verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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zum Abbau der hier lagernden Kohlen niedergebrachte Schacht erhielt den Namen „Segen-Gottes-Schacht“ und ist 138 Lachter tief. Die Wasserhaltung und Kohlenförderung besorgen 2 Dampfmaschinen, die erstere von 50, die letztere von 20 Pferdekraft.
In dem auf Schedewitzer Flur niedergebrachten „Hoffnungs-Schachte“[WS 1] wurde bei 83 Lachter Tiefe das erste Flötz – Pechkohle – von 6 Fuß 6 Zoll Mächtigkeit, bei 99 Lachter das zweite Flötz – Rußkohle – von 8 Fuß 5 Zoll Mächtigkeit und bei 128 Lachter das dritte Flötz – Rußkohle – von 12 Fuß Mächtigkeit erreicht. Zur Wasserhaltung hat, da jede Minute 60 Cubikfuß Wasser zuführt, eine 140pferdige Dampfmaschine aufgestellt werden müssen und die Förderung ist einer Maschine von 20 Pferdekraft überwiesen. Ein zweiter Schacht auf Schedewitzer Flur, der „Vertrauens-Schacht“[WS 2] ist noch im Bau begriffen, doch schon so weit vorgerückt, daß er binnen einem Jahre in Betrieb sein wird. Diese Schachtanlage, unter der Leitung des als erste bergmännische Autorität bei dem Zwickauer Bergbau allgemein anerkannten Herrn Bergverwalter Modrach stehend, wird nicht nur die umfangreichste auf Zwickauer Revier, sondern es werden auch die wohldurchdachten Pläne mit solcher Genauigkeit und Solidität unter ungeheuerem Kostenaufwand ausgeführt, daß das Werk nach seiner Vollendung jedenfalls als eine Musteranstalt in seiner Art dastehen wird.
Die Kohlenförderung auf beiden Schächten betrug im Jahre 1856 196,330 Karren, von denen 42,132 Karren von der Cokbereitung und Feuerung der eigenen Maschinen in Anspruch genommen wurden. Eine Actie des Vereins, auf welche 100 Thlr. eingezahlt sind, hat jetzt schon einen Werth von 330 bis 340 Thaler.
Ein drittes großes Steinkohlenunternehmen steht ebenfalls in Beziehung zum Herrn Professor Breithaupt. Dieser vermuthete nämlich im Jahre 1841 auf den westlich von Zwickau gelegenen, Bürgern der Stadt zugehörigen Feldern Steinkohlen, konnte aber zur Begründung eines Unternehmens nicht gelangen, weil sich die betroffenen Grundstücksbesitzer, nachdem sie sich zuvor mit noch vielen anderen Zwickauer Grundbesitzern vereinigt hatten, zum eigenen Abbau der unter ihren Feldern lagernden Steinkohlen entschlossen. Sie traten unter dem Namen „Bürgergewerkschaft“ zusammen und besitzen jetzt einen Feldcomplex von 863 Scheffeln. Ein Bohrversuch wurde nicht erst angestellt, sondern sofort ein Schacht abgeteuft. Mit diesem erlangte man im Jahre 1846 bei 128 Lachter Tiefe das erste Flötz – Pechkohle – von 2 Ellen 8 Zoll Mächtigkeit und bei 147 Lachter das zweite Flötz – Pechkohle – von 7 Fuß 5 Zoll Mächtigkeit. Zur Wasserhaltung und Förderung sind zwei Dampfmaschinen von 24 und 12 Pferdekräften aufgestellt. Der zweite von der Bürgergewerkschaft niedergebrachte Schacht ist der unlängst zum Betrieb gekommene „Hülfe-Gottes-Schacht“; dieser ist nicht nur für Doppelförderung eingerichtet, sondern auch mit einer Fahrkunst versehen, welche den Bergleuten das ermüdende und zeitraubende Ein- und Ausfahren an den Fahrten erspart.
Als eine besondere Merkwürdigkeit möchte hier noch erwähnt sein, daß der Bürgerschacht auch Zufluß von salzhaltigem Wasser hat. Obgleich aber dessen Salzgehalt ein nur sehr geringer ist, so hat es doch dem rühmlichst bekannten Fickentscher Veranlassung zur Errichtung einer Saline gegeben, durch welche er unter Verwendung der sonst ganz nutzlos verfliegenden Hitze von mehreren Coköfen dem Wasser sein weniges Salz noch mit Vortheil abzunehmen weiß.
Die Kohlenförderung vom Jahre 1856 ist noch nicht bekannt geworden, im Jahre 1855 betrug sie 84,261 Karren. Der Verein beschäftigt auf seinen beiden Schächten ungefähr 300 Arbeiter und zahlt 14tägig gegen 3000 Thlr. Löhne aus.
Im Jahre 1847 kam noch der Steinkohlenbau-Verein zu Nieder-Planitz und Vorder-Neudörfel zu Stande. Er besaß ursprünglich nur etwas über 9 Scheffel Areal; es ist aber nach und nach bis auf 80 Scheffel vermehrt worden. Das erste 7 Fuß mächtige Pechkohlenflötz wurde in einer Tiefe von 77½ Lachter erreicht und ihm folgte nach einem Zwischenmittel von nur 1 Lachter ein zweites Pechkohlenflötz von 14 Fuß Mächtigkeit. Demungeachtet hat der Verein bis jetzt nicht mit besonders günstigen Erfolgen gearbeitet. Erst konnte er mit seiner Verwaltung nicht recht in Ordnung kommen, und in diesem Jahre hat der Betrieb in Folge eines ausgebrochenen Grubenbrandes ganz eingestellt werden müssen. Jetzt arbeiten die beiden Maschinen des Vereins von 30 und 15 Pferdekräften, die Wasser aus dem über und über „ersoffenen“ Himmelfürst[WS 3] zu heben; es wird aber kaum zu ermöglichen sein, die Kohlenförderung noch in diesem Jahre wieder zu beginnen.
Die Versuchsarbeiten zur Auffindung immer neuer Kohlen haben zwar niemals aufgehört; aber erst seit zwei Jahren hat sich hierin eine so umfängliche Regsamkeit und kühne Unternehmungslust entwickelt, wie sie in solchem Grade vorher noch nicht vorhanden gewesen ist. An allen Punkten, wo die Geognosten Kohlenführung mit Wahrscheinlichkeit vermuthen, wird rüstig gebohrt, mit Dampf und mit der Hand und viele Bohrlöcher sind schon so weit vorgerückt, daß wir noch in diesem und im nächsten Jahre entscheidende Aufschlüsse erhalten müssen. Ein Aufschluß von durchgreifender Wichtigkeit ist auch schon in diesem Jahre durch den Zwickau-Oberhohendorfer Steinkohlenbau-Verein dadurch gegeben worden, daß er jenseits des östlichen „Vorschusses“, hinter welchem nach Ansicht der Meisten Kohlen nicht zu finden sein sollten, 3 schöne Kohlenflötze allerdings in sehr bedeutender Tiefe erbohrt hat, ohne daß noch das Urgebirge erreicht worden wäre.
Nothwendig ist es, daß sich die Kohlenförderung sobald als möglich verdoppele und verdreifache. Denn wenn auch im Jahre 1856 bei dem Zwickauer Bergbau ungefähr 14⅓ Millionen Centner Kohlen gewonnen worden sind, während 1830 nur erst 3½ Millionen Centner geliefert werden konnten: so ist doch der Bedarf nach Eröffnung der sächsisch-bairischen Eisenbahn und danach der bis unmittelbar an die bedeutendsten Werke führenden Kohlenbahn so gestiegen, daß er zeitweilig kaum zur Hälfte befriedigt werden kann, und es steht zu befürchten, daß dieses für die Kohlenconsumenten ungünstige Verhältniß sich noch greller herausstellen werde, wenn die Eisenbahnen nach Chemnitz und Schwarzenberg in Betrieb kommen.
Wenn man aber bedenkt, daß in dem jetzt schon im Abbau begriffenen Kohlengebirge auf dem rechten Ufer der Mulde bereits 9 über einander liegende Flötze mit einer Gesammtmächtigkeit von 107 Fuß, und in dem auf dem linken Ufer der Mulde ebenfalls 9 Flötze mit einer Gesammtmächtigkeit von 120 Fuß Kohlen nachgewiesen sind, übrigens aber nach dem Urtheile der gediegensten Geognosten zu erwarten steht, daß in wenigen Jahren das jetzt aufgeschlossene Kohlengebirge nur den kleineren Theil des Gesammtkohlengebirges bilden werde: so darf mit Zuversicht angenommen werden, daß der Zwickauer Steinkohlenbergbau in der Zukunft jeden, auch den ungeheuersten Kohlenbedarf zu befriedigen im Stande sein werde.
Die Beschaffenheit der Kohlen anlangend, so hat zwar jedes Flötz seine eigenthümliche Kohle und der Bergmann arbeitet bald im Schichtenkohl, bald im Lehkohl, bald im Zachkohl, bald in noch anderem Kohl; aber im Handel unterscheidet man blos 2 Arten von Kohle, die Pechkohle und die Rußkohle. Die Pechkohle ist hart, spröde und meist vom tiefsten schwarzen Glanze, färbt nicht ab und brennt sehr lebhaft; die Rußkohle ist weicher, besitzt keinen Glanz, färbt ab und brennt matter. Früher war man der Rußkohle wenig zugethan; aber seit man bemerkt hat, daß sie eine mildere Wärme gibt, länger im Feuer nachhält, weniger Schlacken macht und weniger Ruß im Ofen und in der Esse ansetzt, und seit sie namentlich zur Heizung der Locomotiven viel verwendet wird, hat sie in der Achtung der Leute und, was dasselbe sagen will, im Preise wohl 100 Procent Ausschlag erlitten.
Um nun unsern Lesern, von denen wohl die wenigsten den Kohlenbergbau durch Augenschein kennen gelernt haben, ein Bild von der Gewinnung der Kohlen und den Anstalten, welche dieselbe nöthig macht, vor die Augen zu stellen, laden wir sie ein, mit uns eine große Schachtanlage zu besuchen und zu den Arbeitsstätten der Bergleute hinabzufahren.
Bei einem Theil der Auflage der Nummer 33 sind in dem Artikel: „Ein hochherziger Mann aus dem Volke“ einige Druckfehler stehen geblieben, die wir zu berichtigen bitten:
Seite 457. Spalte 1. Zeile 14 lies statt: den kranken Beethoven „Sie“; Zeile 17 statt: Beethoven „Sie“; Zeile 18 statt: kann „können“.
Anmerkungen (Wikisource)
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 472. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_472.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)