verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Gewohnheit, aber hier in der Vogtei ist es insofern anders, als nicht passende Sprüche auf die betreffende Persönlichkeit angewendet werden, sondern ganz allgemeine kurze Verschen, die aber leider nur zu oft alles Gefühl verletzen.
Dieses Gesundheittrinken mit den üblichen Liedern unter den jungen Leuten ist ein untrüglicher Gradmesser der geistigen Fähigkeiten. Bis in das Innerste empört, vernahm ich die verschiedenen „Gesundheiten“, die aber meist abermals auf eine Zweideutigkeit hinausliefen. Die Illusion für den geistigen Zustand der Vogteier war verschwunden.
Für den fünften Tag wählen wir einen Wochentag im Winter. Mit Mühe haben wir uns nach der Vogtei geschleppt, da bedeutende Windwehen in den Thälern eine ungeheure Menge Schnee aufgethürmt haben. Durch die dicke winterliche Luft steigt der Rauch der Schornsteine auf und bildet, in das Thal eingeengt, eine noch dickere, einer Gewitterwolke ähnliche Wolke. Der Schnee pfeift unter unsern Schritten, die Kälte macht uns wortkarg, die Jugend der Vogtei aber, männlichen und weiblichen Geschlechts, tummelt sich munter an dem Abhang des Berges herum, um mit Hitschen, Kähnen und Schlitten das beschwerliche Emporklettern durch eine ganz kurze Fahrt zu versüßen. Es ist ein reizendes Bild voll Leben und Kraft! In dem Dorfe ist es ruhiger, die Leute, die uns begegnen, eilen hurtig durch die Straßen. Chormäntel bei den Frauen und Mädchen und Blusen über die langen Gehröcke bei den Männern, auch manchmal ein Mantel, doch stets eine Pelzmütze auf dem Kopf, ist die Losung der Tracht.
Aus einem Hause schallt Lust und Gesang, wir treten näher, denn das ist es, was mir noch zu erwähnen bleibt. Es ist eine Spinnstube („Spennstubben“), eine Menge Mädchen sitzen hinter ihrem Spinnrad und lassen es fleißig drehen, wenn eben nicht der Bursche, der fast überall dahinter steht, durch Erzählen von Schnurren, Fabeln, Geschichtchen die Aufmerksamkeit zu sehr fesselt. Solche Erzählungen wechseln mit gemeinschaftlichem Gesang von Liedern, wie:
Ei, du schöne Sommerblume,
Du hast mir mein Herz genumme,
Du liegst mir in meinem Sinn,
Wie die Wurst im Kümmel drin. u. s. w.
Mehr dergleichen anzuführen, wird Niemand verlangen, wenn ich sage, daß auch hier sich immer ein sehr niedriger geistiger Standpunkt herausstellt. Die Spinnstuben wechseln unter den einmal sich zusammen gefunden habenden Leutchen, und boten früher förmlich ein Charakterbild, dem sich öfters der Pastor und Lehrer oder ein älterer Bauer als Erzähler beigesellte. Die Berathung über das Wohl des Dorfes lag viel mit in den Spinnstuben. Jetzt ist es mit diesem Charakterbild vorbei, die Spinnstuben sind zu halb und halb genehmigten Stelldichein geworden.
Niemals ist „Wassersucht“ eine Krankheit, am allerwenigsten eine Krankheit, die vom vielen Wassertrinken herrührt, stets ist sie nur eine Krankheits-Erscheinung, die noch dazu eine Menge der verschiedenartigsten, ebenso gefährlichen wie ungefährlichen Krankheiten ganz verschiedener Organe, wie: des Herzens, der Lunge, der Leber, der Nieren, des Blutes u. s. w., begleiten kann. Deshalb darf man, besonders aber der Arzt, auch nicht sagen: „jener Patient leidet an der Wassersucht“, sondern „er ist wassersüchtig in Folge dieser oder jener Krankheit“. – Freilich ist es sehr bequem für einen Heilkünstler, wenn er nicht weiß, was eigentlich ein Wassersüchtiger für ein Leiden hat, die Wassersucht selbst als das Leiden zu bezeichnen. Dazu braucht man aber wahrlich keinen medicinischen Verstand, wohl aber zur Ergründung der Ursache dieser Krankheitserscheinung.
Wassersucht wird von den Aerzten die krankhafte Ansammlung einer wässrigen Flüssigkeit ebensowohl in dem Gewebe der Organe (Oedem), wie in den Höhlen unseres Körpers (freie Wassersucht) genannt. Es stammt diese wasserhelle, wässrige Flüssigkeit, die übrigens manchmal in ganz enormer Menge (bis zu fünfzig Pfund) vorhanden sein und den ganzen Körper aufschwellen kann, stets aus dem Blute und zwar aus den feinern Blutgefäßchen, tritt bald schnell, bald langsam aus diesen aus, und besteht allerdings zum allergrößten Theile aus Wasser, enthält aber in Auflösung stets auch noch einige Antheile von anderen Bestandtheilen des Blutes (wie Salze, Eiweiß, Fett etc.). Sie bleibt entweder für immer unverändert, zumal wenn die Ursache der Wassersucht ein unheilbares Leiden eines der edleren Organe ist, oder sie wird ganz oder theilweise aufgesogen und wieder in das Blut zurückgeschafft, oder es bilden sich bei ihrem längeren Verweilen allmählich Fettkügelchen und Krystalle in derselben.
Daß eine bedeutendere Wasseransammlung im Körper an Stellen, wo sie nicht hingehört, Beschwerden und Störungen veranlassen wird, ist wohl natürlich. Die meisten Wassersuchten geben sich durch eine schon äußerlich am Körper wahrnehmbare Aufschwellung zu erkennen, die beim Beklopfen einen leeren (d. h. luftleeren, dumpfen) Ton hören und bisweilen, wenn die Spannung nicht zu stark ist, ein Schwappen (Fluctuation) fühlen läßt. Da wo in der Nähe des Wassers beweglich angeheftete Organe befindlich sind, werden diese durch das Wasser von ihrer Stelle verschoben, während unverschiebbare weiche Theile vom Wasser zusammengedrückt werden. So entstehen denn durch die Spannung, den Druck und die Verschiebungen, welche das Wasser veranlaßt, die mannigfachsten Störungen in der Ernährung, Empfindung und Thätigkeit verschiedener Organe.
Wenn also Wassersucht ein Symptom von vielen, sehr verschiedenartigen Entartungen ganz verschiedener Theile unseres Körpers ist, so versteht es sich wohl von selbst, daß über den Verlauf, den Ausgang und die Behandlung der Wassersucht im Allgemeinen gar nicht gesprochen werden kann und darf, sondern daß jeder einzelne Fall von Wassersucht seine besondere Beurtheilung verlangt. So verhält sich die Sache nicht blos dann, wenn der größere Theil (die untere Hälfte) des Körpers wassersüchtig geschwollen ist, sondern auch in allen Fällen, wo sich Wasser nur an einer kleinern Stelle, in einer einzelnen Höhle, angesammelt hat. Es ist deshalb ein Zeichen von Unwissenschaftlichkeit sonder Gleichen, wenn in homöopathischen Heilmittellehren Mittel gegen Brust-, Bauch-, Herzbeutel-, Kopf-, Haut- und andere Wassersuchten angegeben werden. Doch wer sucht und findet aber auch bei der Homöopathie, bei dieser Laienblödsinnsmedicin, nur eine Spur von Wissenschaftlichkeit?
Schließlich sei noch erklärt, daß es eine Brust- und Herzbeutelwassersucht, die viele Laien, ja sogar auch manche Aerzte, Personen andichten, die an starken Athmungsbeschwerden (Asthma) leiden, gar nicht gibt. Allerdings kann sich auch widernatürlich viel Wasser in den Brustfellen und im Herzbeutel ansammeln, allein dies ist in der Regel nur dann der Fall, wenn die Theile unterhalb der Brust, also der Bauch und die Beine, schon stark wassersüchtig angeschwollen sind, so daß also obige Wassersuchten nur der allgemeinen Wassersucht angehören und nicht für sich bestehen.
Weder eine Krankheit, noch eine Krankheits-Erscheinung ist die Trunksucht, d. i. der anhaltende und zur Gewohnheit gewordene Genuß größerer Mengen stark-geistigen Getränkes, sondern ein schwer zu bekämpfendes Laster, welches Krankheit erzeugt, indem es anfangs auf einzelne Organe (Magen, Leber, Herz, Lunge, Gehirn), endlich aber auf das Blut und durch dieses auf die Ernährung des ganzen Körpers feindselig einwirkt. Besonders ruft der zu reichliche oder zu häufige Genuß von fuseligem Branntwein, bei Sorge und Noth, bei wenig und schlechter Nahrung, schlechter Wohnung und Kleidung gefährliche Krankheitszustände hervor.
Der beim Genusse spirituöser Getränke in den Magen gelangte Weingeist (Alcohol, Spiritus) tritt, nachdem er den Magen widernatürlich gereizt und in feurige Röthe versetzt hat, in den Blutstrom ein und stört von hier aus, wenn er nicht etwa vorher
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_344.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)