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Seite:Die Gartenlaube (1857) 337.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

No. 25. 1857.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen.   Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Eine Lebens-Versicherung.
Aus den Papieren eines Berliner Advocaten.
(Fortsetzung.)

Die Vermuthung lag nahe, daß das silberne Schachspiel eingeschmolzen und auf diese Weise die Möglichkeit der Entdeckung vereitelt war. Vielleicht verhielt es sich in ähnlicher Weise mit dem brabanter Kronthaler. Was den sogenannten Sterbethaler anlangte, so konnte derselbe längst verausgabt sein und sich in zehnter Hand befinden, ohne bei einem der zeitigen Besitzer eine besondere Aufmerksamkeit zu erregen, wenn derselbe nicht zufällig ein Numismatiker war. Diese Thaler haben nämlich die Besonderheit, daß sie in einer Abbreviatur der Jahreszahl und der Münzstätte Berlin (für welche das Zeichen A. üblich ist) das Datum des Sterbetages Friedrich des Großen enthalten, nämlich in dieser Form: 17. A. 86. (17. August 1786).

Inzwischen hatten die gerichtlichen Medicinalbeamten die chemische Analyse bewirkt, und sich in einem umständlichen Gutachten, welches den Gang des beobachteten Verfahrens mit größter Genauigkeit angab, übereinstimmend dahin erklärt, daß die chemische Untersuchung keine Spuren eines im Körper vorhandenen Giftstoffes nachgewiesen habe.

So waren drei Wochen nach dem Tode des Kriegsraths verflossen, ohne daß es gelungen war, der Sache durch neue Ermittellungen näher zu treten.

Eines Sonntags saß der Agent niedergeschlagen bei mir, um mir die Erfolglosigkeit seiner Anstrengungen zu berichten, als die Thür aufging und mein alter Freund, Mr. Pirrie, zu meiner freudigen Ueberraschung in Person eintrat. Nachdem er mir mit Herzlichkeit die Hand geschüttelt, begann er sogleich, zu mir und dem Agenten gewendet:

„Es ist nichts ermittelt worden?“

Wir zuckten mit den Achseln.

„Ich kann es mir denken,“ fuhr er in seiner gelassenen Weise fort, „der alte Bursche hat die Sache fein genug eingefädelt.“

„Wie meinen Sie das?“ fragte ich, einigermaßen von dieser Auffassung überrascht. Der Agent hörte mit Spannung zu.

„Die Sache ist die,“ entgegnete Mr. Pirrie mit immer gleicher Gelassenheit, „daß man nicht wie ich zwanzigjährige Erfahrungen auf diesem Gebiete gemacht haben muß, um nicht instinctmäßig zu fühlen, was für eine Bewandtniß es mit diesem Todesfalle hat.“

„Sie sind also überzeugt –?“ warf der Agent ein.

„Ueberzeugt –? Never mind – was ist da zu sagen! Wir werden sehen. Hat sich ein Prätendent zur Versicherungssumme gemeldet?“

„Niemand.“

„Giebt es nicht mehrere Gerichtsbehörden am Orte, bei denen Testamente niedergelegt werden können?“

„Allerdings; aber nirgends befindet sich ein Testament des Verstorbenen.“

„Es ist nach Ihren Landesgesetzen unverwehrt, bei jeder Gerichtsbehörde des Landes sein Testament niederzulegen?“

„Allerdings.“

Mein Freund hatte sich erhoben, und war eine Zeit lang überlegend im Zimmer auf- und abgegangen.

„Ist es Ihnen recht,“ begann er wieder, „uns nach der Wohnung des Kriegsraths zu begleiten?“

Ich erklärte mich sofort bereit, bemerkte jedoch, daß der mit den Recherchen in dieser Sache speciell betraute Polizeibeamte die Schlüssel zur Wohnung besitze.

„Er erwartet uns schon,“ lautete die Antwort, „gehen wir!“

Mr. Pirrie hatte sich sofort nach seiner Ankunft zu dem betreffenden Polizeibeamten begeben, mit diesem bereits ausführlich verhandelt und den Eifer desselben durch die Aussicht auf eine bedeutende Belohnung auf’s Neue belebt. Wir trafen ihn, unser harrend, vor dem Hause, und begaben uns gemeinschaftlich in die Sterbewohnung. Mit einer Genauigkeit, deren Tendenz uns nicht ganz klar wurde, nahm der englische Anwalt alle Einzelnheiten der Wohnungsräume, in denen nichts verändert worden war, in Augenschein, untersuchte mit besonderer Sorgfalt die Dielen, den Ofen und den Kamin in der Küche, und ließ sich nochmals genau beschreiben, in welcher Lage der Todte gefunden worden war. Mit einem mitgebrachten Zollstabe maß er sodann die Entfernung des Bettes vom Boden.

„Sie sind von dem Resultat der chemischen Analyse unterrichtet?“ fragte ich, zu ihm tretend.

„Dies Resultat war vorherzusehen,“ antwortete er.

„Zweifeln Sie an der Richtigkeit desselben?“

„Das will ich nicht sagen. Aber ich war sicher, daß er sich nicht vergiftet hat. Wenigstens,“ setzte er hinzu, „was man so vergiften nennt. Verdammt schlauer Bursche das!“

„Ich fürchte,“ begann der Agent, „es wird uns nur ein Mittel übrig bleiben.“

„Und das wäre?“

„Die Frist abzuwarten, innerhalb deren der Anspruch auf die Versicherungssumme erlischt, wenn die rechtzeitige Meldung nicht erfolgt.“

„I beg pardon, Mr. Wichert,“ fiel der Anwalt ein, „Sie

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_337.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)