verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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von Dr. Franz Doebereiner.
Die Eigenschaften, worauf die Anwendung des Wasserglases in den Künsten und Gewerben, so wie in der Hauswirthschast beruht, sind folgende:
1. Das geschmolzene Wasserglas bildet eine vollkommen glasartige Masse, welche bei reinem Kaliglas durchaus farblos erscheint, bei natronhaltigem Wasserglas aber in Masse schwach bläulich ist; aber auch letztere zeigt sich bei dünnen Lagen vollkommen farblos. Es ist wie gewöhnliches Glas spröde und zu einem schneeweißen Pulver zerreibbar.
2. Im geschmolzenen Zustand hat das Wasserglas keinen Geschmack, weil es im Wasser und in der Speichelflüssigkeit unlöslich ist; fein gepulvert zeigt es auf der Zunge nach längerer Zeit einen ganz schwachen, laugenhaften Geschmack. Als Pulver ist es beim langdauernden Kochen im Wasser löslich; dieses kann je nach der Menge des im Wasserglas enthaltenen Natrons oder Kalis 1/6 bis 1/3, selbst die Hälfte von der ganzen Glasmasse lösen.
3. Die Lösung des geschmolzenen Wasserglases oder die durch Kochen der Kieselerde mit Lauge erhaltene Flüssigkeit ist bei reinen Materialien vollkommen farblos, verursacht, zwischen Finger gerieben, wie eine schwache Lauge ein fettiges Gefühl, und hat einen laugenartigen Geschmack, dessen Intensität von der Menge des ungebundenen Kalis oder Natrons abhängig ist.
4. Die Lösung irgend eines Wasserglases, in dünnen Lagen auf Gegenstände von Holz, Glas, Metall oder feste Körper, die nicht zur Kategorie der unten bei 6. und 7. angedeuteten gehören, gestrichen, trocknet sehr bald zu einem farblosen, glasglänzenden Ueberzug ein, welcher in gewöhnlichem Wasser und Seifenwasser unauflöslich, für Luftarten und Dämpfe undurchdringlich und bei einer hohen Temperatur zwar schmelzbar ist, aber doch in einer vollkommen dichten, dünnen Schicht auf den erhitzten Gegenständen haften bleibt.
5. Die Wasserglaslösung läßt sich mit Farbenmaterialien, die nicht zu der Kategorie der unter 6. und 7. angedeuteten Körper gehören, wie Oel, Firniß oder Lack zu homogenen breiigen Massen anreiben, welche sich mit dem Pinsel ausstreichen lassen und auf den damit überzogenen Gegenständen zu einer festen, nicht abreib- oder abwaschbaren Decke eintrocknen, die den besonderen Ton des Farbmateriales und etwas Glanz besitzt. Letzterer läßt sich durch Ueberstreichen von einer Wasserglaslösung wesentlich erhöhen und in manchen Fällen bis zum Glasglanz steigern. Eine derartige farbige Decke ist wie die des reinen Wasserglases für Luftarten, Dämpfe und Feuchtigkeit undurchdringlich, erleidet aber bei hoher Temperatur in den meisten Fällen eine Veränderung der Farbe, indem ein Bestandtheil oder das ganze Farbmaterial mit dem Wasserglas zu einem mehrfach zusammengesetzten Salz zusammentritt. Farbmaterialien aus rein organischen Stoffen oder mit solchen sind meist für die Verarbeitung mit Wasserglas nicht geeignet, indem ihre organische Grundlage durch das Kali oder Natron wesentlich verändert und gewöhnlich eine Braunfärbung veranlaßt wird.
6. Die Wasserglaslösung wird durch alle Salze mit alkalisch erdiger, rein erdiger oder metallischer Grundlage zersetzt und zwar augenblicklich, wenn diese in Wasser löslich sind, hingegen langsam, wenn jene Salze sich nicht in Wasser lösen können. Es tritt hierbei die Säure des Salzes mit dem Kali oder Natron des Wasserglases zu dem entsprechenden Salz zusammen, während sich die Kieselerde mit der basischen Grundlage des in Zersetzung übergegangenen Salzes zu einem unlöslichen kieselsauren Salz verbindet. In manchen Fällen und besonders bei einem Ueberschuß von Wasserglas wird das neu gebildete kieselsaure Salz von einem Theil unzersetzten Wasserglases zu einem unlöslichen Doppelsalz gebunden.
In diesem Verhalten zeigt das Wasserglas vollkommene Analogie mit der Seife; diese zersetzt genau dieselben Salze, indem ein lösliches Kali- oder Natronsalz entsteht und die Fettsäure oder Oelsäure mit der basischen Grundlage des zugesetzten Salzes eine unlösliche salzartige Verbindung bildet. Wir sehen derartige unlösliche Verbindungen sehr häufig in den käsigen Absonderungen sich bilden, wenn Seife in sog. hartem Wasser aufgelöst wird. Dieses enthält Kalk- und Magnesiasalze, welche eben durch ihre Zersetzung die angedeutete Erscheinung veranlassen. In derartigem Wasser veranlassen einige Tropfen Wasserglaslösung ebenfalls eine Absonderung, und es kann daher diese Lösung dazu benutzt werden, um schnell zu erfahren, ob ein Wasser als hartes Wasser zu betrachten ist. Es ist aber auch selbstverständlich, daß man ein derartiges Wasser nicht zum Auflösen oder Verdünnen des Wasserglases benutzen darf, wenn es darum zu thun ist, durch Eintrocknen des Wasserglases einen rein durchsichtigen Ueberzug zu erzielen.
7. Die Wasserglaslösung wird auch durch einige ungebundene Basen zersetzt, indem diese die Kieselerde anziehen und das Kali oder Natron in Freiheit gesetzt wird. An der Luft zieht dann das Kali oder Natron nach und nach Kohlensäure an.
8. Die Wasserglaslösung wirkt auf fettige Stoffe und Schweiß lösend und auf den mit diesen gemischten Schmutz so lockernd, daß er dann leicht durch Spülen mit Wasser von pflanzlichen und thierischen Fasern oder daraus verfertigten Zeugen weggespült werden kann. Sie verhält sich also wie eine Seifenlösung und kann wie diese benutzt werden, weshalb ich auch in dieser Beziehung das Wasserglas als Glasseife bezeichnen möchte.
9. Das geschmolzene oder eingetrocknete Wasserglas erleidet keine Veränderung durch den Zutritt der Luft, während seine Lösung an freier atmosphärischer Luft nach und nach Kohlensaure anzieht und Kieselerde fallen läßt. Es ist deshalb nothwendig, die Wasserglaslösung in wohl verschlossenen Flaschen aufzubewahren.
Die Eigenschaft der Wasserglaslösung, für sich in dünnen Lagen auf Gegenstände gestrichen, zu einer festen, farblosen Decke einzutrocknen, läßt sich auf mannichfaltige Weise benutzen. Damit überzogene Metalle werben dadurch gegen den Einfluß der atmosphärischen Feuchtigkeit und Kohlensäure geschützt, können also nicht rosten, beschlagen oder anlaufen, behalten demnach ihren Glanz und ihre Farbe und lassen sich selbst sehr stark erhitzen, ohne eine Veränderung zu erleiden, indem die wenn auch schmelzende Glasdecke den Zutritt des atmosphärischen Sauerstoffgases vollständig verhindert, und deshalb auch keine Verbrennung oder Oxydation der Metalle statt finden kann. Mit Wasserglas überzogenes Holz ist ebenfalls gegen den Einfluß der Atmosphärilien geschützt und gegen den Schwamm, selbst auch gegen Insectenfraß gesichert. Der wichtigste, von dem Entdecker Fuchs bereits besonders hervorgehobene Zweck des Ueberziehens des Holzes mit Wasserglas ist aber der, dasselbe relativ unverbrennlich zu machen. Nicht Holz allein, sondern auch jede andere brennbare Substanz von pflanzlicher und thierischer Abstammung, mit Wasserglas hinreichend überzogen oder damit getränkt, ist nämlich bei hoher Gluth und bei Zutritt atmosphärischer Luft nicht fähig, in Flamme auszubrechen, weil der Wasserglasüberzug auch bei der durch starke Erhitzung bedingten Schmelzung auf der ganzen Oberfläche des brennbaren Körpern eine den Durchgang der atmosphärischen Luft vollkommen verhindernde Decke bildet. Erleidet auch die brennbare Substanz in Folge der hohen Temperatur eine Verkohlung, so wird sie doch durch die Glasdecke wegen Mangels an Sauerstoffs gegen die Entzündung selbst geschützt und kann also auch nicht die Flamme weiter tragen; der Verkohlung kann natürlich nicht vorgebeugt werden.
Eine andere Anwendung von der Eigenschaft der Wasserglaslösung, zu einem farblosen, festhaftenden Ueberzug einzutrocknen, ist die zum Kitten zerbrochener Gefäße von Glas, Porzellan, Irdenzeug
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_278.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)