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Seite:Die Gartenlaube (1857) 460.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

in einem Stuben- oder Alkoven-Fenster, auf einem Corridor oder Dachstübchen, reicht hin, um hier einen zierlichen Glasstock à la Dzierzon aufzustellen. Wie es jetzt Mode geworden ist, Aquarien in den Zimmern aufzustellen und sie mit allerlei Fischen und Amphibien zu bevölkern, so wäre auch die Möglichkeit geboten, dem städtischen Miethsbewohner durch solche Bienenstöcke Gelegenheit zu geben, die Natur in ihrer geheimsten Werkstatt zu belauschen und sich an dem wunderbaren Treiben der Bienen zu erfreuen. Das Dulce ließe sich hier mit dem Utile viel schöner verbinden, als bei den Aquarien. „Aber die Bienen stechen ja!“ wird man ängstlich diesem Vorschlage einwenden und sich solche gefährliche Nachbarschaft verbitten. Allein bei richtiger Behandlung ist die Biene ein so wohlgesittetes und artiges Thierchen, daß man sie sich nicht als stechende Barbaren vorzustellen braucht.

Wenn ein solcher Glasstock mit seiner Flugseite an einem sonst nicht im Gebrauche befindlichen Fenster eingesetzt wird, so kann man ihm bequem zuschauen. Die fleißigen auf ihre Arbeit bedachten Thierchen incommodiren Niemanden, wenn man sie nicht reizt und beunruhigt, oder in ihre Flugbahn kommt. Unmittelbar bei den Städten gibt es viel Nahrung für die Bienen, namentlich aus den Pflanzen und Sträuchern der Ziergärten und Parkanlagen. Alle die verborgenen Schätze an Wachs und Honig kann der Städter haben, wenn er sich solche emsige Trabanten anschafft, deren Cultur ein so schönes und nützliches Vergnügen gewährt.




Blätter und Blüthen.

Ein Cypressenkranz. Vor einigen Tagen haben sie in Leipzig einen Mann hinausgetragen, dem viel Liebe in das offene Grab folgte. Der Mann war kein Held, kein Redner, keine politische Capacität und hatte weder Amt noch Würden, aber im ganzen deutschen Land und auch drüben in der Schweiz, in Frankreich und England und Amerika war er gekannt und genannt und Mancher, der noch jetzt da draußen der fernen Heimath denkt, wird das Andenken dieses Wackern segnen. Wo es galt eine Thränn zu trocknen, ein unverschuldetes Unglück zu mildern mit Gaben der Liebe, wo der Armuth beizuspringen war mit Herz und Handeln, da war „Vater Werner“ da, wie sie ihn überall nannten, der Wirth zum „Goldnen Hahn“ in Leipzig, der einfache Mann mit dem weichen Herzen, der so Vielen – Vielen ein Retter in der Noth ward. Zu keiner Zeit aber hat er mehr geholfen, als in den Jahren 1849 bis 1850, wo aus allen Herren Ländern die Flüchtlinge durch Leipzig zogen, fort nach der Fremde, nach Frankreich, England oder der Schweiz – da draußen, wo sie keinen „Vater Werner“ mehr fanden.

Ach, Vater Werner! Von ihm wissen, außer den Vielen in Leipzig, denen er geholfen, von ihm wissen alle die zu erzählen, die damals der Sturm durch Leipzig fort aus dem Vaterlande nach der Fremde jagte, zu ihm kamen sie alle, aus Preußen, Oesterreich, Sachsen und Schleswig-Holstein die ihrer Noth kein Ende, in ihren Börsen keinen Groschen fanden, und er hat sie sämmtlich aufgenommen, sämmtlich beherbergt und gepflegt ohne Unterschied des Standes und der Person. Für ihn war das Unglück der Freipaß, die beste Empfehlung, auf die er mehr gab, als auf gespickte Börsen. Und wie oft er auch in Anspruch genommen, wie viele auch kamen – er ist nie ermüdet, nie unwillig geworden und hat keinen abgewiesen.

Wenn dann der Abend kam und der Flüchtling müde und matt sein Lager gesucht, wenn draußen bei den Pferden und Knechten Alles besorgt war, dann und wann mit einigen kleinen Donnerwettern, dann setzte sich Vater Werner wohl auch an den Tisch zu seinen Stammgästen und erzählte von der Noth seines Schützlings und wie wieder einer arm und dürftig die Heimath verlassen müsse. Dabei schob er mit sehr verständlicher Miene den Teller hin und – sammelte. Was dann noch fehlte, legte er später heimlich aus seiner Tasche hinzu und am andern Morgen, wenn der Heimathlose mit dankenden Worten Abschied nehmen wollte, da rief ihn Vater Werner zu sich in seinen Comptoirverschlag, der in der Wirthsstube stand, und füllte ihm das Beutelchen erst mit dem „Gelde von gestern Abend“ und dann die Reisetasche mit einem „Fläschchen Guten“ und dem Besten, was seine Hausfrau in der Küche hatte. Wie dann der Glückliche auch seinen Gefühlen Worte verleihen wollte, er brach immer kurz ab mit den Worten: „Schon gut, schon gut – geleit’ Euch Gott und grüßt mir die Andern da draußen.“ –

Ja, es wäre eben nicht so viel Jammer und Elend in der Welt, wenn Jeder seinen Kräften gemäß so unermüdlich und reichlich, so uneigennützig und rasch gäbe, wir es Vater Werner gethan sein ganzes Leben hindurch, der doch kein reicher Mann war. So oft auch ein Hülferuf erscholl, so oft Einer kam, den das Elend zu Boden drückte, er gab immer, ganz im Stillen und ohne daß er davon sprach, aber immer reichlich und nicht selten mit Aufopferung.

„Sehen Sie,“ rief er voller Grimm, als ich eines Tages zu ihm kam und wieder für Einen bettelte, „sehen Sie, da war ich vor einigen Tagen in einer Gesellschaft, da wurden von Verschiedenen schöne Reden gehalten, wie wir für die Unglücklichen Alles opfern müßten, Geld und Gut und Alles, was wir haben. Und dabei soffen diese Leute Champagner, Champagner sage ich Ihnen, zehn, zwölf Flaschen, während unsere Brüder draußen kaum das liebe Brod haben. Und solche Kerls nennen sich Liberale!“

Vater Werner hatte Recht! Die Zeiten des Sturmes sind nun längst vorüber, schon seit Jahren traten keine Flüchtlinge mehr an das Comptoirgitter des Wirthszimmers, und Viele von denen da draußen, die damals flüchtig durch Leipzig zogen, sind wieder in die geliebte Heimath zurückgekehrt, aber Vater Werner ist sich immer gleich geblieben und wo es zu helfen gab in den nächsten Kreisen, da gab er mit vollen Händen oft reichlicher, als es seine Verhältnisse gestatteten, obwohl es ihm zu verschiedenen Malen auf die nichtswürdigste Weise gedankt wurde. Er gab, weil ihm das Geben Bedürfniß, weil ihm Wohlthun Herzenssache war.

Deshalb den Hut ab vor dem einfachen braven Manne und einen Kranz auf sein frisches Grab. Keiner von jenen Helden, die mit hohlen Phrasen und schönen Reden bei Versammlungen und hinter Flaschenbergen brilliren, war er einer jener Männer im einfachen Bürgerkleide, die so wenig sprechen und doch so kräftig handeln, ein Mensch im schönsten Sinne des Wortes, der sich mitten im Trubel eines thätigen Geschäftslebens ein fühlend Herz für das Elend und den Jammer des Lebens erhalten und dessen schönste Freude es war, ganz im Stillen Thränen zu trocknen, wo er sie fand. Solcher schlichter wackern Bürgersleute laufen heutzutage nicht viele auf der Straßn herum, und deshalb nochmals den Hut ab vor dem einfachen Wirth im Goldnen Hahn zu Leipzig, – einen frischen Kranz für Vater Werner!

E. K.




Silber aus Seewasser. Eine der letzten Nummern der „Household Words“ enthält einen interessanten Aufsatz über eine Reihe von Experimenten, welche französische Chemiker mit dem Seewasser angestellt haben und aus denen sich ergeben hat, daß dieses Wasser Silber enthält, welches sich durch ein geeignetes Verfahren daraus absondern läßt. Die Experimente wurden viele Male wiederholt und gaben stets dasselbe Resultat; – aber freilich waren die gewonnenen Silberkörner sehr winzig, und bezahlten die auf ihre Ausscheidung verwandten Kosten nicht. Eine auf Grund der erlangten Resultate angestellte Berechnung ergab, daß eine englische Kubikmeile Seewasser enthält 23/4 Pfd., eine deutsche oder geographische Kubikmeile also 2632/3 Pfd. und der ganze Ocean ungefähr 40 Millionen Centner Silber – bei welcher Berechnung es übrigens auf ein oder mehrere Dutzend Millionen nicht ankommen mag. Nach diesen Experimenten stellten die erwähnten Chemiker (mit üblichem angelsächsischem Dünkel verschweigen die Household Words die Namen derselben) einige weitere an, nämlich mit Seepflanzen und zwar mit den in der Botanik unter dem Namen „Fuci“ bekannten, die keine Wurzeln in das Erdreich schlagen und somit alle Nahrung aus dem Seewasser erhalten. Diese wurden sorgfältig analysirt und man fand, daß sie 26 mal so viel Silbergehalt hatten, als das Wasser selbst. – Diese Ermittelungen zogen die Aufmerksamkeit eines in der Münze zu Valparaiso (Chili) beschäftigten englischen Chemikers, Namens Field, auf sich, und dieser stellte jetzt eine Reihe von Experimenten mit den Kupferplatten von alten Schiffen an. Er verschaffte sich von einem Schiffe, das 7 Jahre in See gewesen war, einige Stücke der Verkupferung und fand unter 5000 Gran dieses Kupfers 2 Gran Silber. Das wäre auf 20 Centner Kupfer so viel wie ein Pfund und etwas über eine Unze Silber. Bei einem anderen Schiffe ergab sich, daß das Kupfer, welches beständig im Seewasser gewesen war, achtmal so viel Silber enthielt, als solches, das in der Cajüte war. Um nun diese Unternehmungen zu einem ganz genauen wissenschaftlichen Resultate zu führen, hat Herr Field eine Quantität ganz reinen Kupfers granulirt, eine Hälfte davon in einer luftdicht verschlossenen Flasche verwahrt und die andere Hälfte in einen durchlöcherten Kasten gethan, den er von einem Schiffe einige Fuß unter der Meeresfläche fortschleppen läßt – also so zu sagen eine Angel, womit er das Silber aus dem Meere wegfangen will. Nach einiger Zeit wird dann die Vergleichung dieses Kupferköders mit dem zurückbehaltenen reinen Kupfer das gewünschte Resultat ergehen. Die Zeitschrift, aus welcher wir diese Angaben nehmen, bemerkt dazu: „Die Erklärung dieser Naturerscheinung ist nicht schwer. Das schwefelsaure Silber kommt sehr häufig in der Natur vor; durch Salzwasser wird es in Chlorsilber verwandelt, das durch gewöhnliches Salz aufgelöst wird. Das im Fluß- und Quellwasser enthaltene Salz wirkt in Pflanzen auf die gleiche Weise und löst kleine Atome Metalle auf, die sodann in Pflanzen und von diesen mittelst der Nahrung in den menschlichen Körper übergehen. Ob und welchen Werth die Entdeckung hat, bleibt zu erwarten. Wird kein Versuch gemacht, Nutzen daraus zu ziehen, so wäre daraus entweder zu folgern, daß Silber nicht so selten ist, als Manche glauben machen möchten, oder daß wir es recht gut entbehren können.“ Uns scheint, daß es weder das eine noch das andere, sondern nur dies beweisen würde, daß die Kosten der Gewinnung des Silbers aus Seepflanzen größer sein würden, als der Werth des gewonnenen Silbers.




Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_460.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)