verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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gebohrt, bei Uting Kiao. Sie fanden Gas, als sie tiefer bohrten, um die ausgestorbene Salzquelle wieder zu beleben, welches sie sofort zur Verdampfung des Wassers in ihren Steinsalzgruben zu verwenden wußten.
Der Franzose hat mit seinen Feuerquellbrunnen zunächst nur Paris im Auge; doch würden sie, da man von jedem Orte der Erde nach deren Mitte zu bohren kann, bald von aller Welt in Angriff genommen werden, da sie eine unerschöpfliche Quelle von Licht, Heizung und Regen umsonst liefern würden. Mit einer Million Francs, freiwillig gesteuert, meint er, würde der Angriff gegen das revolutionäre Reich Vulcan’s und Neptun’s, der Gnomen und Salamander, ausgeführt werden können. Die Bürgerschaft von Paris könnte das Gas für einen Centime per Cubikfuß verkaufen. Das gäbe 300 Francs in der Minute oder jährlich 158,420,000 Francs. So viel Steuerkraft steckt in der Erdrinde blos für eine einzige Stadt. Das ist noch nicht Alles. Da das Heiz- und Leuchtmaterial umsonst aus der unerschöpflichen Erdrinde quillt, kann man auch die Stadt damit besprengen und es regnen lassen, so oft es nöthig erscheint. Man läßt für solche Fälle das Gas nur eben ein Weilchen in die Luft strömen, zündet es dann an mit einem elektrischen Drachen, um das Feuer als Regen niederströmen zu lassen. Jeder Verbrennungsproceß bildet Wasser. „Ein schöner Regen,“ sagte er, „vollkommen geregelt nach dem Gasometer, würde die Stadt erquicken, die Gärten waschen und erfrischen, die Promenaden reinigen und die benachbarten Felder tränken.“ Hier bricht er in eine Salve patriotischen Enthusiasmus aus über das Privilegium von Paris, nach Belieben und mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung Regen zu träufeln und Sonnenschein zu machen über Gerechte und Ungerechte und über den Strom von Fürsten und Fremden, um diese Feuer- und Wasserwerke in Augenschein zu nehmen.
Letzteres ist patriotisch und lächerlich, aber die Sache selbst und zwar für alle Menschheit ist nicht unmöglich und wird sehr wahrscheinlich über Kurz oder Lang so üblich sein, wie die früher als unmöglich verspotteten Eisenbahnen, Dampfschiffe und Gasbeleuchtungsanstalten. Als Stephenson die erste Eisenbahn in England bauen wollte, rotteten sich die Bauern unter Anführung ihres Pfarrers zusammen, um den „Unsinn“ zu verhindern; alle englischen Zeitungen spotteten über den Narren, dessen Locomotive sich doppelt so schnell, als eine Postkutsche fortbewegen wolle, selbst die Techniker des Parlaments bezeichneten den Mann als einen „Irren“ und ein Lord des Oberhauses vermaß sich sogar den ersten Eisenbahnzug mit Haut und Haaren zu fressen. Und jetzt, kaum einige 30 Jahre später? So wird es immer mit den großen Erfindungen der Völker gehen!
Manchester ist die regnerischste Stadt, weil sie immerwährend unten viele Tausend Pferdekräfte von Feuer und Dampf erzeugt und Tag und Nacht unterhält. Regenstürme sind Folgen jedes Erdbebens. Künstliche Vesuve und Aetna’s unter den Händen tüchtiger Ingenieurs würden demnach mehr Wärme und Leben spenden in den eisigsten Regionen, als die Geisers auf Island, welche den Bewohnern heißes Wasch- und Kaffeewasser liefern. Was Paris kann, wird man auch auf Grönland versuchen, um den Nordpol aufzuthauen, und überall, wo Menschen Licht, Wärme, Regen und Sonnenschein brauchen.
Die einzige Schwierigkeit ist das Bohren. Das könnten wir aber von den Chinesen lernen, falls wir uns nicht zu gebildet dazu halten. Wenigstens wär’s besser, als sie durch Lüge und Mord und Brand zu Hyänen zu machen und dann mit christlichem Ingrimm auszurufen: „Müssen wir sie nun nicht erst recht morden?“
Wir haben mit Franklin’s Erfindung dem alten Donner- und Blitzgotte Zeus seine Donnerkeile aus der Hand gewunden, so daß wir hoffen dürfen, der Erde auch noch ihre launischen Ausbrüche zu nehmen und Feuer-, Licht- und Regenquellen nach Belieben daraus zu machen. Daß Viele mit Recht noch daran zweifeln mögen, sollte uns aber in unserm Wissenschafts- und Civilisationsstolze bescheidener machen, als viele Helden unserer Zeit sind. Wir können noch lange nicht Alles, was, im Ganzen und Großen genommen, doch noch eben so leicht als klein erscheint, und wissen noch lange nicht Alles, was täglich vor unsern Augen passirt und in wissenschaftlichen Büchern unter dem Titel bekannter Thatsachen und abgemachter Hypothesen als Baugrund für wissenschaftliche Renommisterei benutzt wird.
Originale. Einer der Generale Friedrich des Großen, ein Graf von Anhalt wurde, man weiß nicht aus welchem Grunde, von Berlin nach Bartenstein in Ostpreußen versetzt. Der General, an seinem neuen Bestimmungsorte angelangt, empfand bald die drückendste Langeweile, die kleine Garnisonstadt genügte ihm auf keine Weise. Er beschloß, koste was es wolle, sich eine Zerstreuung zu suchen. Eines Tages wanderte er durch die entfernten Gassen und bemerkte an einem Eckhause einen eigenthümlich gestalteten, sogenannten Prellstein. Es hatte dieser Stein die rohen Züge einer menschlichen Gestalt. Je länger der Graf den Stein betrachtet, desto gewisser wird es ihm, daß sich damit ein erfolgreicher und langandauernder Scherz ausführen lasse. Heimlich läßt er den Stein ausgraben und ihn an eine öde Stelle außerhalb der Stadt schaffen, wo er ihn einige Fuß tief unter die Erde einscharren läßt. Nach einiger Zeit stellt er unter Zuziehung des gelehrten Pfarrers und eines Lehrers an der Stadtschule Nachgrabungen nach Alterthümern an. Der Stein wird gefunden und der Graf stellt sich ausnehmend erfreut über den Fund an, erklärt auch sogleich, dies könne nichts anderes als die Statue des heiligen Bartholomäus sein, des Schutzheiligen von Bartenstein, und man müsse eilen, die Figur auf dem Marktplatze aufzustellen. Die beiden gelehrten Herren stimmen ihm bei, und es wird an den Fürstbischof von Ermeland geschrieben, der zwei Geistliche sendet, um das kostbare Denkmal der Vorzeit auf den ihm zugesicherten Ehrenplatz zu setzen. Die Stadt gibt die Kosten her und der Tag ist festgesetzt, wo unter großem Zudrange der Bevölkerung der Umgegend der heilige Bartholomäus auf das Postament gesetzt werden soll, das auf dem Markte, neben dem Brunnen, errichtet worden. Niemand ist glücklicher als der Graf, der jetzt einen vortrefflichen Spaß hat, indem er die Stadt und die Umgegend mystificirt. Aber ein einfacher Landmann, der des Weges daher kommt, zieht einen Strich durch die Rechnung. Als dieser die Figur sieht, ruft er aus:
„Ei, das ist ja der Schweinsbartel am Eck der rothen Tanne! ich kenn’ ihn gar gut!“
Die Versammelten wurden stutzig, man forschte, man sah nach, und die ganze ergötzliche Komödie kam an den Tag. Die Folge war, daß der Graf ein stark zurechtweisendes Schreiben aus Berlin erhielt, wo es ihm verboten wurde, sich ferner mit Alterthümern zu befassen. Der vom Bauer erkannte Prellstein, der „Schweinsbartel“, ward wieder an seine bescheidene Stelle gebracht. Aber der Graf empfand von dieser Zeit an eine lebhafte Neigung, seine lieben Mitbrüder zum Besten zu haben, sei es auf diese oder auf jene Weise. Es hatte gar zu viel Erheiterung verschafft, die Geschichte mit dem Schweinsbartel. Besonders machte es ihn stolz, daß sogar der gelehrte Büsching in seiner berühmten Erdbeschreibung den heiligen Bartholomäus auf dem Markte zu Bartenstein mit aufgenommen hatte. Er kam auf den Gedanken, eine Menge andere Alterthümer unter die Erde zu schaffen, wie verrostete Schlüssel, Ringe, unbrauchbares Küchengeschirr, dem ein künstlicher Rostüberzug gegeben worden und dergl. mehr, und diese Dinge, da er sich selbst nicht getraute eine Rolle dabei zu spielen, weil die Geschichte mit dem Prellstein allzu ruchbar geworden, ließ er durch seine Helfershelfer gelegentlich ausgraben, und hatte dann seinen wohlerworbenen Spaß, wenn die Gelehrten sich über die Entdeckungen stritten und ganze Ansammlungen davon nach Greifswald und noch weiter nach Kopenhagen und Stockholm gingen. Die scharfsinnigen Untersuchungen in den gelehrten Zeitschriften, der kleine Krieg der Alterthumsfreunde, der sich unvermeidlich bei der Erklärung und Deutung der interessanten Alterthümer entspann, machte ihm und dem kleinen Kreise seiner miteingeweihten Freunde unendliches Vergnügen, bis auch hier eine unwillkommene Entwickelung dem Spiele ein Ende machte und neue unangenehme Folgen für den humoristischen Antiquitäten-Fabrikanten entstanden. Jetzt kaufte er ein ziemlich weitläufiges Grundstück und legte auf demselben einen Garten nach einem eigenthümlichen Plane an. Der Hauptbestandtheil dieses Gartens war ein sogenanntes Labyrinth, aus dessen Gängen, wenn man nicht im Besitze des Schlüssels zu diesem Räthsel sich befand, es völlig unmöglich war, sich wieder herauszufinden, wenn man sich darinnen befand. Einst besuchte den Grafen eine Gesellschaft zu Mittag. Er führte sie in’s Labyrinth. Die Unglücklichen gehen in die Falle und irren umher, ohne den Ausgang zu finden. Unterdessen läutet die Glocke zum Mittagessen. Welch’ ein Pein! Man ist hungrig, man ist müde, und – es ist nicht möglich, aus den verwünschten Baumgängen und Taxuswänden hinauszugelangen. Kaum bietet sich ein breiter Gang, der in das Freie zu führen verspricht, so schiebt sich wie durch Zauberei eine Wand vor und von Neuem beginnt der jetzt schon in wilder Hast laufende Trupp die trostlose Wanderung. Dabei läutet die Mittagsglocke wiederholt. Endlich, nach mehreren Stunden, wo Hunger und Ermüdung auf’s Höchste gestiegen, erscheint ein Diener des Grafen und führt die Irrenden hinaus. Des Grafen Vergnügen läßt sich mit nichts vergleichen. Ein anderer Theil des Gartens zeigt einen runden Platz von kühlen Baumschatten umschlossen, der zum Ruhen einladet, doch kaum hat der Ermüdete auf der Bank Platz genommen, so schießen von allen Seiten feine Wasserstrahlen auf ihn zu und durchnässen ihn bis auf die Haut. Diese Kunststückchen hatten viel Geld gekostet, doch bot die Anlage des Gartens auch harmlose und auf’s Nützliche gehende Verschönerungen, die ihren Werth behielten selbst nach dem Tode des barocken Schöpfers. Der Hang zum Seltsamen lag in der Natur dieses Mannes, nur hatte er in seinem früheren Wirkungskreise keine Nahrung gefunden und keinen Raum, sich auszubreiten; die Langeweile im kleinen Garnisonstädtchen brachte sein Talent
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_363.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)