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Seite:Die Gartenlaube (1857) 406.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Die letzte traurige Arbeit war gethan und wir kennen das namenlose Unglück in seinem ganzen erschütternden Umfange.

Wenn Angesichts desselben noch etwas erfreuen und trösten kann, so thut jenes die heldenmüthige Hingebung der Retter und dieses die Theilnahme an dem Unterstützungswerke, das nun der ganzen Nation für die Hinterlassenen der Todten auf dem Schlachtfelde der Industrie überbunden ist.

Es muß für Jeden, der nicht allen edlern Regungen verschlossen ist – und deren sind doch Wenige – wenn er vor diesem tiefen Abgrunde des Leidens und Jammers steht, der wunderbare Todesmuth einfacher, aller höhern Bildung baarer Arbeiter eine Erscheinung sein, die aus dem nur zu oft trüben und bewegten Treiben der Industrie unserer Zeit emporsteigt wie ein Stern, der aus undurchdringlicher Wolkennacht rettungverheißend für den bedrängten Schiffer hervortritt. Vor der Macht der Elemente ist des Menschen Wissen und Können nur zu oft Ohnmacht, aber aus dem Untergange selbst erhebt sich das Ewige in ihm und beurkundet triumphirend seinen göttlichen Ursprung. –

So mildert den theilnehmenden Schmerz an dem Unheile die strahlende Erscheinung aufopfernden Heldenmuthes, die wir in diesen Tagen wahrgenommen haben, und mit Wonne verweilt der tränenschwere Blick bei diesen Rettungsscenen. Und daß das Schweizer-Volk so denkt und wie es handeln wird, das zeigt am besten wohl der Wiederhall, den in allen Thalschaften des Landes die öffentliche Stimme gefunden, welche „am Grabe der Arbeiter“ also sprach:

„Hier ruhen sie nach harten Tagesmühen, gefallen auf dem Felde der Ehre, gefallen im Dienste der ganzen menschlichen Gesellschaft, gefallen für die Verwirklichung der höchsten Idee des Jahrhunderts, den freien Verkehr der Menschenkinder der verschiedensten Nationen, Italiener, Engländer, Franzosen, Deutsche, Schweizer – ein gemeinsames Unglück hat Euch erreicht bei der Arbeit für einen gemeinsamen Zweck.

„Nicht nur habt Ihr im Interesse Aller und bei einem hartverdienten Brod das Einzige, was Ihr hattet, Gesundheit, Kraft und Leben gewagt und – verloren; sondern Euer letzter Herzschlag war gedrückt, gefoltert bei dem Gedanken an eine kranke Mutter, an hülflose Waisen, einen gebeugten Vater, denen Euer kräftiger Arm jetzt fehlt. Elf von Euch haben ihr Leben im Rettungsversuche der Andern verloren und doppelten Anspruch auf Achtung und Dankbarkeit erworben.

„Aus Euerem Grabe erschallt eine Stimme, welche sagt: Auch wir haben Euch eine Gasse gemacht, sorgt für unsere Weiber und Kinder. Ja, Ihr habt uns eine Gasse gemacht, und wir wollen sorgen für Eure Weiber und Kinder. Und dabei wollen wir uns recht innig zu Herzen führen, was wir der „Hand mit den Schwielen“ verdanken; wir wollen sie herzlich schütteln diese Hand, wo wir sie immer im Leben antreffen. Diesen Vorsatz wollen wir uns mit fortnehmen von Euerem Grabe, indem wir Euch nicht besser ehren können, als in der Achtung und Liebe von Euresgleichen.

„Ruhet wohl, müde Leiber, während Eure seligen Geister, wie der Christenglaube lehrt, eine Heimath gefunden haben, welche jedem Verdienste seinen Lohn angedeihen läßt.“ –




Der Telegraph durch’s atlantische Meer.

In der Regel ist vom Lächerlichen zum Erhabenen nur ein Schritt. Es kommen aber auch ungemein viel Fälle vor, in denen das Lächerliche selbst erhaben oder das Erhabene lächerlich ist, daß Beides sich auf eine jammervolle Weise zu Geschichten aufhebt, über die man lachend weinen oder weinend lachen könnte, was man aber Beides nicht vermag, so daß man sich mit einem diplomatischen Achselzucken sauersüß aus der Affaire ziehen muß. Die erhabene Lächerlichkeit kommt am häufigsten in den durch Diplomatie und tiefsinnige Politik verhunzten Beziehungen der Völker zu einander vor. Mit der einen Hand verbindet und befreundet man sie durch Eisenbahnen, Telegraphen, Waaren- und Ideen-Austausch, durch Soll- und Haben-Rechnungen, die in musterhafter Brüderschaft je jenseits Grenzen zwischen den Linien der Conto-Bücher fortlaufen und sich gegenseitig so oft schreiben, wie zärtlich Verliebte und Verlobte; mit der andern Hand stellen sie sich gegenseitig Gensd’armen, Soldatenheere, Grenzwächter, Postvisitatoren, Zöllner, Schlagbäume, Schuß- und Hiebwaffen, Festungen und Kugelhaufen entgegen, und halten einander ihre nationalen Säbel vor die Nase. Mit der einen Hand schlagen sie Völker nieder, um ruinirte rebellische Länder „einzuverleiben“, und geben dabei und für Erhaltung der Unterwürfigkeit und Niederwerfung von Empörungen, für Processe, Gefängnisse, Executionen mehr aus, als die andere, thätige, productive Hand jemals von den ruinirten Völkern und aus dem Handel Vortheil ziehen kann. So geht’s England mit China. So geht es ihm just dieser Tage mit Indien. Sie haben das reichste Land der Erde erobert, ausgesteuert, mit Tortur ausgepreßt, und seit mehr als einem Jahrhundert einen englischen Crösus nach dem andern daraus heimkehren lassen. Man nannte dies: Indien civilisiren und christianisiren. Nun sind aber die braunen, schönen, friedlichen, schwachen Indier zu wüthenden Hyänen gegen ihre Wohlthäter civilisirt und christianisirt worden und in der grimmigsten Empörung gegen alle Europäer, die gemordet werden, wie es irgend geht, just wie die lächelnden, freundlichen Chinesen sich gegen die Engländer wenden, als wären’s Heerden von Heuschrecken und sonstigem Ungeziefer. Im besten Falle kostete ihnen China, Indien und sonstige zu England bombardirte Besitzungen und Colonien mehr, als die andere Hand durch Production und Handel je wieder gut machen kann. Die Conto’s der Ehre und Schande und der nationalen Demoralisation, die stets aus geraubtem Gute hervorgeht, bringen wir dabei gar nicht mit in Ansatz. Am schlimmsten kommt Englands Politik im Widerspruch der wirklichen Interessen mit Amerika weg. Es hat noch stets einen großen Theil seiner 6,000,000,000 Thaler Kriegsschulden vom amerikanischen Kriege her auf dem Halse. Dabei hält Lord Palmerston noch immer Kriegsschiffe in Bereitschaft und läßt überall in den Häfen und Meeren herum renommiren und böses Blut machen, um stets in Kriegsbereitschaft gegen Amerika zu sein. Wenn er auch keinen Krieg anfängt (nicht mit Amerika, wie mit Niemandem, der stark ist), wird doch das Geld verschwendet und böses Blut daraus gemacht. Mit der andern Hand schüttelt man den Amerikanern Freundschaft und gleicht freundschaftlich ungeheuere, stets wachsende Baumwollen-, Zucker-, Leder- und Gutta-Percharechnungen aus.

Damit dies künftig noch schneller gehe, legt man jetzt ein ungeheueres, elektrisches Freundschafts- und Correspondenzband durch den tausendmeiligen atlantischen Ocean. Manche Zeitungs-Salomo’s sehen darin ein Stück Weltgeschichte, das Band des ewigen Friedens, den erhabensten Triumph unserer Civilisation, Wissenschaft und Kunst u. s. w.

Der Telegraphendraht ist ein Wunder, die erhabenste Drahtzieherarbeit dieses Jahrhunderts; aber man darf nicht zu sanguinisch sein, nicht zu erhaben schwärmen, so lange die Diplomaten viel mehr edele und nützliche Metalle zu zerstörenden, Völker entzweienden, Frieden, Freundschaft, Recht, Humanität, Handel und Wandel vernichtenden Zwecken consumiren, als die Friedens- und Freundschaftsinteressen zu Telegraphendrähten und andern Bindemitteln. Da die Palmerston’sche Diplomatie überall in der Welt Kriegsschiffe umherschwimmen und ihre Agenten in jedem Hafen der Welt hat, kann jeden Augenblick ein casus belli, eine Kriegsnothwendigkeit eintreten. Sofort wird es höchster Patriotismus und Heroismus, Eisenbahnschienen und Telegraphendrähte, die dem Feinde nützlich werden könnten, zu zerstören, und die kostbarsten Früchte des Friedens zu vernichten. Auch der atlantische Telegraph ist also nicht sicher und was dessen Sprache betrifft, wird man sich hauptsächlich Börsen-Course und Baumwollenpreise zublitzen. So lange es keine höheren Interessen an beiden Enden des ungeheuern Telegraphentaues gibt, bekommt auch dieses Sprachrohr nichts Höheres zu sagen. Dessen Erhabenheit hängt von den Menschen an beiden Seiten ab. Aber wie weder Dallas noch Palmerston, weder die Engländer noch die Amerikaner sich mit höheren Interessen oder gar Erhabenheit zu thun machen, wird auch ihr neuer großer Freundschaftsdraht viel mit Dingen zu thun haben, die durch ihre

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_406.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2022)