verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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gilt er als Deserteur und wird ohne Weiteres erschossen. Entgeht er Walker, so fällt er wohl den Chamorristas (der Gegenpartei) in die Hände, die ihn erschießen, weil er zu den Leuten Walkers gehörte. Entkommt er Beiden, so muß er das Land zu verlassen suchen und die Gefahren und Mühseligkeiten, die dabei zu bestehen, sind unbeschreiblich … Ich lag drei Monate im Hospitale, meist in Gesellschaft von hundert Leidensgefährten. Sie bilden die schrecklichste Zeit in meinem Leben. Viele Soldaten sterben lieber, ehe sie sich in das fürchterliche Hospital bringen lassen, und manche Kranke darin geben sich für genesen aus, um nur hinwegzukommen und irgendwo unter freiem Himmel sterben zu können … Eingeborene hat Walker gar nicht in seiner Armee. Seine Officiere sind meist betrunken. Er selbst ist fast gar nicht sichtbar. Von Lebensmitteln hat er nichts, als was geplündert wird. Als ich in die Armee eintrat, war ich ein kräftiger, gesunder Mann und wog 164 Pfund; als ich entflohen war und in Californien ankam, war ich ein Schatten meines früheren Selbst und wog noch 110 Pfd.“
Für die Verwundeten gab es ein Hospital auf der Insel Ometepe in dem See Nicaragua, weil sie so günstig gelegen, daß von allen Seiten her die Leidenden auf einem Dampfschiffe dahin befördert werden konnten. Von dem Dampfschiffe mußten die Verwundeten in ein Boot hinabgelassen werden, in dem man sie dann an’s Land setzte. „Die Leiden,“ sagt ein Augenzeuge, „welche die Verwundeten und Sterbenden ertragen mußten, während man sie von dem Verdeck des Schiffes in das Boot schaffte, waren grausenhaft, zumal sie nicht immer mit der erforderlichen Schonung und Sorgfalt behandelt wurden. Einige schrieen laut vor Schmerz, andere winselten und fluchten abwechselnd, nur wenige ertrugen was nicht zu ändern war in Schweigen. Am schlimmsten befanden sich immer die, welche von der Stadt Granada an den See hatten gehen und dann vierundzwanzig Stunden auf dem Verdeck des Schiffes, jeder Witterung ausgesetzt und ohne Nahrung liegen müssen. Drei bis vier waren meist auf der Ueberfahrt schon gestorben, blieben aber unter den anderen, den Sterbenden, liegen. Als Nahrung hatte man nichts als harten Schiffszwieback, den die Gesundesten kaum genießen konnten. Viele hatten seit mehreren Tagen nichts gegessen und mußten buchstäblich verhungern.“ Gelangte das Boot mit seiner schrecklichen Ladung endlich an die Insel, so trug man einen Verwundeten nach dem andern heraus und legte ihn zuerst am Ufer nieder. Waren alle gelandet, so trug oder führte man sie in das Dorf, in welchem sich das Hospital befand, das etwa zehn Minuten von der Küste lag und aus ungefähr 70 bis 100 Hütten aus Lehm und Rohr unter Orangen und andern herrlichen Bäumen bestand. Die Einwohner waren sämmtlich geflohen, sobald sie erfahren, daß Walker ein Hospital zu ihnen verlegen wollte, und so wurden denn die Kranken und Verwundeten in die verlassenen Häuser und Viehställe gelegt. Wie die Pflege der Unglücklichen gewesen sein mag, läßt sich nach dem Vorausgehenden leicht errathen. Sie lagen am feuchten und kalten Boden, in der Nacht ohne Licht. Einige, die ihre Glieder noch etwas regen konnten, von Durst und Hunger gequält wurden und trotz ihren Bitten und Rufen nichts erhielten, rafften sich wohl auf, um selbst etwas zu suchen. Draußen fielen sie häufig oder die Kräfte verließen sie und sie mußten sich niederlegen, wo sie sich eben befanden, so daß man bald in und neben dem Dorfe im Dunkeln nicht gehen konnte, ohne auf Todte oder Sterbende zu treten.“
An Mitteln, die Verwundeten vom Schlachtfelde wegzutragen, fehlte es ganz und gar; jeder mußte selbst dafür sorgen, wie er hinwegkomme, oder sich darein ergeben, wie er elendiglich unter freiem Himmel umkomme.
Nicht einmal odentlich begraben wurden die Todten. Meist blieben sie liegen, wo sie gestorben waren; nur wenige konnten auf Karren geladen und in eine Art Grab gelegt werden; denn die Eingebornen weigerten sich entweder hartnäckig, ein Grab graben zu helfen, oder noch häufiger, es fehlte an den nöthigen Werkzeugen, Spaten, Hacken und Schaufeln. Deshalb scharrte man meist nur eine Vertiefung von einen oder anderhalb Fuß, legte die Todten darein und streute ein wenig Erde über sie, die sie nur leicht bedeckte.
Zuletzt war Walker mit noch nicht 300 Mann – seine ganze Armee – in der Stadt Rivas eingeschlossen, welche von den Costa Ricanern belagert wurde. Sie hatten keine Lebensmittel mehr und bereits Pferde, Maulthiere, Hunde und Ratten gegessen. Da erschien, von der amerikanischen Regierung officiell abgesandt, der Capitain Davis von der Kriegsschaluppe St. Mary im Lager der Costa Ricaner und bestimmte den Befehlshaber derselben, General Mora, den Walker’schen Räubern und deren Führer freien Abzug unter der amerikanischen Flagge zu bewilligen. Nach der Capitulation sollte Walker Munition, Geschütz etc. überliefern; er gelobte dasselbe, brach aber nochmals sein Wort, indem er die Munition vernichten und die Kanonen vernageln ließ.
Trotzdem ließ man ihn ziehen. Er veröffentlichte zum Abschied einen Befehl, in dem er sagt, „seine Armee habe ein Blatt der amerikanischen Geschichte geschrieben,“ und das amerikanische Kriegsschiff brachte ihn mit den Seinen nach Neu-Orleans, wo er wie ein Triumphator, oder – da sein Unternehmen mißlungen – wie der Märtyrer einer großen heiligen Sache empfangen wurde.
Das Blatt der amerikanischen Geschichte aber, das er geschrieben, wird sein und seiner Helfershelfer Schande auf die Nachwelt bringen.
So stolz auch manche Gelehrte, und ihre Wagner’s besonders, auf unsere Wissenschaft und Civilisation überhaupt sein mögen, gibt es doch erst recht für Jeden, der da wirklich wissen möchte, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ (und was aus ihr werden würde, wenn sie am 13. Juni dieses Jahres „untergegangen wäre“) noch manche aschgraue Räthsel und herzverbrennendes Nichtwissen. Wie demüthigend ist es z. B. für den Maschinen- und retortenstolzen Sohn dieses Jahrhunderts, der aus den Steinschichten der Erdrinde die Geschichte unseres Globus bis auf hundert Millionen Jahre zurückliest, daß wir so gar nicht durch die dünne Eierschale der Erde (sie ist mehrere geographische Meilen dick, aber in Bezug auf ihre Größe doch nicht so stark, wie eine Birn- oder Eierschale) hindurchkommen können, um uns die inwendig aufgehäuften Schätze zu Nutze zu machen. Es ist so viel Feuer darin, daß nie ein Mensch zu frieren brauchte, so viel Leuchtgas, daß wir beinahe die Sonne entbehren könnten, so viel Wasser und Fruchtbarkeit, daß kein Hälmchen und kein Bauer auf Regen zu warten nöthig hätte. Die Erde hat inwendig nota bene fast immer zu viel von diesen Schätzen und entladet sich dieses Ueberflusses, wenn’s ihr zu arg wird, nicht blos durch die Paar Dutzend Sicherheitsventile, die Vulcane, sondern verschafft sich auch auf dem revolutionärsten Wege durch Erdbeben und dergleichen Oeffnung. Die bisherigen Sicherheitsventile dieses ungeheuern Dampfkessels reichen bei starkem Feuer inwendig nicht hin. Deshalb platzt er, bald hier und da, und wogt mit der Erdrinde, wie ein offenes Meer im Sturme. Es kommt dann zu viel Feuer auf einmal heraus, und da Feuer Wasser bildet, regnet es dazu oft wahre Sündfluthen. Wenn man nun künstliche Sicherheitsventile anbrächte, könnte man die ganze Erde nach Belieben und Bedürfniß erleuchten und bewässern. Ein Franzose hat nun neuerdings allen wissenschaftlichen Ernstes solche Sicherheitsventile für „den großen Hochdruckgasometer,“ unsere Erde, vorgeschlagen, artesische Feuerquellbrunnen, um durch diese das Gas aus dem Innern für Leucht- und Heiz- und Bewässerungszwecke abzuzapfen, worauf Kohlen, Coaks, Holz und Torf und das Geld dafür und die Schmutzerei damit gespart werden würde.
Zu diesem Zweck wäre es blos nothwendig, tief genug in den Harnisch unserer großen Feuerkugel einzubohren, nicht bis in’s Feuer selbst, sondern bis zu den Gasen, die sich über demselben in einer gewissen Tiefe der Erdrinde entwickeln. Die Chinesen, welche Jeder, der sie aus eigener Anschauung schilderte, als das friedlichste, gebildetste Volk lobt, und Jeder, der sie nicht kennt, Palmerston’s und constitutioneller Taschenspielerei wegen, als Barbaren, die bombardirt, belogen und betrogen werden müssen, darzustellen sucht, die Chinesen haben’s auch hierin am Weitesten oder Tiefsten gebracht. Sie haben den tiefsten artesischen Brunnen, 1033 Metres tief,
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_362.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)