verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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selbst ist anfangs geringer als Folge davon, so daß das Verhältniß
derselben zu der während des Tages erfolgenden 100:125–130
bei der Ausdünstung ist. Mitternachts ist der Schlaf am
tiefsten, am stärkendsten; die Krankheiten „stehen“, Todesfälle sind
selten. Gegen Morgen erst wird Puls und Wärme voller, wachsender;
leichte Schweiße, Krisen, Geburts- und Sterbefälle fallen
am meisten in die stille Morgenzeit, bis sich zum Mittag ein zweiter
Stillstandspunkt im Leben des Menschen offenbart.
Ein Stücklein vom „alten Herrn. Es sind kaum einige Wochen her, daß die Zeitungen eine Notiz aus Göttingen brachten, nach welcher ein hoher Polizeibeamter an die Studenten der dortigen Universität das Ansinnen gestellt hätte, beim Einzug des Kaisers Alexander II. von Rußland mit den Bürgern vereint Spalier zu bilden, und dadurch dem Czaar ihre Huldigung zu zeigen. Dieser an den Seniorenconvent der Corps gerichtete Antrag wurde von diesem bekanntlich zurückgewiesen, und Kaiser Alexander II. zog in Göttingen ein, ohne von den Studenten empfangen zu werden.
Als ich diesen Vorfall las, erinnerte ich mich einer kleinen Begebenheit aus meinen Studentenjahren, deren Mittheilung an dieser Stelle vielleicht manchem Leser dieser Blätter nicht ganz uninteressant sein wird.
In den späten Abendstunden eines windigen und regnerischen Herbstabends im Jahre 1847 saßen wir – ein Kreis lustiger Studio’s – in Auerbach’s Keller in Leipzig, trinkend, singend und plaudernd über Alles, was irgend nur das Interesse junger, frischer, strebender Herzen erregen kann. Schließlich kam das Gespräch auch auf Goethe – eine Wendung, die man in Auerbach’s Keller mit seinen alten, damals sehr verräuchert und rußig aussehenden Wandbildern aus der Faustsage natürlich finden wird – und von Goethe auf seinen fürstlichen Freund Karl August von Weimar, den „alten Herrn“. Wie die Unterhaltung diese Richtung nahm, erhob sich ein ältlicher Herr, der bis jetzt still und schweigend in der Nische, unweit des mächtigen Pfeilers, der die Wölbung stützt, gesessen hatte, und sprach, an unsern Tisch herantretend:
„Meine Herren, werden Sie es für indiscret oder für zudringlich halten, wenn ich als ein Ihnen Fremder an Ihrem Tisch Platz nehme?“
Auf unsere Verneinung und Bitte, sich auf den Sessel, welchen ihm einer der Commilitonen bot, niederzulassen, dankte er und fuhr dann fort:
„Ich hörte Sie von Karl August sprechen, und als früherer Jenenser, der ich bin, dessen Studienzeit in die letzten zehn Regierungsjahre des unvergeßlichen Herzogs fällt, können Sie sich wohl erklären, wie mich Ihr Gespräch anregte.“
So gab ein Wort das andere und der alte Herr, der, nebenbei bemerkt, Geistlicher, Superintendent einer norddeutschen Stadt war, wurde gesprächig, wie der Jüngsten einer. Unter andern verschiedenen Mittheilungen über Karl August erzählte er uns auch Folgendes:
„Es war,“ begann der Erzähler, „in den ersten Jahren nach den Befreiungskriegen, zur Zeit jener Congresse, auf denen sich die Fürsten Europa’s Rendez-vous gaben, um persönlich die schwebenden Streitfragen der Politik zu schlichten. Niemals gab es an den deutschen Höfen ein regeres Leben, zahlreichere Besuche gekrönter Häupter, als damals. Besonders aber war es der weimarische Hof, dessen Ruf und Ruhm von nah und fern fürstliche Gäste herbeizog.
Die Namen Schiller, Goethe, Wieland, Herder hatten Weimar einen Glanz verliehen, der weit über Deutschland’s Grenzen hinausstrahlte und der kleinen Stadt eine Berühmtheit gegeben, welche die vieler Großstädte übertraf. So kam auch Kaiser Alexander, ohnedies durch die Verbindung seiner Schwester mit dem Erbprinzen Carl Friedrich mit dem „alten Herrn“ verschwägert, nach Weimar. Bei Tafel kam das Gespräch unter Anderem auch auf Jena und der Kaiser äußerte dabei den lebhaften Wunsch, die Jenenser Studentenschaft in corpore zu sehen; dies würde auch, setzte er hinzu, sehr leicht zu bewerkstelligen sein, da der Großherzog nur befehlen dürfe, daß die Studenten Spalier bilden sollten, wenn er mit dem Czaar nach Jena käme. Karl August lächelte fein bei diesen Worten und meinte:
„Wollen sehen, wollen sehen, was sich thun läßt.“
Eine Stunde später sprengte ein Courier mit einer eigenhändigen Cabinetsordre des Großherzogs an den Prorector der Universität nach Jena und am nächstfolgenden Tage reiste Karl August selbst mit seinem Gaste, dem Kaiser, dahin ab. Die offene Jagdkalesche des Herzogs, in welcher dieser neben Alexander saß, war ungefähr eine Viertelstunde von der Stadt entfernt, als man schon von dem Wagen aus eine Menge Studenten, die zur Rechten und Linken des Weges, den der fürstliche Wagen nehmen mußte standen, bemerken konnte. Ein schlaues Lächeln spielte um des Herzogs Mund und sich zu Alexander wendend sprach er:
„Sie werden sie alle sehen, die flotten Burschen, Alle, Sire, es wird kein Einziger fehlen.“
Und in der That war es so. In langen Reihen, die dreifarbigen Bänder um die Brust, das bunte Cereviskäppchen auf dem Kopfe und die lange Pfeife im Munde standen sie Alle da, Burschenschafter wie Landsmannschafter, und ließen die hohen Reisenden Revue passiren.
Kaiser Alexander musterte mit überraschtem, neugierigem Auge die langen Reihen der Studenten und als sie an das Stadtthor ankamen, sprach er, sich zum Großherzog wendend:
„Man spricht so viel von dem rebellischen, aufrührerischen Geiste der deutschen akademischen Jugend, allein einen größeren Gehorsam, als diese Studenten zeigen, die sich auf Ihren Befehl am Wege aufgestellt haben, würde ich auch in Rußland nicht finden.“
Karl August griff in seine Brusttasche und sprach lächelnd und dem Kaiser ein Blatt Papier überreichend:
„Wollen Sie diesen Befehl lesen, Sire? Es ist derselbe, den ich gestern durch den Courier an den Prorector schickte, mit dem Bedeuten, ihn sogleich am schwarzen Brete anzuschlagen.“
Der Kaiser entfaltete das Blatt und las:
„Da am nächsten Tage Se. Königl. Hoheit der Großherzog mit Ihrem erhabenen Gaste in den Nachmittagsstunden Jena passiren wird, so wird hierdurch auf ausdrücklichen Befehl Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs jedem Studirenden auf das Strengste verboten, sich an der Straße, welche die hohen Reisenden passiren werden, zu zeigen.“
Alexander stutzte und seine Züge drückten ein eigenthümliches Befremden aus, Karl August aber fügte lächelnd hinzu:
„Ja, ja, Sire, ich kenne meine Pappenheimer.“ –[1]
- ↑ Unser geehrter Mitarbeiter möge entschuldigen, wenn wir an der Wahrheit des oben Mitgetheilten etwas zweifeln. Karl August war der Liebling nicht nur der Jenenser, sondern überhaupt aller deutschen Studenten damaliger Zeit, und seine Wünsche würden sicherlich respectirt worden sein. Karl August war aber ein viel zu vorsichtiger und geistreicher Mensch, als daß er zu Experimenten seine Zuflucht genommen hätte, die seinem Ansehen nur schaden konnten. D. Redact.
Der Kometenglaube. Der Kometenaberglaube ist in culturhistorischer
Beziehung fast immer von den interessantesten Folgen gewesen. Wir erinnern
hier z. B. an den großen Kometen vom Jahre 837, welcher der
Erde sehr nahe kam, und durch den Ludwig der Fromme so in Schrecken
gesetzt wurde, daß er, um den vermeintlichen Zorn des Himmels zu besänftigen,
auf’s schnellste die Erbauung von Kirchen und Klöstern anbefahl.
Der Komet vom Jahre 1456 wurde nicht nur von den Türken unter Muhamed II.,
sondern auch von den christlichen Heerführern, die zu jener Zeit
gegen die Türken kämpften, als ein Zeichen des göttlichen Zornes angesehen.
Um diesen Zorn Gottes abzuwenden, befahl Papst Calixt III., daß jeden
Mittag die Glocken geläutet werden sollten. Hiervon soll in katholischen
Ländern der Gebrauch herrühren, die Glocken zu Mittag zu läuten. Ebenso
soll die sonderbare Sitte, einem Niesenden: „Zur Genesung“ oder „Helf Gott“
zuzurufen, einigen Chronisten zufolge davon herrühren, daß bei einer
der verheerendsten Seuchen im Jahre 590, welche durch einen großen Kometen
veranlaßt worden sei, dem Tode ein heftiges Niesen vorherging.
Der große Komet von 1556 (derselbe, welcher jetzt erwartet wurde und der zu
dem sonderbaren Gerücht des Weltunterganges Veranlassung gegeben hat),
soll den Kaiser Karl V. veranlaßt haben, sich auf seinen Tod in einem
Kloster vorzubereiten und die Krone niederzulegen.
Die Deutsche Turn-Zeitung hat sich die Aufgabe gestellt, das Turnen in seinen vielfachen Beziehungen zu besprechen, belehrend zu unterhalten und freundschaftlich vermittelnd zwischen den zahlreichen Freunden des Turnens und den Vereinen im In- und Auslande, denen sie somit als Organ dient, aufzutreten. Die überraschend große Theilnahme, welche die Turn-Zeitung seit der kurzen Zeit ihres Bestehens gefunden, ist der beste Beweis dafür, daß es der Redaction gelungen, die gestellte Aufgabe zu erfüllen und den Anforderungen des Publicums zu entsprechen. Verbindungen in allen Gegenden Deutschlands, in Oesterreich, der Schweiz und Nordamerika bürgen auch für die Folge für einen manchfaltigen, interessanten Inhalt.
Wir empfehlen die Deutsche Turn Zeitung sämmtlichen Turnvereinen, den Freunden und Gönnern des Turnwesens, allen Aerzten, Lehrern und Erziehern. – Probenummern sind durch jede Buchhaltung zu beziehen.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_420.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2022)