verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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in den Lungen ausdampft, die Ernährung und Thätigkeit des Gehirns, gleich den betäubenden Giften. Er erzeugt zuerst die bekannten Symptome geistiger Aufregung, des Rausches, endlich aber bei höheren Graden von Betrunkensein Bewußtlosigkeit und Betäubung. Ja es kommt sogar vor, daß Personen während einer übermäßigen oder allzulange dauernden Berauschung rasch, fast schlagflußähnlich starben (d. i. die acute Weingeistvergiftung); dabei ist der Athem keuchend und röchelnd, das Gesicht bläulich roth und gedunsen. In solchen Rauschzuständen schwerer Art (Besoffenheit), die besonders dann schlimm ablaufen, wenn die Pupille sehr erweitert und gegen Licht unempfindlich ist, die Glieder schlaff sind und jeder Erweckungsversuch fruchtlos bleibt, sind zuvörderst die engen Kleider zu lösen, der Kopf hoch und kühl zu legen, und für frische Luft Sorge zu tragen; außerdem ist der Magen durch Erbrechen (mittels Kitzeln im Schlunde oder Brechmittel) oder von Seiten des Arztes durch die Magenpumpe zu entleeren. Gegen die Betäubung gebrauche man zuerst kalte Sturzbäder auf den Kopf und kalte Anspritzungen an Gesicht und Brust, sodann kalte Wasser- und Essigumschläge über den Kopf; man reiche starken schwarzen Kaffee und halte Salmiakgeist (englisches Riechsalz) vor die Nase. Nach Beseitigung der oben angegebenen gefährlichen Symptome bringe man den Betrunkenen in einem kühlen luftigen Zimmer mit erhöhtem Kopfe und Brustkasten zu Bette.
Führt die Trunksucht nicht plötzlich zum Tode, sondern ruft allmählich, unter reichlicher Bildung eines blassen schmierigen Fettes (besonders unter der Haut und im Bauche, in der Leber und am Herzen), Veränderungen einer Menge von wichtigen Organen (besonders des Magens, der Lunge, des Herzens und der Blutgefäße, der Leber, Nieren und des Gehirns) hervor und zieht den Tod durch Schlagfluß, Lungenentzündung und Lungenbrand, Herzzerreißung oder Wassersucht (besonders Bauchwassersucht in Folge von Leberverhärtung) nach sich, dann wird sie die chronische Säuferkrankheit genannt. In ihrem Verlaufe kann der sogen. Säuferwahnsinn zu öfteren Malen auftreten. – Die ersten krankhaften Erscheinungen bei der chronischen Säuferkrankheit äußern sich durch Verdauungsstörungen in Folge chronischen Magenkatarrhs: Appetitlosigkeit, Uebelkeit, saures Aufstoßen, Würgen und Erbrechen von wässerig-schleimiger Flüssigkeit im nüchternen Zustande; hierzu gesellt sich später Sodbrennen, Magenschmerz und selbst Blutbrechen. Die Haut, oft juckend, wird nach und nach schmutzig fahl, widernatürlich fettig-glänzend oder rauh und spröde; auf Wangen und Nase bilden sich bläulichrothe Gefäßnetze und Blüthen verschiedener Größe (die Gesichtssinne). Die Miene des gedunsenen Gesichtes ist beim Säufer verstört und wild oder schläfrig und mürrisch; das Ergriffensein des Gefäß- und Athmungsapparates gibt sich durch Herzklopfen, große Unruhe, Husten mit zähem Auswurfe, rauhe Stimme und Heiserkeit, beschwerliches Athmen (asthmatische Anfälle) zu erkennen. Daß das Gehirn- und Nervensystem, auf welches ja der Weingeist stets am ersten und heftigsten feindlich einwirkt, nicht ungestört in seiner Ernährung und Thätigkeit bleibt, ist wohl selbstverständlich. Das Ergriffensein des Hirn-Nervensystems äußert sich zuerst durch die den Trunkfälligen eigenthümliche sittliche Entartung, bald mehr als Wildheit, Rohheit, Streitsucht und Zornmüthigkeit, bald mehr als Mißmuth, Unentschlossenheit, Trägheit und Unordentlichkeit. Dann findet sich Muskelschwäche und Zittern, besonders des Morgens im nüchternen Zustande ein (d. i. das Säuferzittern), so daß der Kranke solange geistig und körperlich geschäftsunfähig ist, bis er seine gewohnte Portion Weingeist in sich hat. Nach und nach stellen sich immer mehr und mehr Störungen in den Bewegungen und Empfindungen ein, Sinnestäuschungen gesellen sich dazu und es kommt zu periodischen Anfällen des
Säufer- oder Zitterwahnsinns (delirium tremens). Es bricht derselbe bisweilen plötzlich durch irgend eine zufällige Veranlassung (in Folge einer Gemüthsbewegung, Verletzung, Erkältung u. s. w.) aus, manchmal aber nach und nach unter Vorangehen der eben genannten Nervenstörungen (Unruhe, Aengstlichkeit, Zittern, Schlaflosigkeit). Der Kranke zeigt außerordentliche Unruhe und Beweglichkeit, ängstliche Hast in Allem, was er vornimmt; er ist schlaflos oder schläft einen unruhigen Schlaf mit schreckhaften Träumen; er wird von Sinnestäuschungen (Hallucinationen) arg heimgesucht, denn er glaubt selbst im wachen Zustande kleine Thiere, Mäuse, Katzen, Schlangen, Spinnen u. dgl. zu sehen, hört allerlei Stimmen und Lärmen, hat sonderbare Geschmäcke und Gerüche und phantasirt von Dieben oder Gespenstern, von Reisen, Fliehen und von Furcht vor Strafe. Der Kranke ist sehr redselig, aber meist nicht boshaft, nur selten tobend und mit Neigung zum Zertrümmern; er schwatzt und lärmt; er antwortet selbst auf manche Fragen richtig, sogar mit Witz, meist mit lallender stammelnder Zunge und zitternden Lippen; er kennt bisweilen die Umgebung, beachtet sie aber auch dann nur wenig. Der Gesichtsausdruck ist bald ängstlich und furchtsam, bald dem Blödsinn ähnelnd, bald die höchste Sorglosigkeit und Fröhlichkeit ausdrückend, lachend, fast wie bei dem Wahnsinne; die Augen gläsern, schwimmend, leicht geröthet und in steter Bewegung. – Die Dauer eines solchen Wahnsinnanfalles ist kurz; er endet entweder in 3 bis 4 Tagen durch einen tiefen ruhigen Schlaf, worauf der Kranke keine Erinnerung mehr an das im Anfalle Vorgefallene hat, oder er zieht ein tödtliches Leiden eines der lebenswichtigen Organe, besonders der Lunge und des Gehirns, nach sich und führt so zum Tode, nicht selten auch zum Selbstmorde. Das delirium tremens kehrt gern nach einem kürzeren oder längeren Zeitraume zurück und wird in diesen Rückfällen immer heftiger und gefährlicher. Sehr ungünstige Zeichen sind: völlige Schlaflosigkeit, heftige Angst und Todesfurcht, sehr starkes Zittern, Furcht vor dem Hinfallen, Schielen, Lähmungen. – Die Behandlung des Säuferwahnsinns verlangt vor Allem Beruhigung des Kranken und deshalb ist Opium hier ein kaum zu entbehrendes Heilmittel. Uebrigens lasse man den Kranken ohne direkte Zwangsmittel und ohne viel Hin- und Herreden sich austoben und beschränke sich auf stete Beaufsichtigung desselben. Man entferne von ihm alle Sinnesreize (besonders helles Licht) und Alles, was seine Phantasie anregen könnte.
Was nun die Behandlung der chronischen Säuferkrankheit betrifft, so kann diese ohne alle Arzneien geschehen, Patient ist aber freilich an strenge Enthaltsamkeit von spirituösen Getränken und an regelmäßiges reizloses Essen zu gewöhnen. Anstatt der Spirituosen können leichte (bittere) Biere und Kaffee empfohlen werden; geregelte Bewegung (Turnen, Fußreisen), kräftiges und öfteres Einathmen frischer Luft und häufiges Reinigen der Haut (Bäder) beschleunigen die Herstellung. Zur Erzielung des nöthigen ruhigen Schlafes ist das Opium bisweilen ganz unentbehrlich. – Zur Abgewöhnung des Branntweingenusses hat man ekelerregende Mittel (Brechweinstein oder Ipecacuanha) in kleinen Mengen in den Branntwein gemischt, oder alle Speisen und Getränke mit Branntwein versetzt. Selten haben noch diese Methoden geholfen, öfter dagegen der feste Wille des Trinkers, das Trinken zu lassen. Freilich dürfte dieser wohl nicht bei Solchen gefunden werden, welche so denken, wie einer meiner Patienten, der im Delirium zu seiner Entschuldigung sagte: „wenn die Natur zum Saufen mich erschuf, was kann ich machen?“
An dem westlichen Ufer des Euphrat, da wo jetzt nur noch ein öder Flecken mit Namen „Hillah“ trauert, erhob und dehnte sich einst die Hauptstadt des alten blühenden Chaldäer-Reichs: Babylon mit einem Königspalaste von anderthalb Meilen im Umfang mit Mauern von 300 Fuß Höhe, und dem noch großartigeren Bel-Tempel, dessen berühmter „babylonischer Thurm“ in acht verjüngten Stockwerken mit äußerlich umlaufenden Rampen und Ruhebänken 600 Fuß hoch, höher als je ein Bauwerk der Erde, in das goldene Gemach des Licht- und Himmelsgottes emporstieg. Da oben wohnte er, der Gott des Landes, Chambre garni mit einem goldenen Altare, goldener Bettstelle u. s. w. und ließ sich zuweilen schöne Töchter von der dunkeln Erde unten, die alle der zweiten Gottheit, der Mylitta, mit Aufopferung ihres Magdthums zu opfern verpflichtet waren, heraufkommen. In untern Etagen saß der Gott in massiven, kolossalen Bildern von Gold auf goldenem Throne, die Füße auf goldenem Schemel vor einem goldenen Altare,
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_345.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)