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Seite:Die Gartenlaube (1857) 334.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Vielmehr wich sie scheu vor ihm aus, sobald er ihr nahen wollte. Das fiel uns auf, und schon vermutheten wir, daß hier ein Fremdling eingedrungen sein müsse, als unsere Vermuthung zur Gewißheit wurde.

Schnell, wie ein Pfeil, sahen wir einen andern Storch auf das Nest zueilen, und als bei dessen Ankunft jener dasselbe verließ, folgte er ihm auf dem Fuße nach. Zornig bliesen sich seine Halsfedern auf, als er neben seinem Gegner auf der Wiese stand, und mit schnellen Schritten zog er gegen ihn los, mit den Flügeln ihn peitschend. War dieser von Natur dem beleidigten Feind an Kraft nicht gewachsen, oder raubte ihm das Schuldbewußtsein dieselbe, genug er setzte sich nicht zur Gegenwehr, sondern beschränkte sich darauf, die hageldicht fallenden Hiebe seines Gegners mit dem Flügel zu pariren.

Plötzlich ließ er denselben sinken und rückwärts hüpfend suchte er den weiteren Angriffen durch die Flucht zu entgehen. Noch ein paar derbe Schläge ertheilte ihm der andere, dann erhob er sich stolz als Sieger in die Luft und eilte in mächtigen Bogen an die Seite der geängstigten Gattin.

Wir aber liefen dem armen Schächer, der mit zerschlagenem Flügel für seine Liebeslust büßen mußte und vielleicht aus Schwäche und Schmerz den Kampfplatz nicht verließ, zu Hülfe und trieben ihn langsam vor uns her nach dem Hofe. Es verging einige Zeit, ehe er sich wieder erholte, sein Flügel ward aber nicht wieder gesund, traurig mußte er ihn neben sich her schleppen. Den Sommer über lebte er, wie es schien, bis auf den lahmen Fittig wohl und munter unter dem übrigen Federvieh, als aber der Herbst kam und die Nester auf den Scheunen wieder leer wurden, da mochte doch die Sehnsucht nach dem Süden und die gänzliche Verlassenheit mit Gewalt über ihn kommen. Eines Morgens fanden wir ihn im Stalle als Leiche. Die Frauen beweinten seinen Tod als einen an gebrochenem Herzen, die Männer nannten es Heimweh.




Streifereien in Nord- und Südamerika.
Aus den Tagebüchern eines früheren schleswig-holsteinischen Hauptmanns.
Mitgetheilt von Julius v. Wickede.
III.

Das Treiben in Francisco zu schildern, wäre eine sehr schwere Arbeit und doch wieder in mancher Hinsicht eine sehr leichte. Geld zu verdienen, nur recht viel Geld zu verdienen in möglichst kurzer Zeit, ist das einzige Streben der 40–50,000 Einwohner aus allen möglichen Ländern des Erdballes, die in dieser wunderlichen Stadt versammelt sind. Dabei herrscht eine Regsamkeit und ein Unternehmungsgeist im Vorwärtsstreben, leider aber auch im Schwindeln und in der Gewissenlosigkeit, in der Anwendung aller nur möglichen[WS 1] Mittel, daß selbst New-York, welches doch sonst in dieser Hinsicht viel leistet, hierin zurückbleiben muß.

Was hier übrigens Alles in der größten Schnelligkeit entsteht, ist wunderbar, und Sachen, zu denen man in Deutschland lange Monate gebraucht, wurden in Wochen, ja selbst Tagen ausgeführt. So waren noch nicht zwei Monate nach der großen Feuersbrunst vergangen, als die abgebrannten Quartiere glänzender und solider wie vorher, wieder aufgebaut dastanden und man kaum noch Spuren des Brandes bemerkte. Jetzt ward auch der Verdienst mit dem Ziegelsteinfahren etwas geringer, und zuletzt wollte man mir nur noch sechs Dollars für die Fuhre geben. Das behagte mir nicht, und da auch San Francisco nicht das geringste Anziehende für mich hatte, so beschloß ich, mich mehr in das Innere des Landes, in die eigentlichen Golddistricte, die Californien auf so schnelle Weise berühmt gemacht haben, zu begeben. Eigentlicher Goldgräber wollte ich nicht werden, sondern auch dort als Fuhrmann oder Handlanger mir Geld zu verdienen suchen. Mein Gespann in Francisco verkaufte ich für den gleichen Einkaufspreis, den es mir gekostet hatte, und verließ die Stadt nach fast dreimonatlicher Anwesenheit in derselben, fast mit 400 Dollars mehr im Vermögen, als ich dahin gebracht. Dabei hatte ich, wie auch mein Hansen, materiell recht gut gelebt, und täglich zwei sehr reichliche warme Mahlzeiten, außerdem zum Frühstück noch Thee mit Zucker zu mir genommen. Eine feste Wohnung hatten wir Beide in dieser ganzen Zeit niemals gehabt, sondern stets unter dem Plandache meines Wagens, den wir als Zelt brauchten, gelebt. Einige dicke wollene Decken bildeten für uns abgehärtete Naturen ein treffliches Bett, während der Tränkeimer der Pferde uns zugleich als Waschbecken dienen mußte. Die Nahrung nahmen wir in einem Gasthofe ein, kochten oder brieten uns aber auch oft einige Gerichte an einem Feuer neben unserem Wagen, den wir alsdann auf freiem Felde unweit der Stadt hinfuhren. So sparten wir die Kosten für die ebenso schlechten wie theuren Quartiere; denn unter sechs Dollars wöchentlicher Miethe konnte man auch die elendeste Kammer, die oft schlechter war, wie bei uns in Deutschland ein Hundestall, nicht zur Schlafstelle bekommen, und war dann noch allen möglichen Betrügereien und Unannehmlichkeiten ausgesetzt.

Um mir das Leben in den Goldminen etwas näher anzusehen, besuchte ich zuerst den Sacramento-Fluß und die umliegenden Gegenden. Ein merkwürdiges Treiben herrscht in diesen Golddistricten, und obgleich ich für alles Gold, welches schon in ihnen entdeckt worden ist, nicht mein ganzes Leben daselbst zubringen möchte, so ist ein Besuch derselben doch ungemein interessant. Aus der ganzen Welt sind die Goldsucher hier vereinigt, jedes Land, jeder Stand hat sein Contingent dazu gestellt. Jeder frühere Rang, jede Nationalität hört hier völlig auf; die Erde zu durchwühlen, das Gold in möglichster Eile aus derselben loszukratzen und dann den Ort wieder zu verlassen, ist das Bestreben Aller. Was man hier für Originale sieht, welche Masse der verschiedensten Charaktere man auf engem Raum zusammengedrängt findet, ist wirklich oft wunderbar. Dabei ist das Goldgraben, so schwer die Arbeit auch ist, wirklich eine Art Hasardspiel, denn es ist fast unmöglich, mit nur einiger Gewißheit vorher zu bestimmen, welchen Ertrag die Grabungen geben werden.

Ich habe mit meinem Hansen vier Wochen lang täglich an zwölf Stunden ununterbrochen in einer Grube gearbeitet, und wir gewannen in dieser ganzen Zeit kaum für achtzig Dollars Gold, so daß wir unsern Lebensunterhalt nicht damit bestreiten konnten. Unmittelbar neben uns arbeitete eine Gesellschaft, die aus einem Deutschen, ehemaligem Schauspieler, einem stets halb betrunkenen holländischen Dragoner-Corporal und einem preußischen Candidaten der Theologie bestand, und diese waren so glücklich, in einer einzigen Woche über 2000 Dollars zu gewinnen. Der Holländer vertrank seinen Antheil in wenigen Wochen, der Schauspieler verbrachte denselben mit einer sehr hübschen, aber eben so liederlichen Französin, die sich in den Minen umhertrieb; der Theologe hielt ihn aber fest und ging nach San Francisco, wo er einen Wurstladen etablirte. Als ich Californien verließ, ging sein Geschäft sehr gut und er hatte die Aussicht, in drei bis vier Jahren ein wohlhabender Mann zu sein. So wie er das geworden, wollte er dies Land verlassen und sich im Thüringischen ein kleines Landgut kaufen. Dies war seine einzige Hoffnung. So geht es hier aber stets bei diesen Goldgräbern. Manche gewinnen viel und vergeuden das Gewonnene nur zu bald wieder im Spiele und Trunk und nur Einzelne sind so vernünftig, das Gold, welches sie verdient haben, auch sicher zu behalten. Lange hier den Goldgräber bei schwerer Arbeit und geringem oder doch wenigstens sehr unsicherem Verdienst zu machen, fühlte ich aber nicht die geringste Neigung. Nachdem ich einige Wochen in den Minen gearbeitet, und mir überhaupt alle Verhältnisse in denselben recht genau angesehen hatte, ging ich wieder zurück und kaufte mir vier starke Maulesel, nahm einen Mexicaner als Treiber an, und transportirte Mehl, Fleisch und andere Gegenstände von Sacramento-City in die Golddistricte. Das Geschäft, mit mancherlei Mühseligkeiten, ja selbst Gefahren verbunden, war in pecuniärer Hinsicht ganz einträglich. Drei oder vier Touren hatte ich wohl erst gemacht, so konnte ich die Zahl meiner Thiere schon verdoppeln, ja allmählich selbst verdreifachen, so daß ich zuletzt zwölf Maulesel und zwei recht gute Reitpferde besaß, und drei mexicanische Knechte und zwei Deutsche, von denen der eine ein früherer schleswig-holsteinischer, der andere aber

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: möglilichen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_334.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)