verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Thüringer auf ein Flibustierschiff, welches dem berüchtigten Walker in Centralamerika Waffen und Munition zuführen sollte. Die Ladung der Barke wurde in St. Domingo mit Beschlag belegt, der Capitain verhaftet. Beck engagirte sich auf einer amerikanischen Brigg als Steward und kehrte nach allerhand Fahrten nach New-York zurück. Hier faßte ihn das Heimweh mit unwiderstehlicher Gewalt. Vier Wochen später schwamm er auf dem mächtigen Dampfer Fulton über den atlantischen Ocean, und kehrte durch Frankreich nach der Heimath zurück, wo man ihm überall mit der lebhaftesten Theilnahme an seinen Fahrten und Abenteuern begegnet. – Beck ist gegenwärtig 29 Jahre alt, und hat ganz den thüringischen Typus. Der Aufenthalt in Amerika hat in keiner Weise die Biederkeit und Aufrichtigkeit seines Wesens beeinträchtigt. Wohin er auch kommt, um zur Theilnahme an seinem Unternehmen (die Beschreibung seiner Abenteuer) einzuladen, macht sein bescheidenes und doch sicheres Auftreten eine gute Wirkung, und voraussichtlich wird er einen guten Erfolg haben.
Die unterseeische Telegraphenlinie zwischen Europa und Amerika.
Jetzt, wo der Augenblick so nahe ist, in dem das großartigste
Unternehmen unseres Zeitalters begonnen werden soll, jetzt wo
alle nur irgend erforderlichen Anstalten getroffen und alle die mit unsäglicher
Mühe construirten Apparate hergestellt sind, dürfte es wohl
an der Zeit sein, einen tieferen Blick in die Sache selbst zu werfen und alle
darauf bezüglichen Facta zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, da wohl
anzunehmen ist, daß dieselben z. Z. nur Wenigen klar vor Augen stehen.
Schon ist der erste Schritt zur Ausführung des riesigen Planes gethan,
der Vereinigte-Staaten-Kriegsdampfer „Niagara“ verließ am 20. April
d. J. New-York, um in England die Rolle zu empfangen, welche er bei
der Verbindung der Ufer Europa’s und Amerika’s durch ein Telegraphentau
zu spielen hat. Er wird in diesem wichtigen Werke von zwei englischen
Kriegsdampfern und der Vereinigten-Staaten-Dampffregatte „Susquehanna“
unterstützt werden, welche letztere zu dem Behuf eigens von ihrem Dienst
im mittelländischen Meere abberufen ist. Man nimmt an, daß nach
Verlauf zweier Monate, von der Abreise des „Niagara“ gerechnet, das ganze
Werk vollbracht und eine directe, augenblickliche und dauernde Communication
zwischen der alten und neuen Welt hergestellt sein wird.
Der erste Plan zu diesem Riesenwerke wurde zuerst in Amerika vor ungefähr vier Jahren von einer kleinen Gesellschaft New-Yorker Capitalisten gefaßt. Sie haben seitdem allen Anfechtungen standhaft Trotz geboten und selbst den entmuthigendsten Gegenbeweisen ihren festen Entschluß, das Werk zu wagen, entgegengesetzt. Von Vielen wurde die Herstellung einer telegraphischen Verbindung zwischen beiden Welttheilen als eine reine Unmöglichkeit betrachtet, und man bedauerte die armen Herren, deren „tollkühnes“ Unternehmen nur in einer vollständigen Niederlage und bedeutendem Geldverlust endigen konnte, aber die New-York-Newfoundland- und London-Telegraphen-Compagnie war aus Männern zusammengesetzt, die sich durch solche Befürchtungen nicht zurückschrecken ließen und die, einmal von der Ausführbarkeit ihres Vorhabens überzeugt, es mit einem Eifer und Ernst unternahmen, der durch keine Hindernisse irgend welcher Art überwältigt werden konnte. Sie schlossen, daß, wenn ein unterseeischer Telegraph zwischen England und Frankreich zu Stande gebracht wurde, mit den passenden Mitteln und Erleichterungen dasselbe zwischen Europa und Amerika geschehen könne, und diese Mittel und Erleichterungen wurden ihnen vollständig zur Disposition gestellt. Es kann nicht geleugnet werden, daß ihr Werk ein mühsames ist, aber so viele, vorher gänzlich bezweifelte Unternehmungen sind zum Ruhm ihrer Ausführer vollendet worden, daß man auch von dem gegenwärtigen Plane vollkommenes Gelingen erwarten darf. Die Namen der Männer, welche die Ausführung so kräftig in die Hand genommen haben, sind: Peter Cooper, Präsident, Moses Taylor, Schatzmeister, Samuel B. S. Morse, Telegraphist, und dann als Directoren wieder: Peter Cooper, Moses Taylor, Cyrus W. Field und Marshall O. Roberts. Vor ungefähr drei Jahren erhielten diese Herren vom Gouvernement Newfoundlands eine Urkunde, welche ihnen das ausschließliche Privilegium des Anlegens eines Telegraphen auf dieser Insel und in einem der angrenzenden Wässer zusicherte. Ferner wurde ihnen die Verwendung von 25,000 Dollars Staatsgeldern zur Verfügung gestellt, wofür sie einen geebneten Weg über den südlichen Theil der Insel anlegen sollten, welchen man zur Regulirung und Reparirung der Linie für unumgänglich nöthig hielt; dazu überließ man ihnen die Interessen von 250,000 Dollars auf zwanzig Jahr und schenkte ihnen fünfzig Quadratmeilen Land, welches sie sich in irgend einer Richtung aussuchen durften. Da ihnen schon früher Freibriefe vom Gouvernement von „Prinz Edwardinsel“ und New-Brunswick ertheilt wurden, so war die vollständige Linie für den beabsichtigten Telegraphen hergestellt. Ende vorigen Jahres legte man die Taue zwischen genannten Punkten, in der St. Lorenz-Bai und vom Cap Ray zum Cap North, die streckenweise Verbindung zu Lande wurde schon vor zwei Jahren vollendet. So weit war die Compagnie glücklich gewesen, aber bevor nicht das Tau zwischen New-Foundland und Irland gelegt war, konnte man ihr Werk nicht als gethan betrachten. Durch Vermittelung von Cyrus W. Field, eines der zwei Directoren, ist der volle Betrag von 350,000 Pf. Sterl. subscribirt worden und zwar in Theilen von je 5000 Pf. Sterl.; davon kommen auf London 101, auf Amerika 88, auf Liverpool 86, auf Glasgow 37, Manchester 28 und der Rest auf das übrige England. Die englische Regierung hat sich bereitwillig erklärt, 4 Procent vom Capital für Beförderung ihrer aus- und eingehenden Depeschen zu zahlen, noch extra mit der Bestimmung, daß, im Falle sich der eigentliche Betrag nach dem Tarif höher belaufen sollte, sie den Betrag nachvergüten würde. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird einen ähnlichen Contract eingehen und jedes Gouvernement hat zwei Dampfer zur Legung des Taues durch den Atlantischen Ocean ausgefertigt, wie bereits oben erwähnt ist. – Die Verfertiger des Taues haben sich verbindlich gemacht, dasselbe in vollkommener Ordnung und sofort zur Benutzung fähig in die Hände der New-York-Newfoundland- und London-Telegraphen-Compagnie niederzulegen.
Man denkt, daß in zwei Monaten das Unternehmen vollständig zu Ende geführt sein wird. Um dies zu bezwecken, werden die Schiffe jeder Nation 1250 Meilen Tau an Bord nehmen und sich nach dem Punkte des Oceans begeben, welcher die Hälfte der äußersten Entfernung zwischen Newfoundland und Irland bildet. Jedes Schiff, welches das Tau führt, begleitet ein zweites Fahrzeug unter der Flagge seiner Nation, um ihm nöthigenfalls beizustehen. Die Entfernung zwischen der Bucht von Valencia und Newfoundland ist nur 1600 Meilen; dennoch wird das zu versenkende Tau eine Länge von 2500 Meilen haben, um den Unebenheiten des Bodens und den von Wind und Strömungen herrührenden Abweichungen zu genügen.
Ein Hausmittel. Der berühmte Mathematiker William Hutton
wurde von den schlichten Landleuten seiner Nachbarschaft wenn auch nicht
gerade für einen Zauberer, so doch für einen Mann gehalten, der
in allen Fällen Rath schaffen könne, und sie wandten sich daher oft
mit den wunderlichsten Anliegen an seine stets bereite Dienstfertigkeit. So
ließ sich eines Tages eine wackere Bauersfrau bei ihm melden und erzählte
ihm mit geheimnißvoller Miene, daß ihr Mann sich gar nicht mehr gut
gegen sie benähme, fremde Gesellschaft suche und die Abende meist außer
Hause zubringe, was sie recht unglücklich mache. Da sie nun Herrn Hutton
als einen sehr gelehrten Mann kenne, hätte sie geglaubt, er werde ihr
wohl irgend ein Mittel angeben können, ihren Mann wieder herumzubringen.
Der Fall war gerade kein ungewöhnlicher und der Mathematiker
glaubte dafür verschreiben zu können, ohne seinen Ruf als Wundermann in
Gefahr zu bringen. „Das Mittel ist sehr einfach,“ sagte er, „hat aber meines
Wissens seine Wirkung noch nie verfehlt: zeigen Sie Ihrem
Manne immer ein freundliches Lächeln.“ Die Bäuerin dankte,
knixte und ging. Einige Monate später kam sie wieder zu Hutton und
brachte ein Paar schöne Hühner, die sie ihn bat anzunehmen. Mit Thränen
der Freude und Dankbarkeit in den Augen erzählte sie ihm, daß sie sein
Mittel angewendet habe und ihr Mann richtig curirt sei: er suche jetzt keinen
fremden Umgang mehr, bliebe meist immer zu Hause und behandle sie
mit unwandelbarer Liebe und Güte.
Diesem einen wohlberechneten Hausmittel des großen Mathematikers möge gleich ein zweites folgen, das er einem jungen Ehepaare mit in die Wirthschaft gab. Mißverständnisse und Zwist niemals aufkommen zu lassen, meinte er, sei ein unerfüllbares und daher albernes Verlangen, dagegen aber sollten sie sich das Wort geben, nie Beide zugleich in Zorn zu gerathen, durch welchen einfache Uebereinkommen sie alle schlimmen Folgen derartiger Vorkommnisse auf’s sicherste abwendeten.
Disciplin. Ein komisches Beispiel glücklich angewandter Theorie ereignete
sich kürzlich auf einer der königlichen Kriegswerften an der Themse. Der
Superintendent oder Director jener großen Anstalt – ein vortrefflicher
Mann, der nur die Schwäche hat, das ganze Heil von der buchstäblichsten
Befolgung aller Dienstvorschriften abhängig zu wähnen – kam eines Morgens,
als er sich eiligen Schrittes nach seinem Bureau begab, an einer der
Schildwachen vorbei. Plötzlich blieb er, wandte sich nach dem tapfern Beschützer
des königlichen Bauhofes und frug ihn, warum er ihn nicht angerufen
oder, in militairischer Sprache, „gestellt“ habe. Vergebens erklärte
der Soldat, daß er den Herrn Superintendenten wohl kenne; dieser ergriff
begierig die Gelegenheit, sich auf sein Steckenpferd zu schwingen, schärfte
ihm nachdrücklichst seine Pflicht ein, Jedermann, der sich ihm nahe, ohne
Ansehen der Person sofort zu stellen, und gerieth endlich über sein Lieblingsthema
so in Hitze, daß er rief: „Stellen Sie Alle! Stellen sie mich,
Herr!“ „Nach Befehl,“ erwiderte der gelehrige Schüler, fällte sein Gewehr
und sagte: „Ich stelle Sie – die Parole, Herr!“ Zum Unglück war dem
wackern Superintendenten während seines eifrigen Vortrags über die Pflichten
eines Postens die Parole selbst gänzlich entfallen; er konnte sich schlechterdings
nicht darauf besinnen, und wurde daher, seiner eigenen Theorie
gemäß, in’s Schilderhäuschen gesteckt, wogegen er auch nicht zu protestiren
wagte. Hier bekam er bald eine zweite Gelegenheit, sich an dem Erfolg
seines Unterrichtes zu erbauen. Ein vorbeigehender Polizeidiener erkannte
ihn und frug ganz entrüstet den Soldaten, wie er denn so dumm sein
könnte, den Herrn Superintendenten zu arretiren; allein die einzige Antwort
der Schildwache war der barsche Ruf: „Halt! die Parole!“ Der
Polizeidiener, dem bisher seine Uniform Ausweis genug gewesen war, um
ungehindert an allen Posten vorbeizugehen, hatte nicht daran gedacht,
sich nach der Parole zu erkundigen, und erfreute sich im nächsten Augenblick
der Ehre, dem etwas nachdenklich gewordenen Disciplineiferer im
Schilderhäuschen Gesellschaft zu leisten, aus welcher lächerlichen Situation
beide erst beim Ablösen des Postens befreit wurden.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_324.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)