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Seite:Die Gartenlaube (1857) 504.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Krankenbette die Nähe des Herrn schon öfters kennen gelernt hatte.

„Er wird mich trösten!“ wiederholte wie das klagende Echo eine sanfte, traurige Stimme.

Es war die der Commerzienräthin, welche unbemerkt hereingetreten war, deren Mutterherz die Sorge nicht schlafen ließ; sie war gekommen, um dem Liebling ihrer Seele die Augen zuzudrücken. Mit ihrem Taschentuchs wischte sie den Todesschweiß von seiner Stirn. Gertrud und der Medicinalrath strengten sich vergeblich an, sie zu entfernen, um ihr den schrecklichen Anblick zu ersparen.

„Ich hab’ ihn geboren,“ sagte sie milde, aber fest, „ich will ihm auch den letzten Dienst erweisen.“

Sie blieb und wich nicht mehr von seinem Lager, bis der theilnehmende Arzt sie mit Gewalt fortzog. Ein langer Seufzer entrang sich noch einmal der Brust des Sterbenden, dann ward es still, ganz still.

„Er hat vollendet!“ sagte der Arzt tief erschüttert.

Eine wohlthätige Ohnmacht breitete ihre Schatten über das gequälte Mutterherz. Gertrud wollte ihr zu Hülfe eilen und sie erwecken, obschon ihr selbst das Herz zu brechen drohte.

„Lassen Sie,“ rief ihr der alte Medicinalrath zu. „Ihr ist wohl; sie wird noch zeitig genug erwachen.“

Das treue Mädchen stand mit gefalteten Händen; ein leises Schluchzen nur verrieth die Größe ihres eigenen Schmerzes.

(Schluß folgt.)




Karl August und Louise.
Zum 3. September 1857.

Am 3. Septbr. 1757 gebar die siebenzehnjährige Amalie ihrem Gemahl, dem Herzoge Ernst August von Weimar, den ersten Sohn, Karl August, und heute, am 3. Septbr. 1857, prangt nicht nur die kleine Stadt Weimar im festlichen Schmucke, um die hundertste Wiederkehr jenes Tages feierlichst zu begehen, auch aus allen Gegenden Deutschlands strömen Tausende freudig bewegt hinzu, das Fest mit zu feiern und dem Andenken jenes Fürsten den Zoll ihrer dankbaren Verehrung darzubringen. Es ist also kein blos Weimarsches, es ist vielmehr ein deutsches Fest, das man begeht. Ein deutsches Fest aber etwa nur, weil den großen deutschen Dichtern, die Karl August um sich sammelte und denen er Freund war, an diesem Tage Denkmale aus Erz errichtet werden? O nein! So tief die Nachwelt die Verdienste fühlt, welche Karl August um Wieland, Goethe, Herder und Schiller und damit zugleich um die deutsche Literatur sich erworben hat, so sehr sie von der Ueberzeugung durchdrungen ist, daß er jene Sterne nicht aus Eitelkeit um sich sammelte, um mit ihrem Glanze zu prahlen, so wenig vergißt sie, daß Karl August viel mehr war, als blos ein Förderer und Beschützer deutscher Dichter.

Ueberblickt man sein Leben und Streben, so drängt sich unabweislich der Gedanke auf, daß große Menschen sind, wie hohe Berge, denn wie die letzteren zuerst von den Strahlen der aufgehenden Sonne beleuchtet werden und hell hineinleuchten in das Dunkel, das noch um sie her liegt, so erhellt große Menschen auch zuerst das Licht neuaufgehender Ideen, während die Masse des Volkes oft noch lange umnachtet bleibt. Einer solcher großen Menschen war Karl August und Deutschland verehrt ihn, weil die neuen Ideen, die leuchtend ihm zuerst erschienen, Deutschlands Wohl galten, Ansichten und Gedanken über das waren, was ihm Noth that und – noch Noth thut, Zielpunkte des Strebens, die er schon zu erreichen sich bemühete, um deretwillen das Vaterland so viel gelitten hat und die doch zum Theil noch immer unerreicht in der Ferne liegen. Darum aber erkennen Alle, die Deutschland einig, mächtig und glücklich sehen möchten, in Karl August das Ideal eines echten deutschen Mannes, eines echten deutschen Fürsten und darum feiern alle Vaterlandsfreunde den 3. Septbr. von Herzen mit.

Ueber den äußern Glanz des Lebens Karl August’s, so wie über die andern Seiten seiner Wirksamkeit, über seinen Charakter und seinen Geist, ist auch von uns schon häufig genug gesprochen worden; wir lassen also alles dies jetzt bei Seite, um kurz auf seine Bestrebungen und Verdienste als deutscher Fürst hinzudeuten.

Viel zu weit würde es uns führen, wollten wir den traurigen Zustand des heiligen römischen deutschen Reichs in den letzten Jahrzehnten seines Bestehens schildern. Nicht blos etwas war darin faul, sondern Alles. Karl August fühlte dies schmerzlich und die Abhülfe sah er schon damals in dem, was wir noch immer erstreben: in der Reform des Reichs, in einem deutschen Zollvereine u. s. w. Ueber die zahllosen Zollschranken, die damals Deutschland versperrten, zürnte er bei mehr als einer Gelegenheit, denn er fand mit Recht einen Grund der Noth darin, daß „die großen Staaten ihre Länder von jenen ihrer Nachbarn wie Inseln im offenen Meere absondern und die sicherste Art, ihre Macht zu vermehren, darin zu finden glauben, daß sie alle diejenigen, welche nicht die Ehre haben ihre Unterthanen zu sein, aushungern, damit sie sich aus Noth unterwerfen.“

Er sah das Heil Deutschlands nur „in der Vereinigung der verschieden wirkenden Kräfte auf einen Punkt,“ also in einer gründlichen Reform des Reiches, aus welcher die Gründung einer nationalen Macht hervorgehen sollte. Diesen Gedanken hat er verfolgt sein ganzes Leben hindurch, und überall und alle Zeit, wo er hoffen durfte, zu seiner Verwirklichung mithelfen zu können, war er unermüdlich thätig dafür. Schon in den ersten Jahren seiner Regierung, als die Thaten Friedrichs des Großen Deutschland aufrüttelten, schrieb er einmal: „man beginnt zu hoffen, daß der träge Schlummer, der Deutschland seit dem westphälischen Frieden drückt, endlich einmal zerstreut, daß der Nationalgeist in unserem Vaterlande erweckt werden könne.“

Wahrhaft begeistert nahm er die Idee des Fürstenbundes auf, weil er durch denselben zur Reform des Reichs zu gelangen hoffte. Droysen (in seinem trefflichen Schriftchen: Karl August und die deutsche Politik. Jena, Frommann) theilt einige wichtige Eröffnungen darüber mit. Man gewann, namentlich durch Karl August, Preußen für die Idee, namentlich den Thronfolger des alten Fritz, so daß Karl August schreiben konnte: „der Prinz von Preußen versprach, wenn die deutschen Fürsten sich zu der vorgeschlagenen gesetzmäßigen Verbindung bereit finden lassen und dadurch beweisen, daß sie sich nicht nachlässiger Weise blos auf fremde Hülfe verlassen, sondern selbst an ihrer Erhaltung, so wie es echten Deutschen geziemt, arbeiten wollen, bei seiner Thronbesteigung und in der Fortdauer seiner Regierung das deutsche Reich vor aller an seiner Freiheit und Constitution zu nehmender Unbilde zu schützen, selbst nie etwas zu thun, was dem Reichssystem zuwider laufen könnte, und sich überhaupt als ein wahrer patriotischer deutscher Reichsstand zu beweisen.“ Und ein anderes Mal schreibt er: „ich bezeuge auf meine Ehre, daß die Gesinnungen des Prinzen Thronfolger lauter sind und daß seine Absicht dahin geht, die deutschen Stände aus ihrem Schlafe zu wecken und ihnen fühlen zu machen, daß es unschicklich sei, nichts für ihre Erhaltung zu thun. Es ist hierbei nicht zu leugnen, daß ja, wenn hier von Interesse die Rede sein kann, der Prinz von Preußen dasjenige besitzt, ein so mächtiges Reich, wie Deutschland ist, zusammenverbunden zum Freunde zu haben und diesen gesetzmäßigen Alliirten als ein starkes Gegengewicht gegen alle usurpirenden Mächte zu besitzen. Ferner hilft es ihm aus der Verlegenheit, einstmalen gezwungen zu sein, Deutschland theilen zu helfen, welches gewiß erfolgen würde etc.“

Preußen sollte dafür, daß es an die Spitze des Fürstenbundes trat, die Pflicht übernehmen, seine Politik nicht mehr blos eine preußische, sondern eine deutsche sein zu lassen, während die Fürsten auf jeden Schein eigener auswärtiger Politik verzichteten. Politisch und militärisch sollte das Gebiet des Bundes als eine Macht dastehen; es war bereits von einem gemeinsamen Gesetzbuche, von Aufhebung der Binnenzölle etc. die Rede.

Ueber die Ansicht Karl August’s über diesen Bund äußert Graf Görz: „er betrachtete denselben mehr aus dem höhern Pnnkte der Nationalität und erblickte in ihm ein Mittel zur Wiedergeburt des deutschen Vaterlandes, und zur Wiederbelebung seines erloschenen Gemeingeistes und seiner tief gesunkenen Gesammtkraft,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 504. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_504.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2022)