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Seite:Die Gartenlaube (1857) 452.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Vor dem Haus der Eltern auf der Bank saß der alte Valt, die Sonne schien auf seinen glänzenden Scheitel, denn er hielt seine Kappe zwischen seinen bebenden Händen. Daneben standen die Anne und die Kätter. Der Frühling der Freunde lag strahlend auf Aller Angesicht. Das Glück zog bei ihnen ein.

Wie der Martin an der Hand von seiner Mutter in die Stube eintreten wollte, sah er über dem Astloch in der Thüre mit blauen und rothen Buchstaben einen Spruch eingegraben; derweil er ihn sah, that er seine Kappe ab und faltete die Hände:

Bleib bei uns, Herr Jesu Christ,
Ob’s Abend, ob es Morgen ist.
Dein göttlich Wort, das helle Licht,
Laß ja bei uns verlöschen nicht.
In guter und in böser Zeit,
Verleih’ uns, Herr, Beständigkeit.




Indien, seine Revolution und sein Militair.

Malcolm Lewin, ein mit den indischen Verhältnissen sehr vertrauter Engländer, der aus langer Erfahrung in Indien die Revolution vorher verkündigte, sagt in einem kürzlich erschienenen Buche: „Grausamkeit, die Frucht feiger Furcht, wird auf uns selbst zurückprallen. Der Indier ist sehr leicht zu regieren — durch Gerechtigkeit und Güte. Das sind die Gewalten, welche Liebe und Achtung erzeugen. Deren Vorenthaltung hat unser indisches Reich erschüttert.“

An einer andern Stelle seines Buches führt er einen Indier redend ein: „Erst gestern (im vorigen April) vernahm ich den bittersten Haß gegen die Engländer in den schärfsten Ausdrücken der Verachtung und Erbitterung aus dem Munde eines der gebildetsten Hindus. Er ist ein Mann von auffallender Kraft der Intelligenz; er spricht und schreibt mehrere Sprachen mit gleicher Fertigkeit. „Das Wort des Engländers,“ sagte er, „war früher in Granit eingegraben, jetzt wird’s auf Wasser geschrieben. Als das Land noch nicht euer war, wer konnte gerechter und treuer sein seinem Worte, als ihr? Jetzt, da ihr das Land zu euren Füßen habt, ist die Maske abgeworfen. Jetzt schwör’ ich, und glaubt es mir, daß ich meinen Kopf diese Minute verlieren möchte (mit einer entsprechenden Gesticulation) wenn ich meine Landsleute aus ihrer jetzigen Lage damit erheben könnte. Es ist die Ruhe eines Leichnams, todt, entwürdigt. Ich verhehle es nicht: Wir hassen euch und ihr verdient es.“ — „Das ist,“ setzt Lewin hinzu, „die Stimmung des ganzen Landes gegen uns, und ich muß ihnen recht geben: wir verdienen es.“

In Bezug auf die Sepoys sagt er, wie schon erwähnt, vor dem Ausbruche der jetzigen Revolution: „Die Unzufriedenheit in unserer indischen Armee wird viel weniger beachtet, als sie verdient. Man wähnt, daß der indische Soldat in englischen Diensten sich so sehr von seinem Volke trennt, daß er ganz in der Treue für seinen rothen Rock aufgehe. Dieser Wahn ist nicht nur sehr leer, sondern auch sehr absurd. Die Armee ist aus Leuten aller Gegenden, Kasten, Stämme und Confessionen zusammengesetzt. Wenn dieses Band zuweilen vom Soldaten unbeachtet bleibt, verliert er es doch nicht. Er verliert nie das Ende seines Dienstes, seine Befreiung, seine Pension aus den Augen, die Zeit, wenn er zu den Seinigen, in die Hütte seiner Vorfahren zurückkehren wird. In keiner Nation sind die Bande der Blutsverwandtschaft so fest, als bei den Hindus; in keiner wurzelt die Liebe zu dem väterlichen Heerde so tief. Der Soldat und der Bürgerliche sind fest und heilig verbunden: das Einem angethane Unrecht wird gerächt von dem Andern. Unzufriedenheit und Haß gegen uns beschränken sich durchaus nicht auf das Militair und die Dienstbedingungen: es ist allgemeine, durchgehende Stimmung. Nichts als englische Eitelkeit und englische Ignoranz, von der Anhänglichkeit des Hindus zu sprechen. Unter der Herrschaft der ostindischen Compagnie ist die Lage aller Classen und Kasten hoffnungslos. Der Officier von indischer Abkunft kann es mit den höchsten Verdiensten und Talenten nie zum Range eines unabhängigen Mannes bringen: er ist und bleibt stets ein Untergeordneter des englischen Officiers. Eine plötzliche Laune englischer Willkür kann Rang, Stellung, Ehre, Pension und Zukunft abschneiden, und ihn der Schande und Bettelarmuth überweisen. Mit solchen Dienstverhältnissen ist keine Art von Anhänglichkeit vertraglich.“

So und noch mehr sagt Lewin, der viele Jahre englischer Advocat in Indien war. So sprachen und sprechen alle Engländer von Kenntniß und Erfahrung über Indien. In einem erlebten Werke über Madras weist z. B. Norton sehr scharf nach, daß „unser Beruf in Indien nichts war, als möglichst viel Geld auszuschrauben, ohne den Gemarterten nur die Fähigkeit zu lassen, ihnen auch künftig noch Geld auszuschrauben. Lewin schließt seinen „Weg zum Verluste Indiens“ mit folgenden Worten:

„Wir haben im Innern uns einen Feind erzogen, mächtiger und gefährlicher, als die Fürsten, die wir entthronten und ausplünderten. Statt der Feinde von außerhalb haben wir alle Eingebornen Indiens zu unsern Feinden. Wir haben zu kämpfen mit der Frucht und Folge der Massenarmuth und unserer verbrecherischen Verwaltung, der socialen Entwürdigung und Verwahrlosung aller Classen, mit Haß und Erbitterung, den unausbleiblichen Folgen aller brutalen Gewalt und Unterdrückung.“

Sie kämpfen jetzt gegen diese nun nicht ausgebliebenen Folgen. Wie sehen diese aus? Sechsunddreißig Regimenter — volle 36,000 Mann — im wüthendsten Aufruhr, mordend und brennend im glühendsten Wahnsinn der Rache. Engländer mit Weibern und Kindern niedergemetzelt, wo man sie fand, übermüthige, über „angeblich“ drohende Gefahren spottende Commandanten und Präsidenten in Dschungeln versteckt und durch Sumpf und Dickicht kriechend für ihr verwirktes Leben, alte indisch-heilige Flüsse voller stromabwärts getriebener Leichen, die im Wasser bewegt und geschaukelt, sich zu bewegen und zu leben scheinen — alles Englische todt oder im bleichen Zittern versteckt, oder in der um ihr Leben kämpfenden Armee Rettung suchend, 14,000 englische Soldaten nach Indien unterwegs, Birmanien, das unlängst um seine Provinz beraubte, sich aufraffend zu einem Freiheitskriege gegen die Engländer, die Afghanen, die Perser und ungekannte, England hassende Racen und Stämme Central-Asiens mit auflebender Rache gegen England. England wird, wie man ihm allgemein zutraut, die Revolution in Indien wieder morden und „Ruhe und Ordnung“ wieder herstellen. Vielleicht gelingt es ihnen auch, da Napoleon versprochen hat, sich auch in dieser Noth ihrer anzunehmen. Wir nehmen’s als ausgemacht an. Aber welch ein elender Sieg! Welch eine Verwüstung von englischen Köpfen und Capitalien, um einer patentirten, gelderpressenden Gesellschaft das alte Geschäft wieder einzurichten, das Geschäft, das schon so lange an Englands materiellem und moralischem Reichthume zehrte, um mit der nationalen Auslage von Millionen die Tausende für patentirte Privatgesellschaft zu erkaufen.


Da die Revolution bis jetzt hauptsächlich eine militairische ist, obwohl neuern Nachrichten zufolge auch die Bevölkerung anfängt, die Waffen zu ergreifen, so dürfte es unsere Leser interessiren, etwas Näheres über die militairischen Zustände dieses unglücklichen Landes zu erfahren. Die nachfolgende Mittheilung rührt nicht von unserem gewöhnlichen englischen Mitarbeiter her und ist deshalb auch in der Auffassung des Ganzen etwas anderer Meinung.

Die in Britisch-Indien befindlichen und im Sold der Compagnie stehenden Truppen zerfallen in zwei wesentlich verschiedene Theile: in königl. Truppen, welche von der Regierung dahin geschickt und der Compagnie zur Verfügung gestellt sind, und in die Truppen der Compagnie selbst, welche lediglich zu dem Dienst in Indien geworben sind, und nur dort verwendet werden.

Die königlichen Truppen bestehen regelmäßig aus 20 Regimentern Infanterie und 4 Regimentern Cavallerie, zusammen etwa 30,000 Mann. (Dabei sind vier Regimenter Fußvolk, welche in Ceylon stehen, nicht gerechnet). Diese königl. Truppen bilden den eigentlichen Kern des Heeres, eine Art von Garde; sie werden im gewöhnlichen Dienst und auf Märschen außerordentlich geschont, dagegen vor dem Feind als Stütze und zu den entscheidenden Schlägen verwendet. Es ist viele Eifersucht von Seiten der Generale der Compagnie gegen die königlichen mit den Truppen geschickten Führer, weil diese ihnen bei gleichem Rang im Befehl vorgehen, und überdies, der Meinung der ersteren nach, auf ungerechte Weise begünstigt werden.

Die eigene Streitmacht der Compagnie zerfällt in drei ganz getrennte Heere (Establishments): das von Bengalen, das von Madras und das von Bombay. Jedes derselben hat an dem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_452.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)