verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Gerücht verbreitet hat, dort oder da seien wieder neue Goldgruben von noch weit größerem Reichthum entdeckt worden? Als wandernder Handelsmann, als welcher man mit seinen Maulthieren diesem Zuge, der sich bald da, bald dorthin wendet, nachfolgen kann, vermag man in einem solchen Lande wohl Reichthümer zu sammeln, als stetiger Landbauer aber nicht. Ich sehnte mich aber darnach, jetzt endlich einmal ein festes Eigenthum zu besitzen, und so beschloß ich denn, Californien nach sechzehnmonatlichem Aufenthalt wieder zu verlassen.
Das Glück wollte, daß ich Pferde, Maulesel, Geschirr und meine Waarenvorräthe Mitte December 1854 in Sacramento zu recht annehmbaren Preisen an einen Mexicaner verkaufen konnte. Nun zog ich mein Vermögen zusammen, rechnete mit einigen Kaufleuten, mit denen ich in laufender Rechnung gestanden hatte, ab und fand, daß ich während meines Aufenthaltes in Californien nahe an 10,000 Dollars reinen Ueberschuß verdient hatte, und überhaupt jetzt ein Vermögen von über 20,000 preußische Thaler besaß. Mein Hansen, dem ich bestimmte Procente an dem Gewinn zugesichert hatte, besaß jetzt schon ein Vermögen von 2000 Thalern, und auch die beiden anderen deutschen Gehülfen hatten in der Zeit, während welcher sie bei mir beschäftigt waren, Jeder einige Hundert Dollars erspart. Der frühere preußische Soldat, ein gelernter Bäcker, wollte einen Brodhandel in Marysville anfangen, der Schleswig-Holsteiner kaufte sich zwei Pferde, und ward Lohnkutscher in Francisco; Hansen aber beschloß, sich nicht von mir zu trennen und vorerst die Reise nach Chili mitzumachen.
Ich hatte nämlich in Sacramento einen sehr gebildeten jungen Chilenen, der wieder in sein Vaterland zurückkehren wollte, kennen gelernt. Dieser konnte mir die Vorzüge desselben, und wie das Land sich besonders sehr zur Niederlassung für mich eignen würde, gar nicht genug rühmen, und so beschloß ich denn, ihn vorerst nach Valparaiso zu begleiten, und mir die Verhältnisse in Chili etwas genauer anzusehen.
Am 24. December 1854 schiffte ich mich in San Francisco am Bord eines prachtvollen nordamerikanischen Dampfers ein, von froher Hoffnung auf eine glückliche Zukunft erfüllt. Vier Jahre früher war ich an demselben Tage aus Rendsburg abgereist. Was hatte ich in dieser Zeit nicht Alles erlebt und durchgemacht!
Geld und Credit im Ueberfluß für die Handwerker und kleinen Gewerbtreibenden! Kann denn Niemand von ihnen Geld brauchen? –
Fast klingt es, wie ein schlechter Spaß, wie die Anpreisung eines Marktschreiers, wenn man in diesen Tagen eine solche Frage an die Leute richtet und sie ordentlich bittet, daß sie die Gefälligkeit haben möchten, zuzugreifen; und noch dazu diejenige Classe, welche Beides am meisten bedarf und am seltensten erlangt. Und doch ist es so, von den obigen Worten geht kein Buchstabe ab. Wie viele sonst wackere Männer übersehen noch das nächste dargebotene Mittel zur Rettung aus unleugbarem Nothstande, die Aufhülfe durch eigene Kraft, und erwarten von irgend einer unerfindbaren Gewerbeorganisation den Schutz vor der ihre kleinen Geschäfte erdrückenden Großindustrie. Und doch müßte, nach den vielen vergeblichen Versuchen, eigentlich ein Blinder es begreifen, daß ihnen nichts weiter übrig bleibt, als auch ihrerseits mit der Zeit fortzugehen, sich der neuen Erfindungen, der Vortheile der neuern Betriebsweise zu bedienen, wenn sie auf die Länge bestehen wollen. Dazu aber ist vor allen Dingen Geld und Credit nöthig, und zwar mehr, als ihnen unter den bisherigen Umständen zu Gebote stand. Und wäre es nur, um die Rohstoffe im Großen besser und billiger zu beziehen, die in fast allen Branchen so ungeheuer im Preise gestiegen sind, daß, wer dieselben in kleinen Quantitäten vom Zwischenhändler zu entnehmen genöthigt ist, schon deshalb allein nicht Concurrenz halten kann. Beides aber, Geld und Credit, ist da, sobald die Handwerker nur wollen, das ist keine Chimäre, sondern eine durch unsere Vorschußvereine seit mehreren Jahren vor den Augen aller Welt erprobte Thatsache.[1] Während die großen Banken ihr Disconto in der letzten Zeit erhöhen mußten, ist die ohne viel Geräusch neben ihnen vorgeschrittene Bewegung ihrer bescheidenen Schwestern, der Vorschußvereine, binnen Kurzem dahin gelangt, ihren Mitgliedern den Credit von Jahr zu Jahr billiger gewähren zu können, da ihnen an Baarschaft soviel zufloß, daß sie nicht immer von allen Offerten Gebrauch machen konnten. Und dabei gehen diese Vereine lediglich von den Handwerkern und Arbeitern selbst aus, als reiner Ausdruck der Selbhülfe, ohne daß es etwaiger Wohlthäter unter den wohlhabenden Classen, fremder Hülfe, des guten Willens Dritter bedürfte. Die Organisation, die Wirksamkeit der schon seit mehreren Jahren bewährten Institute liegt offen vor aller Augen da, so daß man die Einrichtung der Mustervereine mit wenigen Modificationen fast immer auf die neu zu gründenden Institute übertragen kann, was in vielen gelungenen Fällen von Handwerkern ganz allein, ohne Zuziehung von eigentlichen Geschäftsleuten, in das Werk gesetzt worden ist. Die erforderlichen Capitalien finden sich dann, sobald nur Leute, welche als solid und rechtlich im Publicum bekannt sind, die Sache in die Hand nehmen, von selbst. Da sind Manche unter den kleinen Leuten, die Geld in den Sparcassen haben, was sie weit lieber den Instituten ihrer Genossen zuwenden, wo sie besseren Zins erhalten; da gehen von den Mitgliedern selbst in der Form geringer Monatsbeiträge Summen ein, welche allmählich schon in das Gewicht fallen. Die Sicherheit für die Gläubiger aber wird auf das Vollständigste durch die solidarische Haft sämmtlicher Mitglieder gewährt, worin wir den eigentlichen Hebel erblicken, welcher der ganzen Organisation ihre Macht verleiht. Denn wir haben es meist mit unbemittelten Gewerbtreibenden zu thun, deren wirthschaftliche Bedeutung zum großen Theil nicht in einem gesicherten Besitz, sondern in ihrer Arbeitskraft liegt; eine Eigenschaft, welche im Verkehr nicht als Sicherheit für Capitalanlage gilt, weil sie bei dem Einzelnen zu vielen Zufälligkeiten unterworfen ist, die derselbe nicht in der Gewalt hat. Dieser Mangel wird aber sofort gehoben, sobald eine größere Menge von Arbeitern zusammentritt und gegenseitig für einander einsteht, Zufälle und Unglück, die den Einzelnen betreffen können, überträgt, wie dies eben bei der solidarischen Verhaftung dem Gläubiger gegenüber geschieht, der sich alsdann wegen seiner ganzen Forderung an jedes Vereinsglied zu halten berechtigt ist.
Daß die aus der Vereinscasse den Mitgliedern vorgestreckten Summen verzinst werden müssen, daß man dabei auf Bildung eines Reservefond, wegen möglicher Verluste und Deckung der Verwaltungskosten Rücksicht zu nehmen hat, versteht sich von selbst. Deshalb können die Zinsen, wie bei einem Banquier, wenn man dessen Provision hinzurechnet, nicht unter 8–10 Procent auf das Jahr bemessen werden, wobei jedoch der Ueberschuß, welchen die Zinseinnahme nach Abzug sämmtlicher Geschäftsunkosten gewährt, den Mitgliedern in der Form einer Dividende wiederum zu Gute kommt. Sie zahlen also in jenen höhern Zinsen nur das, was das Bestehen des Institutes durchaus erfordert, und wie gering dieser Zinsabsatz überhaupt ist, einmal gegen den Vortheil, den sie sich mit dem so erhaltenen Capitale schaffen können, sodann gegen diejenigen Zinsen, welche sie außerhalb des Vereins bei unsern Geldleuten in der Regel zahlen mußten, weiß Jeder, der praktische Erfahrungen hierin gemacht hat, nur zu gut. Welcher Segen ist es für die Handwerker, in jedem Augenblicke 50–100 Thlr. und mehr erhalten zu können, und wie können hiergegen die 12½–25 Neugroschen in Anschlag kommen, die er dafür auf einen Monat zahlen muß! Schon sind die meisten Vereine selbst in unsern kleinen Städten dahin gelangt, daß sie die 300, ja 500 Thaler auf eine Post geben, sobald die Verhältnisse des Vorschußempfängers die nöthige Garantie bieten, und noch niemals – dies ist
- ↑ Man vergleiche über das Nähere das Werkchen: „Vorschußvereine als Volksbanken“ von Schultze-Delitzsch. Leipzig, 1855 bei E. Keil. Preis 10 Ngr., ferner die „Jahresberichte über Vorschußvereine pro 1855 und 1856“ von demselben Verfasser in der deutschen Gewerbezeitung, Jahrgang 1856, Nr. 3 und Jahrgang 1857, Nr. 2.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 493. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_493.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)