für die Drucksätze seinen einförmigen Gang. Die Last des Gestänges, worunter man sich nicht etwa schwache Stangen, sondern je nach der Tiefe vier, sechs, acht, zehn Zoll starkes, vollkantig gehauenes, mit Eisen vielfach beschwertes Holz denken muß, ist ungeheuer. Die Aufgabe der Wasserhaltungsmaschine ist es, dieses an die eine Seite des Balanciers angehängte Gestänge aufzuheben. Wenn es aber wieder niedergeht, so drückt es einzig durch seine Last, welche die der Wassersäule übertrifft, die in luftdicht verschlossenen, in Absätzen von der Schachtsohle bis zu Tage senkrecht aufsteigenden Röhren aufgestellt ist, die Schachtwasser zu Tage aus, wo es theils zur Kesselspeisung, theils zum Kohlenwaschen verwendet wird, theils unbenutzt fortläuft.
Endlich sind wir bis auf die Sohle des Schachtes gekommen und befinden uns gegen 500 Ellen tief in der Erde. Ein helles Glückauf tönt uns mehrstimmig entgegen; einige Förderleute stehen da mit dem eben herangeschobenen Förderwagen; sie warten, bis der leere Hund von oben niederrasselt, schieben ihn rasch weg und vertauschen ihn mit einem vollen. Ein kräftiger Zug, und zu Tage verkündet die Schelle, daß man unten fertig ist. Der Dampf strömt wieder ein in die Fördermaschine und wenige Minuten, so sieht die Kohle wieder den Tag, dem sie vor vielen Tausend Jahren entrückt ward. Können genug Kohlen herzugeschafft werden, so können in einem Tage über 300 Karren zu Tage gefördert werden.
Wir biegen nun ein in die Strecke, welche vom Schachte aus in das Kohlenflötz hineingetrieben ist. Zu beiden Seiten steht mehr als reichhoch der schwarze Kohlenstock, die Decke ist vor dem Einstürzen gesichert durch Querhölzer, welche von Zeit zu Zeit an bedenklicheren Stellen eingezwängt sind. Ist aber die Strecke und also auch die Decke breiter, so wird das Querholz und mit ihm die Decke von starken zu beiden Seiten ausgestellten Holzstöcken, den sogenannten Stempeln, getragen. Auf dem Boden aber liegen in den Hauptstrecken vier eiserne Schienen, zwei für die vollen und zwei für die leeren Hunde. Die Strecken werden bis an die Grenze des Kohlenfeldes getrieben und die Grenze selbst umfahren; der einen Strecke läuft parallel eine zweite; beide werden durch Seitenstrecken mit einander in Verbindung gesetzt und so nach und nach der erst im Ganzen umfahrene Kohlenstock in lauter einzelne Pfeiler getheilt. Nun werden die Pfeiler von außen herein nach einander abgebaut; nach dem Abbau werden die Stempel so viel als möglich wieder herausgerissen – geraubt –; die wenigen stehen bleibenden sind nicht mehr im Stande, die auf ihnen lagernde ungeheuere Last zu tragen; sie knistern und knallen und zerfahren zuletzt mit furchtbarem Prasseln und krachen in Tausende von kleinen Splittern; die frühere Kohlendecke bricht donnernd herein und füllt den durch den Kohlenabbau gewordenen leeren Raum wieder aus. Es ist zu Bruch gebaut worden.
Nach weitem Weg durch die Strecken finden wir endlich den Häuer vor Ort; die Frucht seiner Arbeit sahen wir schon oft, wenn uns in den Strecken die vollen Hunde begegneten. Es arbeiten allemal zwei Häuer zusammen an einem Ort. Zuerst treiben sie in den Fuß der Kohle mit ihrem spitzen Kohleisen eine möglichst tiefe Kerbe hinein, – sie schrämen – eine Arbeit, die sie fast nur liegend vollbringen können und wobei sie sich vor dem Herabstürzen von Kohlenstücken dadurch zu sichern suchen, daß sie Holzstücken gegen den abzubauenden Kohlenstock stemmen. Dann führen sie eine gleiche Kerbe herunter, – sie schlitzen. Natürlich, daß der nun von drei Seiten losgelöste Kohlenstock die Neigung hat, die ihm entzogene Auflage wieder zu erlangen: er zerspringt, knistert und prickelt, wie wenn er jeden Augenblick in helle Flammen, ausbrechen wollte. Aber es würde dem Häuer zu lange dauern, wenn er warten sollte, bis der Kohl von selbst sich löste. Darum hilft er mit seinem Eisen nach oder, wenn ihn das auch zu langsam zum Ziele führt, so muß die erprobte Kraft des Pulvers ihm seine Dienste leihen. Ein Loch ist bald gebohrt, eine Patrone haftet darin mit brennender Lunte, der Häuer weicht ein Stück zurück, ein dumpfer Knall und ein gut Theil Arbeit ist gethan. Die Kohlenwand ist, so weit sie geschrämt und geschlitzt, niedergebrochen, und was noch steht und hängt, ist so durchschüttert, daß das Eisen halbe Arbeit hat.
Es haben sich nun vor Ort die Kohlen so aufgehäuft, daß der Häuer, um seine Arbeit von Neuem beginnen zu können, erst räumen muß. Der Hund wird von den Förderleuten herzugeschafft und von den Häuern so lange gefüllt wieder fortgeschickt, als der gewonnene Vorrath reicht. Der Zimmerling aber muß auch immer zur Hand sein, daß er die durch den fortschreitenden Abbau immer auf’s Neue blosgelegte Decke mit seinen Stempeln zur rechten Zeit vor dem Einbruch sichern kann.
Um den Förderleuten die Arbeit zu erleichtern oder auch stellenweise möglich zu machen, sind auf den Hauptstrecken gewöhnlich Bremsberge angebracht. Es liegen nämlich die Flötze fast niemals wagerecht, sondern fallen in der Regel von oben nach unten in einem Winkel, dessen Grade ziemlich verschieden sind. Die Kohlen werden von da an abgebaut, wo sie am wenigsten tief liegen, nach dem Fallen zu. Wenn sie also zum Förderschacht geschafft werden sollen, haben die Hunde den Berg herunterzulaufen. Dabei würden sie, da sie auf eisernen Bahnen gehen, so in’s Rennen kommen, daß die Förderleute sie nicht mehr beherrschen können. Darum steht auf der Höhe des Berges eine Bremse, welche an einem langen Drahtseile den vollen Hund in mäßigem Laufe herunterläßt, während er zugleich auf der anderen Seite den an das andere Ende des Drahtseiles gehängten leeren Hund zum Füllen heraufziehen muß. Wo aber der Weg wagerecht oder wenig geneigt fortgeht, muß der Fördermann seinen Hund selbst fortschieben.
Der Besucher eines großen Schachtes hat sich vor diesen Hunden, die ihre Ankunft allerdings schon von Weitem donnernd verkünden, gehörig in Acht zu nehmen, zumal da in den Strecken nicht überall so viel Raum ist, daß man ungefährdet zur Seite stehen könnte, während der Hund vorbeifährt.
Nach dem Gesagten scheint es vielleicht, als ob der Kohlenabbau mit ungestörter Regelmäßigkeit stattfinden könnte. Aber dem ist nicht so. Nicht immer geht ein Flötz in gleicher Stärke und in gleichem Fallwinkel fort. Das Flötz, das drei, vier Ellen mächtig ist, schwindet auf einmal auf eine Elle Mächtigkeit zusammen; hier zählt der Fallwinkel eines Flötzes vier Grad und dort sechs,
- ↑ Dritter und letzter Artikel von: „Zwickau und seine Kohlen.“
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_506.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2022)