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Seite:Die Gartenlaube (1857) 314.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Verdienste zu sprechen, es ist nur von seiner Popularität die Rede, die er sich in einem seltenen Grade zu erwerben verstand. Sein eitler und hochmüthiger Zeitgenosse Gottsched ist vergessen, während Gellert noch seine Verehrer und Freunde hat, während seine Fabeln noch in unsern Tagen neu aufgelegt worden sind. Es ist demnach eine dankbare Aufgabe für einen Künstler, das Bild dieses Mannes, in der charakteristischen Gestalt, in der er auf die Nachwelt übergegangen, dem Publicum zu übergeben. Herr Knaur[WS 1], ein junger Bildhauer in Leipzig, hat dies gethan, wie uns dünkt, in höchst gelungener Weise.

Der Schreiber dieser Zeilen sah in dem Atelier des Künstlers eine Statuette, die er auf Wunsch eines Kunstfreundes mit großer Liebe für seinen Gegenstand gefertigt hatte, und die den Dichter darstellt, wie er in religiöser Contemplation versenkt, die Blicke nach Oben gerichtet, die Hände im Schooß gefaltet, in einer halb schreitenden aufrechten Stellung dasteht. Blick und Gebehrde sind einfach und wahr, der Ausdruck ungesucht und mit tiefer Innerlichkeit der Situation angepaßt, mit einem Wort, es ist ein bedeutendes, erhabenes und erfreuendes Bild, und wäre dieser brave, junge Künstler nicht bereits durch andere Arbeiten schon ehrenvoll bekannt, diese Statuette Gellerts müßte ihn in Ruf bringen. Leider ist die schöne Arbeit wenig außerhalb Leipzig bekannt. Es scheint sich an den Namen Gellert das anspruchlose und sich in Dunkel verbergende Verdienst, wie an seinen Patron zu knüpfen; doch erfüllt hier der Berichterstatter gern den Beruf, das Schöne und Gelungene, wo er es findet, an’s Licht zu ziehen. Die Statuette kann deshalb besonders eine gelungene Arbeit genannt werden, weil wir aus unserer frühesten Erinnerung uns den beliebten Mann so zu deuten gewohnt sind, wie er hier vor uns steht. Es hat dazu ein aus dem Leben gegriffener Zug dem Künstler als Motiv gedient.

Gellert war mehre Jahre hindurch Stubennachbar des Mannes gewesen, dessen Sohn bei dem Künstler sein Bild bestellt hat. Wie er es aber dem Knaben oftmals erzählt, war er, durch die dünne Bretterwand lauschend, öfters Zeuge gewesen, wie Gellert, in frommen Morgenbetrachtungen versenkt, und halblaut vor sich hin ein Gebet sprechend, in der Stube auf- und abgeschritten sei. Nach diesen Mittheilungen ward Stellung und Miene gemalt, und der geistvoll durch feine, charakteristische Züge belebte Kopf zeigt nichts von süßlicher Sentimentalität, wohl aber den tiefen Ernst und das gläubige Sinnen eines in sich vollendeten und abgeschlossenen frommen Denkers. Besondere ist die Wendung des Kopfes schön, und es war dabei mehr als eine Schwierigkeit zu besiegen, unter denen die hauptsächlichste gewiß die ist, in der Aufrichtung des Blicks nach oben die richtige Grenze zu beobachten zwischen Exaltation und contemplativer Ruhe.

Gellert durfte nicht als Schwärmer, nicht als Fanatiker bezeichnet werden, es hätte seinen Charakter völlig mißverstehen geheißen, wenn man aus ihm einen Schwärmer oder gar einen Frömmler gemacht. Dabei ist das Seelenvolle, das innerlich Bewegte in den freien Linien des ein wenig geöffneten Mundes als quöllen die Segensworte eben über die Lippen, nicht vergessen. Die Kleidung ist die einfache Gelehrtentracht der damaligen Zeit, doch sind auch hier die Linien mit Feinheit behandelt, so daß das Steife, Geregelte jener für die Sculptur nicht sehr günstigen Gewandung bestmöglichst vermieden ist. Die Figur ist schlank und fast schwebend, ohne dabei dürftig oder dürr zu sein. Bekanntlich war Gellert sehr mager und schrumpfte in den letzten Lebensjahren fast zur Mumie zusammen.

Der Künstler hat, ohne dabei die Fingerzeige, die ihm die Natur gegeben, zu übersehen, eine glückliche Mitte gehalten zwischen einem schlanken und einem abgemagerten Körper. Man sieht dieser Gestalt an, daß es ein Stubengelehrter, daß er kränklich war, und dennoch ist kein das Auge beleidigendes Merkmal der Krankheit oder des Verkommenseins gegeben: der Geist hat seinen Hauch mildernd über die Leiden des Körpers ausgegossen.

Wer den alten ehrlichen Leipziger Professor lieb hat, der wird gern sein Bild auf den Schreibtisch stellen, wenn ein guter Bronzeabguß im Handel wird vorhanden sein, und wer auch von dem Manne, seinem Dichten und Leben nichts oder wenig weiß, hat an dieser Statuette doch eine schöne, mit inniger Seelenwärme gearbeitete Dichtergestalt. Unter den Heroen des deutschen Parnasses wird er eine bescheidene, aber nicht die letzte Stelle einnehmen. Der Künstler jedoch, der dieses Gebild schaffen konnte, darf in unserer Mitte kein Fremder sein, er hat an der Lösung dieser einen Aufgabe gezeigt, daß ächt deutsches Leben, ächt deutsche Einfachheit und Demuthswärme seine schöpferische Kraft beseelt.




Die Handwerkernoth,
ihr Grund und die Mittel zu ihrer Hebung.
Von Schulze-Delitzsch.
Nr. 3.

Haben wir im Vorigen die Unmöglichkeit einer Rückkehr zur alten Zunftverfassung mit dem, was ihr anhängt, dargethan, indem wir dabei möglichst den eigenen Vorstellungskreis der Handwerker inne zu halten suchten, so ist es nun an der Zeit, uns zu einem höheren Standpunkte zu erheben, und die Forderungen der Handwerker hinsichtlich ihrer Gerechtigkeit zu prüfen, ihre Rückwirkung auf die wirthschaftlichen Zustände des ganzen Volkes, auf das Wohlbefinden aller Classen der Gesellschaft, in das Auge zu fassen.

Es kann nun aber selbstredend in volkswirthschaftlicher Hinsicht die Thätigkeit der Handwerker und das, was ihnen dafür gebürt, keinem andern Maßstabe unterliegen, wie die Thätigkeit aller andern Arbeiter, welchem Fache sie auch angehören, eben weil jeder Unterschied hier, jede Bevorzugung der einen Classe vor der andern, eine Ungerechtigkeit wäre. Dieser einzig gerechte, für alle gleiche Maßstab, wonach sich der Preis jeder Arbeit bestimmt, ist aber der Werth derselben für die menschliche Gesellschaft.

Um hier einer Menge vorgefaßter Meinungen und nichtiger Ansprüche von vornherein entgegenzutreten, wird es nothwendig, der Sache einmal auf den Grund zu gehen, und eine anscheinende Abschweifung nicht zu scheuen, welche allein im Stande ist, uns zum Ziele zu führen.

Das Dasein der Menschen ist an vielfache Bedürfnisse geknüpft. Um diese zu befriedigen, wird eine zahllose Menge von Dingen erfordert, welche zu unserer materiellen Existenz entweder nothwendig oder nützlich oder angenehm sind. Diese Dinge herzustellen, ist die Aufgabe der menschlichen Arbeit, und nur in dem Grade, in welchem sie diesen Zweck erfüllt, hat die Arbeit überhaupt einen Werth für die Gesellschaft.

So gelangen wir zu einem höchst wichtigen Satz, der, so selbstverständlich und einfach er an sich erscheint, doch so häufig verkannt wird, daß sich daraus die meisten Verkehrtheiten auf dem vorliegenden Gebiete ableiten lassen.

Es kann nämlich nach dem Gesagten, wenn man als den unbestritten einzigen Zweck der Arbeit die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse festhält, niemals darauf ankommen, ob Jemand überhaupt thätig ist, sondern nur darauf, was er mit seiner Thätigkeit wirklich schafft: auf das Resultat der Arbeit also, nicht auf den Act des Arbeitens. Denn nur die Producte der Arbeit dienen zur Befriedigung unserer Bedürfnisse, nicht das bloße Beschäftigtsein Jemandes an sich. Dadurch z. B. daß der Bäcker seinen Ofen heizt, den Teig knetet u. s. w., mit einem Worte: daß er arbeitet, wird noch Niemand satt, sondern nur erst durch das Brod, das er liefert, das Endergebniß, das Product seiner Arbeit. Daß Jemand also nicht müßig gehe, seine Kräfte übe, etwas lerne u. s. w., mag für ihn, als Einzelnen, von Nutzen und Interesse sein, aber für die Gesellschaft hat es keinen Werth, weil durch eine solche Thätigkeit Nichts geschafft wird, was zum Gebrauche eines Andern dient. Nur dann, wenn ein Dritter das Erzeugniß des Arbeiters für seinen Bedarf in Anspruch nimmt, hat der Arbeiter das Recht auf eine Gegenleistung, auf Lohn, und nur bei einem solchen Austausch von Leistung und Gegenleistung kann von einem Werthe der Arbeit die Rede sein.

Die Dinge, die Jemand fertigt, müssen tauschbar sein, es muß sie ein Anderer haben wollen, es muß Etwas im Verkehr dafür zu erhalten sein, darum dreht sich die ganze Sache. Wer also mit allem seinen Thun überhaupt gar Nichts hervorbringt,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_314.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)