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Seite:Die Gartenlaube (1857) 375.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

und wurde die ganze Gegend umher flammenröther. Die Fliehenden kamen in ihrer wilden Hast plötzlich vor einen Abgrund, der in tiefe, dunkele Nacht hinabgähnte. Zur Rechten und zur Linken hinter ihnen wogten die Lavagluthen heran. Vor ihnen eine unbekannte Tiefe. Hinter ihnen das sich rasch heranwälzende, mit Bäumen krachende und sich selbst beleuchtende Lavagluthmeer.

„Was thun wir jetzt? Kennt Ihr diesen Abgrund?“ fragte Fennel seine Führer.

„Ganz aus dem Wege gekommen, ganz unbekannt,“ hieß es. Die ganze Gesellschaft schwieg. Aeußerster Schreck, höchste Gefahr lähmt alle Mittel sich zu äußern. „Wenn unserm Blick was Ungeheures begegnet, steht unser Geist auf eine Weile still,“ sagt Goethe. Jeder fühlte deutlicher und deutlicher, daß aus der ringsum heranprasselnden Höllengluth nur noch eine Möglichkeit der Rettung sei, der Sturz in den Abgrund. Ganz Sicilien schien in Feuer. Die Erde glühte und brannte von allen Seiten zu dem glühenden Himmel hinauf. Dazwischen flogen und flackerten Feuerbrände im Westwinde heran und verbreiteten eine sengende, unerträgliche Luft.

Ersticken und Verbrennen oder Selbstmord! Das waren jetzt die zwei Wege zum Tode, denn die zum Leben waren auf die entsetzlichste Weise ringsum verschlossen. Aller Augen stierten in den Abgrund vor ihnen. Sich hinunterstürzen und mit einem einzigen Sprunge in die Nacht des Abgrundes sich von diesen heranwüthenden Höllenqualen befreien? So standen sie vielleicht eine Minute dicht vor dem dunkeln Schlunde schweigend, nach Hoffnung aufblickend, dann wieder zusammenschauernd. Fennel hielt sich und Andere einen Augenblick mit der Hoffnung, daß die Lava nicht höher steigen werden; doch einer der Führer bemerkte mit der größten Bestimmtheit, daß die Lavaströme sich jenseits des Abgrunds vereinigen, sich stauen und Alles ringsum mit flüssigem Feuer überschwemmen würden. Aber man zögerte noch, man athmete noch. Doch bald wurde letzteres Höllenqual, schlimmer als Tod. Die Luft drang mit unerträglicher Gluth und tödtlichem Geruch in die Lunge ein. Man wagte nicht mehr zu athmen, und kam so in Gefahr, sich freiwillig zu ersticken, um den Tod nicht einzuathmen. Jetzt trat der junge Geistliche noch einen Schritt vor.

„Ich gehe zuerst!“ rief er. Sein Gesicht blauete in Leichenfarbe, trotz der vulcanischen Gluth umher. Er sprang nicht, er stürzte sich nicht kopfüber hinunter – er wandte sich um, hielt sich mit der Hand an die Felsenkante, ließ sich hinab, hing eine Zeit lang und verschwand dann geräuschlos in dem dunkeln Abgrunde.

Welche Laute von unten? Krachende Gebeine, von Felsen zu Felsen geschmettert, hinunter, hinunter in eine unergründliche Tiefe? War es das Knattern der Flammen oder der sich zerschmetternde Körper des Geistlichen? Die Zurückgebliebenen schrieen mit erstickender Stimme hinunter, einen Laut von sich zu geben, wenn er noch lebe. Keine Antwort. Jetzt rief Mr. Fennel: „Nun komme ich!“ und ließ sich eben so bedächtig hinunter, bis er die Hände losließ und verschwand.

Eine zweite Pause der entsetzlichsten Qual, als keine Antwort kam. Dann folgte der dritte Engländer, und getrieben von Gluth und Pestluft, stürzten sich die Uebrigen, Führer und Diener, rasch hinterher. Nun war es still oben und auch unten im Abgrunde, bis es in letzterem allmählich wieder lebendig ward. Der Abgrund war eine sumpfige Wiese dicht an einem jäh aufspringenden Felsen. Warum hatte aber Niemand aus der weichen Erlösung unten hinaus geantwortet? Jeder hatte in einen tiefen, schaudervollen Tod hinabzuspringen geglaubt, und war bewußtlos, sprachlos unten in das weiche Gras gefallen. Nach dem ersten Sprunge waren die Andern rasch gefolgt, so daß sie alle verworren, zweifelnd an ihrem Leben, staunend neben einander lagen und nach und nach zum Bewußtsein kamen und sich sahen, als die Gluth von oben herunterleuchtete. Dies brachte sie Alle auf die Beine, auf welchen sie rasch über das Bereich der Lavaströmungen hinabeilten, die Felsen um Catania bestiegen, in die Stadt hinabstürzten und sich in Sicherheit brachten. Mit unsäglichen, fieberhaften Gefühlen der Dankbarkeit gegen den rothglühenden Himmel sah man nun zu, wie die rothen Gluthen aus dem Krater gen Himmel stiegen und sich donnernd und verwüstend über das Land hinwälzten, um zu einer neuen Rinde überschwenglicher Fruchtbarkeit und Blüthe zu erkalten, und über tausendfachem Höllentode eben so plötzlich wieder das üppigste, lachendste Leben hervorzuzaubern.




Aus Oberschlesien.
I.
Station Gleiwitz. – Oberschlesien, das preußische Sibirien. – Reich und arm. – Die Hütte. – Das Abstechen eines Hohofens. – Das Gießen und die Former. – Die Kohlenlager von Zabrze. – Eine Fahrt in die Unterwelt. – Die Königshütte. – Nach Laurahütte. – Ein brennendes Kohlennflötz. – Laurahütte und ihre Walzwerke. – Die Geschicklichkeit der Oberschlesier. – Der Ertrag der Laurahütte. – Ronge und das gesellschaftliche Leben in Laurahütte.

„Station Gleiwitz! Zehn Minuten Aufenthalt!“ rief der Eisenbahnschaffner in unser Coupé hinein. Ich verließ dasselbe und meine bisherige Reisegesellschaft, weil ich einige Zeit hier zu verweilen gedachte, um einen alten Freund zu besuchen, der als Hüttenbeamter angestellt war. Mit all’ den gewöhnlichen Vorurtheilen reiste ich so zum ersten Male durch Oberschlesien, das auch ich als eine Art von preußischem Sibirien ansah. Ich war darauf gefaßt, unbebaute, wüste Gegenden, elende Hütten, eine verkommene und verdummte Bevölkerung anzutreffen, und erstaunte nicht wenig, in vielen Beziehungen gerade das Gegentheil zu finden. Noch immer ist Oberschlesien für die meisten Reisenden eine „terra incognita“, lediglich durch die Zeitungen als der Aufenthalt des Hungers und des Typhus seit dem Jahre 1847 bekannt. Damals erfuhr man zum ersten Male überhaupt von seiner Existenz und erhielt eben nicht das wahrste und angenehmste Bild. Ein kurzer Aufenthalt bei meinem hier eingebürgerten Freunde und einige Ausflüge in Begleitung dieses kundigen Führers berichtigten schnell meine vorgefaßten Meinungen. Statt der erwarteten Hütten fand ich häufig herrliche Paläste; mitten in der geträumten Wildniß reich angebaute Länderstrecken und vor Allem eine industrielle Thätigkeit, die meine ganze Bewunderung im hohen Grade beanspruchte. Freilich fehlte es der Medaille auch nicht an der Kehrseite und neben dem Schwindel erregenden Reichthum gibt es hier die entsetzlichste Armuth, wie wir sie in den Fabrikdistricten Englands ebenfalls zu sehen gewohnt sind. Bald wurde mir klar, daß hier die schreiendsten Gegensätze dicht neben einander liegen. Es ist ein eigenthümliches Land, dieses Oberschlesien, arm wie ein Bettler, reich wie ein Millionair; auf der einen Seite elend und verkommen, auf der andern wunderbar sich entwickelnd und emporblühend, unfruchtbar und dürr wie die Sandwüste, mit spärlichen Fichten und elenden Kiefern, oder mit kranken Kartoffeln bepflanzt, aber in der Tiefe die größten Schätze bergend, kolossale Steinkohlenlager, welche für Jahrtausende ausreichen, unerschöpfliche Eisenerze und Galmeigruben; selbst an Silber fehlt es nicht. Vor Allen hat die Steinkohle, dieser dunkle Zauberer, Wunder gethan. Wo sie aus der Erde emporsteigt, da verwandelt sie die ganze Physiognomie der Gegend. Mitten in der Wildniß entstehen in kurzer Frist neue Anlagen, bedeutende Hüttenwerke, großartige Industriepaläste, um welche schnell eine Colonie von Arbeitern sich ansiedelt. Diese ziehen den Gastwirth, den Krämer, den Handarbeiter nach sich und die Colonie wird so zum Dorf, das Dorf zum Städtchen, wo die Wohnungen der meist gut bezahlten Beamten an Eleganz und Comfort öfters den Häusern und Villen der Residenz wenig oder gar nichts nachgeben. Nach den Städten selbst strömen die gewonnenen unterirdischen Schätze, um von da aus weiter vertrieben zu werden, Handel und Wandel nehmen einen nie geahnten Aufschwung, der Wohlstand ist im Wachsen und die Bevölkerung mehrt sich mit jedem Tage. Dies gilt allerdings zunächst nur für die an der Eisenbahn gelegenen Orte, welche den Güterverkehr vermitteln. Als ein solcher hat auch Gleiwitz in jüngster Zeit eine große Bedeutung erlangt, indem es gleichsam den Mittelpunkt des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens bildet. Die Stadt selbst bietet wenig Merkwürdigkeiten; sie ist alt und von dem fortwährenden Steinkohlenrauche stark geschwärzt. Geschichtlich interessant dürfte ihre tapfere Vertheidigung gegen die Schweden im dreißigjährigen Kriege sein, wobei sich besonders die Frauen hervorgethan haben sollen. Diese kochten nämlich nach der Sage Hirsebrei

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_375.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)