verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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derselben. Er zeigte mir ferner Goethe’s Vermächtniß an ihn, ein eigenhändig vom Dichtergreise geschriebenes und mit dessen Namen unterzeichnetes Gedicht und eine Zeichnung von seiner Hand, eine Partie des weimarischen Parks vorstellend. Ein anderes Geschenk der Frau von Goethe, der Schwiegertochter, bestand aus vier vom Alten geschriebenen Versen mit ihrem Zusatze: „Sie waren einer von des Vaters geschätztesten Freunden.“
Man kann sich denken, mit welcher Theilnahme ich der Erzählung meines Freundes zuhörte, mit welcher Ehrfurcht ich diese Blätter betrachtete! Und die Bescheidenheit, mit welcher Stumpff von sich sprach, und welche mich die Hauptsachen stets errathen ließ, erhöhte gar sehr den Reiz dieser Mittheilungen. Als er mit seiner ungemein interessanten Geschichte fertig war, und ich ihm noch einmal in seligster Rührung die Hand gedrückt hatte, las er mir einige seiner Gedichte vor. Und wie las er! Mit welchem Gefühle, mit welchem Ausdruck! Wie himmelweit war dieser Vortrag verschieden von dem declamatorischen Pathos professioneller Vorleser! Aus diesen eigenthümlichen Modulationen der sonoren Stimme leuchtete und loderte die ursprüngliche und natürliche Gewalt der Poesie auf ein hochedles, durch keine Corruption blasirtes Menschenherz hervor. Ja, dieser sechsundsechzigjährige schöne Greis hatte sich ein keusches, für Gott, König und Vaterland begeistertes, für deutsche Poesie und Tonkunst, für Menschengröße und Tugend schwärmendes Jünglingsherz bewahrt. Es zuckte und zitterte jetzt im Wonnerausche unter der Berührung des Gottes, und die Stimme bebte, das Auge leuchtete von der Macht des Gefühls, das so gewaltig mit der Sprache rang, um sich kund zu geben, aber nicht im Stande war, sie zu bewältigen.
Ich bat ihn, mir seine Gedichte zu überlassen, damit ich sie drucken lassen könne.
„Ich will es mir überlegen“, entgegnete er, „und komm’ ich zum Entschluß, so schick’ ich Ihnen die Sachen.“
Aber obgleich wir im Laufe der Jahre einige Briefe wechselten, die Gedichte erhielt ich nicht. Erst zu Ende des Jahres 1845 schickte er mir das Manuscript eines größeren Gedichtes mit der Bitte, es zum Druck zu befördern. Fast siebenundsiebzig Jahre alt, hatte er sich erst entschlossen. Vergebens würde ich versuchen, der Rührung, die mich über dem Lesen des Gedichtes ergriff, Worte zu geben. Es war eine Idylle, welche das bekannte Kirmeßfest unseres Geburtsortes Ruhla besang. Die Fabel ist eine einfache, wahrscheinlich von ihm selbst erlebte Scene, ja er ist vielleicht selbst der Held des Gedichtes und die schöne Rühlerin darin seine Jugendgeliebte. O heilige Vaterlandsliebe, die du deine Wurzeln tief in das Herz des Dichters schlägst, so daß sie eins mit ihm werden, was bist du doch für ein wunderbar herrliches Wesen! Drüben im Nebel des modernen Babel wandelst du einen Greis zum begeisterten Jüngling und führst seiner Seele in lieblichen Bildern das grüne Ruhlathal in den thüringischen Bergen mit seinen fröhlichen Bewohnern vorüber. Näher und näher der einsamen Gruft am fernen Themsestrand wurde sein heiß gebliebenes Herz von immer stärkerer Sehnsucht nach dem Bergflecken, der ihn geboren, erfüllt; er ringt noch einmal mit der Sprache sich der Gefühle zu entäußern, die sein Leben lang seine Brust durchglühten, ihn aber jetzt mächtiger als je beherrschen, und er schreibt ein Gedicht voll Jugend und Heimathglanz. So schließt sich der Lebensring eines echten Dichters, wenn er auch nicht so glatte Verse gedrechselt hat, wie Herr O. von Redwitz. – Am Grabe steht er geistig wieder seiner Wiege gegenüber.
Die Herausgabe seiner Gedichte, die ich beabsichtigte, zerschlug sich, und als sie sich endlich verwirklichen sollte, überraschte mich die Nachricht von Stumpff’s Tode. Er war am 2. Novbr. 1846 zu London in Folge einer Verletzung des rechten Schienbeins, welche Knochenfraß erzeugt hatte, gestorben. Bis an sein Ende war er fleißig und wohlthätig gewesen. Ich hatte ihn auch gebeten, seine Lebensgeschichte selbst zu schreiben. Die Antwort war: „das kann ich nicht; ich bin kein Schriftsteller. Wenn Sie mich aus meinen Papieren nicht kennen lernen, würden Sie es noch weniger aus einer mit Absicht verfaßten Lebensgeschichte.“ Er hatte Recht. Aus der absichtslosen Natürlichkeit seiner Herzensergießungen trat mir das Bild seiner stillen Größe rein und deutlich hervor.
Stumpff’s Correspondenz mit Mozart’s nächsten Verwandten und mit Beethoven bildet einen merkwürdigen, aber echt deutschen Pendant zu den Mozart- und Beethoven-Monumenten. Man kann nicht oft und stark genug an diesem Pfahle im Fleische des deutschen Volkes rüttelen und reißen; er muß doch endlich heraus. Ich meine diese prahlerische und lächerliche Monumentensetzerei zur Verherrlichung großer Männer, die im Leben mit Aller Wissen dem Elend des Mangels verfielen. Ist es nicht eine Schande für Deutschland, daß Beethoven und Maria Anna Mozart, die weibliche Kehrseite von ihres Bruders hohem musikalischen Genie und einst seine bewunderte Begleiterin auf ihren berühmten Kunstreisen, Bettelbriefe nach London schreiben mußten, um krank und alt nicht zu darben oder Schulden zu hinterlassen? Wußte es etwa Wien nicht, daß der große Tonschöpfer des Fidelio draußen in Mödling Noten für’s tägliche Brod schrieb und daß er nichts hatte, als ihn die Wassersucht unthätig machte? Ah, die Sache war kein Geheimniß! Wußte Deutschland nicht, daß Mozart’s einzige Schwester und Kunstgenossin im hohen Alter Noth litt ? Deutschland mußte es wissen. Wenn wüthender Applaus dem Champagnerlied des Don Juan folgte und das allgemeine Verlangen des ganzen Hauses nach Wiederholung den Beleber der Mozart’schen Zaubertöne mit abgezogenem Hut an die Lampen rief, wo er im langsameren Tempo das bekannte: „Vivat, Mozart, unsterblicher Meister!“ absang, so daß in jeder deutschen Brust das Herz höher schlug aus gerechtem Stolz und hoher Freude, daß Er das unveräußerliche ewige Eigenthum unseres Volkes ist, dachte da Niemand daran laut zu rufen: „Und seine Schwester und seine Wittwe darben?“ Aber ich fürchte sehr, nur blutwenig Leute in Deutschland wußten, daß Mozart’s einzige Schwester, die Theilnehmerin seines Genie’s und seiner frühen Triumphe, noch lebte. Wer hat Lust und Zeit sich um eine alte vergessene Frau zu bekümmern? Und Beethoven war ein finsterer schroffer Mann, von der Taubheit nur noch mehr verdüstert, der nicht vor den Hutknöpfen und Pfauenfedern des widerwärtigen deutschen Mandarinenthums katzenbuckelte, ein Kern- und Kraftmensch, eine durchaus edle und herrliche deutsche Natur war dieser Beethoven, ein Mann, der das Gefühl seines hohen Werthes in der stolzen Brust trug und sich nicht herabwürdigte, sich vor jedem betitelten oder decorirten Frack zu bücken. Deshalb mußte er Noth leiden im gemüthlichen Wien.
Aber, Gottlob! es gibt noch edle deutsche Herzen, die in echter Begeisterung schlagen für deutsche Genialität und dem Genie, ohne zu zählen und zu rechnen, die volle Hand freudig und schnell reichen. Es gibt noch Deutsche, die ihre dem großen deutschen Namen schuldige Huldigungssteuer nicht bis zum Monument desselben aufsparen, sondern sie still und reich dem bedürftigen Leben spenden. Wohl wandte sich die alte vergessene Frau in Salzburg, die Mozart’s Genie, Liebe und Namen besaß und „nicht gern Schulden hinterlassen wollte,“ und Mozart’s Ruhmesgenosse vom Krankenbette nach England um Unterstützung, aber sie wandten sich an einen Deutschen! Hör’ es, mein Vaterland: ein deutscher Arbeiter war es in London, ein Mann ohne Vermögen, aber mit einem flammenden Herzen für deutsche Größe, ein Thüringer war es, der den Bittenden mit vollen Händen und der zartesten Discretion gab, der im Namen Deutschlands der Schwester deines Mozart und deinem Beethoven die letzten Stunden versüßte, der deinem K. M. v. Weber das „Fahrwohl“! nachrief. Sei stolz auf diesen Mann und trage seinen bescheidenen Namen in die Liste deiner Edelsten ein. Und ihr, deren Schuld er abtrug, nehmt euch ein Beispiel an ihm! Laßt die Männer nicht darben, die dem deutschen Namen allein Ehre machen vor anderen Völkern der Erde!
Der Zwickauer Steinkohlenbergbau ist sehr alt und wohl der älteste in Deutschland. Seine ersten Anfänge reichen bis in das 10. Jahrhundert n. Chr. zurück, als noch die betriebsamen Sorbenwenden Bewohner der Zwickauer Gegend waren. Der Sage nach wurden die ersten Steinkohlen auf Planitzer Flur von Hirten zufällig aufgefunden. Dort lagen die Kohlen, wie man auch heute noch
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_470.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)