verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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ein Freihändler und Kosmopolit in unsern Himmelsgegenden, und mit dem dunkeln Gefühl des Ingrimms: „der Freiheit eine Gasse!“ stürzt er sich darauf, um dem Flusse sein Joch abzunehmen. In demselben Augenblicke stürzt sich der vergiftete Donnerkeil herab in sein fettes Fleisch, und er wüthet schmerzvoll den Fluß entlang. Aber das Gift wirkt schnell, und er ist bald erschöpft, so daß ihm die Leute ohne Gegenwehr die Zähne aus- und das Fell abziehen können. –
Das ist die Jagd der List. Die der Kunst und Gewalt wird in Egypten und Centralafrika auch noch häufig geübt. Man schießt das Flußpferd von kleinen, flachen Booten aus mit Harpunen oder Kugeln. Trifft man aber nicht tödtlich und ist nicht sehr geschickt und flink im Ausweichen und Fliehen, so erhebt sich das gereizte Ungeheuer, das in der Regel kaum sichtbar im Wasser schwimmt, da es blos mit einem Theil der Stirn und den stieren Augen daraus hervorragt, wie ein Berg im Wasser, schlägt das Boot mit einem Ruck des Kopfes nieder, und tritt hernach so lange mit den plumpen Füßen darauf, bis es zertrümmert ist oder die Jäger ertrunken oder durch Stöße theils zerquetscht, theils ertränkt sind. Eine andere Art von Jagdlist auf trocknem Wege oder vielmehr feuchtem Schilfboden am Ufer besteht darin, daß man die Flußpferde, wenn sie mit Familie in dem dicken, oft baumhohen Schilfe schlafen, beschleicht und sie schießt. Dazu gehört aber außer geräuschloser Schleichkunst im Schilfe die feinste „Witterung“, die verwegenste Courage und die fabelhafteste Schnelligkeit im Fliehen. Das Flußpferd, das den rauschendsten Sturm im Schilfe als natürlich unbeachtet läßt, wacht beim leisesten künstlichen Gesäusel auf und stürzt sich sofort durch das stärkste, dickste Schilf auf den Feind, um ihn, wenn er in Schlagweite kommt, mit einem einzigen Ruck oder Stoß der Schnauze mit zerbrochenen Knochen niederzuwerfen, worauf das wüthende Thier ihn noch mit Schilf und Schlamm in einen einzigen Brei zusammenstampft. Aber diese Art professioneller Jäger sind auch so geschmeidig und flink, daß sie fliehend sich auf das Blitzartigste durch das Schilf im Zickzack davon winden, so daß die grimmige Thierlast diesen verschiedenen Winkeln und Kreuzungen nicht schnell genug folgen kann.
Nr. 1.
Es möchte Manchem der Leser wohl unbekannt sein, daß auch Pflanzen die Fähigkeit besitzen, gewisse Bewegungen vorzunehmen, und doch ist dies fast bei Allen der Fall. Freilich gehen diese Erscheinungen bei der Mehrzahl der Gewächse so allmählich und unmerklich vor sich, daß sie nur bei sorgfältiger Beobachtung wahrzunehmen sind, doch ist die Zahl von Pflanzen nicht gering, welche entweder regelmäßig, oder durch außergewöhnliche Umstände veranlaßt sehr deutliche, oft plötzliche Bewegungen zeigen. Gewiß wird es jedem Freund der Natur und ihres Lebens interessant sein, etwas Näheres über diese Vorgänge zu erfahren; gar manche Pflanze, welche er früher unbeachtet gelassen, wird seine Aufmerksamkeit fesseln, wenn er durch kleine, stets gelingende Versuche mit derselben sich und Andere von der Wahrheit der Thatsachen überzeugen kann, welche wir ihm mitzutheilen gedenken. Um den Gegenstand unserer Besprechung nicht ganz oberflächlich zu behandeln, sind wir genöthigt, einige Worte über gewöhnliche alltäglich vor dem Auge des Lesers sich ereignende Vorgänge den außergewöhnlichen voranzuschicken, und von einer Bewegungserscheinung zu sprechen, welche allen Pflanzen eigenthümlich ist, die
Wir wissen, daß die Wurzeln nach abwärts steigen, der Stengel sich perpendiculär nach oben erhebt, und die Blätter eine horizontale Richtung annehmen. Nehmen wir eine Pflanze, deren Wurzeln bereits entwickelt sind, und pflanzen wir sie mit den Aesten in den Boden, so erleiden die Wurzeln bald eine Krümmung, biegen nach unten und dringen wieder in den Boden. Die Ursachen, warum dies so und nicht anders vor sich gehen kann, zu ermitteln, war jedoch keine so leichte Aufgabe, als es auf den ersten Anblick erscheint. Früher glaubte man, daß dieses Verhalten durch das Licht bedingt sei, bis ein entscheidender Versuch es widerlegte; lassen wir nämlich Pflanzen auf einem leinenen Tuche keimen, welches über ein Glas ausgespannt ist, so entwickeln sich die Wurzeln, trotzdem sie dem Lichte ausgesetzt sind, ganz vollkommen und wachsen nach unten. Man nahm nun die Schwerkraft zu Hülfe; doch kann auch diese allein nicht in Betracht gezogen werden, da Pflanzen, welche in einer Schale zum Keimen gebracht wurden, deren Boden mit Quecksilber bedeckt war, ihre Wurzeln ziemlich tief in dasselbe senkten. Wäre die Schwerkraft allein maßgebend, so würden die Wurzeln den Widerstand des Quecksilbers nicht zu überwinden vermögen. Knight erwarb sich das Verdienst, eine genügendere Erklärung zu liefern. Er ließ Bohnen in feuchtem Moose keimen, welches auf einem in raschem Umschwunge begriffenen Rade befestigt war, und ermittelte durch diesen Versuch, daß die Richtung der Wurzel durch die Veränderungen bedingt würde, welche das rasche Wachsthum der Wurzelspitze in Bezug auf die Schwerkraft hervorbringe. Im jugendlichen Zustande besitzt die Wurzel ein weit schnelleres Wachsthum, als der Stengel, der Schwerpunkt der ganzen Pflanze fällt daher in die Richtung der Wurzelspitze; in späterer Zeit ist ganz das Umgekehrte der Fall, die Wurzel bleibt gegen den Stengel im Wachsthum zurück. Dutrochet entdeckte noch einen weiteren Grund in der verschiedenen Spannung und Ausdehnungsfähigkeit des Zellgewebes von Wurzel und Stengel; bringt man eine Lamelle von beiden in Wasser, so erfolgt sehr bald eine Krümmung; die Wurzellamelle verfolgt jedoch die entgegengesetzte Richtung von der des Stengels.
Bei der Eichenmistel und einigen andern Schmarotzerpflanzen wachsen die Wurzeln allerdings auch nach oben; diese Ausnahme findet jedoch in dem Umstande ihre Erklärung, daß die Funktionen dieser Wurzeln an das Licht gebunden sind.
Auf die Richtung, welche Stengel und Blätter einschlagen, übt das Licht einen überwiegenden Einfluß; der Stengel steigt nur dann vollkommen perpendiculär in die Höhe, wenn er von allen Seiten gleichmäßig beleuchtet wird; ist dies nicht der Fall, so wächst die Pflanze stets der Seite zu, von welcher sie das meiste Licht erhält. Bringt man eine Pflanze in ein unvollkommen beleuchtetes Zimmer, so sehen wir den Stengel verschiedene Drehungen und Biegungen beschreiben, um die beleuchteten Stellen zu erreichen. Sehr leicht kann man sich von dieser Angabe bei der Begonie, einer bekannten Topfpflanze mit krautigem Stengel, überzeugen; ihr Stengel ist stets nach der Seite des Fensters zu gebogen; dreht man den Topf auf die andere Seite, so findet man am folgenden Tag den Stengel ganz aufrecht, nach einigen Tagen neigt er schon auffällig der seiner früheren entgegengesetzten Richtung zu.
Die obere und die untere Seite der Blätter besitzen einen ganz verschiedenen anatomischen Bau, und spielen demgemäß verschiedene Rollen bei der Ernährung und Respiration der Pflanzen. Biegen wir ein Blatt um und befestigen es in dieser verkehrten Lage, so werden wir während der Tageshelle ein deutliches Bestreben desselben wahrnehmen, in die normale Richtung zurückzukehren. Erhalten wir das Blatt in der verkehrten Lage, so stirbt es nach ein bis zwei Tagen ab; es ist nicht im Stande, den Schein der Sonne auf die untere Seite zu ertragen. Die Oberseite hingegen leidet selbst unter der stärksten Sonnenhitze nicht; höchstens tritt eine rinnenförmige Faltung des Blattes ein. Ziehen wir den Zweig einer Pflanze in der Weise nach unten, daß die Unterseite der Blätter dem Sonnenlichte ausgesetzt ist, und befestigen ihn in dieser Stellung, so tritt eine Drehung des Blattstieles ein, welche die obere Seite wieder dem Lichte zuwendet. Bringen wir eine Pflanze in vollkommene Dunkelheit, so behalten die Blätter jede willkürliche Lage, welche wir ihnen geben, bei; aber schon der geringste Lichtreiz, wie der einiger Kerzen, ruft die Bewegung der Blätter hervor, sie kehren in ihre normale Richtung zurück. Tauchen wir einen Zweig unter Wasser, und drehen alsdann die Blätter um, so genügt ebenfalls eine schwache Beleuchtung, um die Rückkehr derselben in die ursprüngliche Lage zu bewirken. Die Bewegungsfähigkeit der
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_330.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)