verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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und die Art und Weise ihrer Behandlung; er wird euch sogleich begreifen, den Mechanismus fassen und schon in vier und zwanzig Stunden einen brauchbaren Maschinenwärter abgeben. Ein eben so großeTalent zeigt er für alle andere technischen Arbeiten. Das deutet doch keineswegs auf beschränkte geistige Fähigkeit hin; höchstens fehlt es ihm nur an Gelegenheit, dieselben auszubilden und zu entwickeln. Auch viele Engländer, die jedoch nicht höhere Stellungen bekleiden, haben sich in Laurahütte angesiedelt und scheinen sich ganz eingelebt zu haben. Ich war nicht wenig überrascht, von einem Aufseher, den ich deutsch anredete, eine englische Antwort zu erhalten, was mir noch mehrere Mal in Oberschlesien begegnete.
Der Ertrag der Laurahütte ist, wie man sich denken kann, sehr bedeutend, und man wird sich ungefähr einen Begriff von dem großartigen Umsätze machen können, wenn man erfahrt, daß der reine Gewinn für jeden der beiden Theilnehmer jährlich auf achtzig bis hunderttausend Thaler und auch mehr veranschlagt wird, ungeachtet der bedeutenden Ausgaben für Rohprodukte und Besoldungen der Beamten. Letztere sind meist glänzend gestellt und das Einkommen des Directors der sämmtlichen Hüttenwerke soll den Gehalt von manchem deutschen Staatsminister bei Weitem übersteigen. In Laurahütte lebte wie bekannt auch Ronge einige Zeit als Hauslehrer und Erzieher. Von hier aus erließ er jenen bekannten Brief an den Bischof von Trier wegen der Ausstellung des heiligen Rockes; so daß es diesem im äußersten Winkel der Monarchie gelegenen Orte neben seiner materiellen und industriellen Bedeutung auch an einem gewissen geistigen Interesse nicht gebricht.
An dem Wirthshaustische lernte ich mehrere unverheirathete Beamte kennen, meist gebildete Männer, welche größten Theils zu ihrer Ausbildung Belgien, Frankreich und England bereist hatten. Ich erhielt von ihnen manchen gewünschten Aufschluß über die eigenthümlichen Verhältnisse der Bewohner Oberschlesiens, welche mir einen längeren Aufenthalt wünschenswerth erscheinen ließen, um das Volk nach allen Seiten genauer kennen zu lernen. Was ich darüber hörte, bestärkte mich nur in dem Ausspruch: Es ist ein wunderbares Land, dieses Oberschlesien!
Schlaf- und Wachbewegungen.
In unserm ersten Artikel (Nr. 24.) haben wir bereits den bedeutenden Einfluß kennen gelernt, welchen das Licht auf die Richtung von Stengel und Blatt ausübt; es kann uns daher die Bemerkung nicht auffallen, daß die Pflanzen auch gegen den Wechsel von Tag und Nacht empfindlich sind. Besonders sind es die Blätter und Blüthen vieler Pflanzen, welche bei Anbruch des Tages und der Dunkelheit ihre Stellung verändern; die Schlafbewegung erfolgt einige Stunden vor Untergang, die Wachbewegung noch vor Aufgang der Sonne. Bei Sonnenfinsternissen oder sehr dunklem Wetter tritt ebenfalls die Schlafbewegung ein.
Nicht alle Blätter sind im Stande, ihre Stellung zu verändern, sondern nur die, welche an der Basis ihres Stiels mit einem Gelenk versehen sind; dieses Gelenk besteht in einer rings um den Blattstiel laufenden Anschwellung, und vermittelt die Bewegung des Blattes. Bei gefiederten Blättern sehen wir, daß zu beiden Seiten des Hauptstiels kleinere secundäre Stiele abgehen, welche die Fiederblättchen tragen, so bei der Rose, Eberesche, Akazie, den Kleearten und vielen Andern; ja in manchen Fällen ist das Blatt noch zusammengesetzter, die Fiederblättchen werden mit Stielen getragen, welche rechts und links an den secundären Blattstielen befestigt sind, wie bei der mimosa pudica, auch sensitiva oder noli me tangere genannt. In der Regel sind sowohl der Hauptstiel als die secundären Stile der gefiederten Blätter mit einem Gelenk versehen, articulirt, und die Bewegungen treten bei ihnen alsdann am deutlichsten auf. Wählen wir die mimosa pudica, bei welcher der Unterschied zwischen der täglichen und nächtlichen Stellung am meisten in die Augen springt, als Beispiel für unsere Betrachtung, so finden wir in der Tagesstellung den gemeinschaftlichen Blattstiel in die Höhe stehend, die secundären Blattstiele und die Fiederblättchen horizontal ausgebreitet. In der nächtlichen Stellung ist der gemeinschaftliche Blattstiel herabgesenkt, die secundären Blattstiele sind in die Höhe gerichtet, die Fiederblättchen haben sich ebenfalls erhoben und nach vorn übergebogen. Das Einschlafen erfolgt im Sommer gegen fünf Uhr Abends, und tritt zuerst an dem gemeinschaftlichen Blattstiele ein; hierauf erheben sich die secundären Stiele, dann folgen die mittleren Fiederblättchen, zuletzt bewegen sich die der Spitze und Basis. Das Erwachen erfolgt zwischen drei und vier Uhr Morgens, ebenfalls von der Basis aus nach der Spitze.
Untersuchen wir die Anschwellung der Blattstielbasis, so sehen wir die in das Blatt tretenden Gefäßbündel zu einem einzigen verschmolzen, welches die Mitte einnimmt. Die obere Wulsthälfte besteht aus zartem und dichtem Zellgewebe, die untere aus derberen Zellen, zwischen deren Kanten sich leere Räume, Intercellulargänge, befinden; die Mehrzahl der Zellen ist von einer glänzendweißen ölartigen Masse erfüllt. Schneidet man die obere Wulsthälfte bis auf die Gefäßbündel ab, so dehnt sich der untere Gelenkwulst bedeutend aus und drückt das Blatt dem Stengel an; hält man die Wunde feucht, so kehrt das Blatt in die Tagesstellung zurück und beginnt später die Bewegung von Neuem. Entfernt man dagegen einzig und allein die untere Wulsthälfte, so expandirt sich die obere und drückt das Blatt an den Stengel herab; ein merkliches Heben des Blattes tritt selbst bei Feuchthalten der Wunde nicht wieder ein. Nimmt man den Gelenkwulst ringsum ab, so hört die Bewegung für immer auf, schneidet man nur die Gefäßbündel durch, so treten die Bewegungen bis zum Absterben des Blattes ungehindert ein.
Diese Versuche sprechen deutlich genug für die Ansicht, daß die Bewegung durch den Gelenkwulst stattfindet; man hielt früher die Schlafbewegung für die Folge einer Erschlaffung des Gewebes, dies ist jedoch durchaus nicht der Fall, da die Gelenke zur Nachtzeit sogar straffer sind, als bei Tage. Eine nähere Erklärung dieser Erscheinungen wollen wir nach Schilderung der Reizbewegungen zu geben versuchen, da diese in ähnlicher Weise wie die Schlaf- und Wachbewegungen vor sich zu gehen scheinen.
Stellt man Versuche über die Ursachen an, welche die Bewegung hervorrufen, so bemerkt man Folgendes: Setzt man Pflanzen gegen Abend in einen erleuchteten Raum, so tritt die Schlafbewegung um einige Stunden später ein; läßt man die eingeschlafenen Pflanzen des Morgens in der Dunkelheit, so erfolgt das Erwachen ebenfalls um einige Stunden später. Fährt man mit dieser Behandlung einige Tage fort, so kann man es dahin bringen, daß sich die Perioden des Schlafens und Wachens vollständig umkehren. Bringt man die Pflanzen in anhaltende Dunkelheit, so leiden sie merklich darunter und das Einschlafen und Erwachen erfolgt ganz unregelmäßig; den gleichen Einfluß besitzt anhaltende Helle. Da jedoch die Bewegung überhaupt noch eintritt, so kann der Wechsel des Lichts und der Dunkelheit nicht die einzige Ursache sein; auch die Wärme spielt eine Rolle bei diesen Vorgängen. Setzt man eingeschlafene Pflanzen einer niederen Temperatur aus, so tritt die Wachbewegung ein; bringt man wachende Pflanzen in höhere Temperaturen, so erfolgt das Einschlafen. Läßt man sehr niedrige oder sehr hohe Temperaturen auf die Pflanzen einwirken, so hört jede Bewegung auf. Es gibt also bestimmte Wärmegrenzen, zwischen welchen allein die Schlaf- und Wachbewegungen eintreten.
Stellt man die Pflanzen unter Wasser, so finden die Bewegungen während drei bis vier Tagen noch statt; alsdann tritt jedoch ein Absterben der Pflanzen ein, und mit ihm das Aufhören jeder Lebensthätigkeit. Im luftleeren Raume vermag die Pflanze nicht, eine Bewegung vorzunehmen, sie erstarrt; die Blätter nehmen eine Stellung ein, welche die Mitte zwischen der täglichen und nächtlichen hält. Das Gleiche geschieht, wenn man die Pflanze mit giftigen Lösungen in Berührung bringt; so wie das Gift die Gelenke erreicht hat, folgt ein Erstarren und die Pflanze verwelkt.
Während umfassende Erfahrungen über Schlaf- und Wachbewegung
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_379.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)