verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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und Füßen mit einer harten Fischhaut geboren war, und eine Brabanterin, welche geschmolzenes Blei, brennendes Pech und siedendes Oel genoß und auf glühendem Eisen ging.
In den verschiedenen Garküchen und Speisebuden – von dem gemeinen Volke Lunzenbuden genannt – auf der Grimmaischen Gasse erblickte man eine buntgemischte Menge von einheimischen und auswärtigen Gästen und in derselben Gegend nicht selten auch sogen. Glücksbüdner mit ihren Glückstöpfen und Waarenlotterien. Nicht nur auf den freien Plätzen, sondern auch an den Straßenecken der Stadt paradirten privilegirte Marktschreier, Zahn- und Wurmärzte mit betreßten Kleidern und großen Perrücken angethan, auf wunderlich verzierten Schaubühnen, priesen den Leichtgläubigen mit Stentorstimmen ihre Quacksalbereien und kirrten die hochaufhorchenden Zuschauer nicht selten durch den fadesten und sittenlosesten Scherz ihrer Hanswürste, obschon letztere bereits vor mehreren Jahren durch den Stadtrath verboten worden waren. Gaukler aller Art, Bären-, Affen- und Hundeführer, Bänkelsänger und Marionettenspieler fanden sich selbst an den Ecken der Straßen und auf den freien Plätzen der Stadt in Menge ein. Auch sah man zuweilen größere Schaubühnen errichtet, auf welchen aber freilich nur Komödien von ziemlich niedriger Art aufgeführt wurden.
Während dies geschah, durchstrichen Musikanten in ungeheurer Anzahl selbst das Innere der Häuser und suchten die Bewohner derselben heim mit polnischem Bock, Dudelsack, Leierkasten, Brummeisen und Hackebret. Zugleich drangen sogenannte Krummholzölmänner aus Ungarn ihnen Mittel für ihr leibliches Wohl auf, denn selbst Dem, der sich kerngesund fühlte, sahen diese Leute an, daß er krank sei und ihrer Medicin bedürfe.
Eine, was Schaugepränge betrifft, besonders glänzende Messe wie sie vielleicht nie wiederkommen dürfte, war die Michaelismesse des Jahres 1699, welche König August mit einem ungewöhnlich zahlreichen und brillanten Gefolge besuchte.
Eine Stunde vor seiner Ankunft, welche Sonnabends Nachmittags gegen fünf Uhr erfolgte, zog die Leibgarde ein, die aus hundertundsiebzig Mann Janitscharen bestand, welche roth und weiß „gar curieux montirt“ waren. Ihr Aufzug versetzte „männiglichen in Verwunderung, gestalten sie mit ihrer türkischen Feldmusik, kleinen Schalmeien, messingenen Becken, die von zwölfjährigen Knaben zusammengeschlagen wurden, ferner mit ihren großen Trommeln und etlichen Paar kleinen kupfernen Pauken sich tapfer hören ließen.“ Sie marschirten in ihrer Ordnung vor das sogenannte Welsische Haus am Markte, in welchem der König abstieg.
Einige Tage darauf folgten die Königin und noch viele andere Herzöge und Markgrafen, fürstliche Personen, Herren und Damen aus gräflichem und freiherrlichem Stande, hohe Militärs und polnische Magnaten. Die Zahl dieser vornehmen Gäste betrug gegen hundertundfünfzig und sie wurden in die bequemsten Häuser der Stadt „einlogiret und accomodiret.“ In dieser Messe wurden im Brühle nicht nur am Zimmerhofe im Opernhause Vorstellungen gegeben, sondern auch in dem Gasthofe zu den drei Schwanen auf königlichen Befehl zum ersten Mal französische Komödien gespielt, welche die deutschen und polnischen Fürsten und Herrschaften Abends fünf Uhr täglich besuchten. Nach dem Theater fand gewöhnlich eine Redoute statt, wozu man die Börse auf dem Naschmarkte eingerichtet hatte.
Während derselben Messe ward auch die Trauung des Erbprinzen von Brandenburg-Bayreuth mit einer Prinzessin von Sachsen-Weißenfels in dem Hause vollzogen, welches der König bewohnte. Die Traurede hielt der Superintendent Ittig und machte den Anfang „mit einem gelehrten Sermon von der Glückseligkeit der Stadt Leipzig und wie dieses wegen des Besuchs so vieler hohen Personen recht glückselig zu preisen sei.“ Das Ende der Ceremonie bildete, gleich dem Anfange derselben, eine Instrumental- und Vocalmusik der königlich polnischen Capelle. Auf dem Markte hatte man zwölf Stück Geschütze aufgefahren, um sie später während der Tafel beim Ausbringen der Gesundheiten zu lösen. Nach beendeter Ceremonie wurden die hohen Gäste durch Marschälle zur Tafel geführt. „Diese,“ so sagt unsere Quelle, „war magnifique anzusehen, nicht allein weil kostbare Essen in großer Menge aufgetragen, sondern auch der Nachtisch mit schönen Confecturen gezieret wurde. Bei dem Gesundheittrinken ließen sich die Trompeten und Pauken nebst denen Stücken tapfer hören und ward dieser Actus glücklich geendiget.“
Amüsant ist der Bericht über eine Sehenswürdigkeit dieser Messe, welchen wir zum Schluß dieser kleinen Schilderung der Leipziger Messe in der Vorzeit unsern Lesern in unveränderter Gestalt mittheilen wollen.
„Diese Michaelismesse“ – heißt es – „hat sich ein Vielfraß oder Vielfresser um Geld allhier sehen lassen. Er war eines Hirten Sohn, dessen Mutter von Prag bürtig war und sich an einen Wolf, als sie mit ihme schwanger gegangen, versehen hatte, indem sie darzu kommen, als sein Vater ein todt angebissenes Schaf dem räuberischen Wolfe abgejaget, und an dem rohen Fleische des Schafes nicht weniger als der Wolf ihren Appetit gern stillen wollen, welches sie auch gethan, im Fall ihr dasselbe nicht mit Gewalt vom Manne wäre aus den Zähnen gerücket worden. Dieser verwahrlosete Mensch hatte einen so starken Magen, daß er Steine verschlucken und verdauen kunte, und einen so unordentlichen Appetit, daß er lebendige Katzen, Hunde und Schafe mit Fell und rohem Fleische fressen kunte. Absonderlich wenn er sich recht sättigen wollte, verschluckte er Steine, so groß als Kastanien, und fraß auch Werg dazu. Man kunte gar eigentlich bei ihm die Steine im Halse und Bauche hören kollern und klappen. Dieser Steinfresser mußte ein paar Tage in dem neuen Zuchthause Brod essen und bekam hernach seinen Laufzettel, damit sich Niemand an ihm versehen möge.“
Der Frauentag. Bekanntlich erfreuen sich die Frauen in keinem Lande einer so hohen Verehrung und üben nirgends einen so großen Einfluß, wie in Nordamerika: eine Auszeichnung, die sie neben den freien Institutionen zum großen Theil vielleicht auch einer Sitte der alten holländischen Gründer Neu-Yorks – früher Neu-Amsterdam – verdanken. Diese feierten nämlich jährlich ein Fest, der Vrouwen-Dagh oder Frauentag genannt, an dem sämmtliche junge Mädchen mit Stricken versehen in kleinen Trupps die Straßen durchzogen und ein Treibjagen auf die Knaben anstellten. Wehe dem Armen, der in ihre Hände fiel! Unter Lachen und Jubel wurde er unbarmherzig gegeißelt und durfte keinen Finger zu seiner Vertheidigung rühren. Nur die Flucht stand ihm frei, lieferte ihn aber schon an der nächsten Ecke nur einer andern Patrouille seiner Peiniger unter die Fuchtel. Es war ein Schreckenstag für alte Jungen; denn den naheliegenden Ausweg, sich bei einer so unbehaglichen Witterung fein daheim zu halten, schnitten ihnen die eigenen Mütter ab, die allzu hohen Werth auf der Frauen geheiligtes Vorrecht legten, um nicht selbst ihr Herzens-Benjaminchen schonungslos in den Prügelregen hinauszutreiben. Als einmal der schmerzende Rücken den Witz der Knaben soweit geschärft hatte, daß sie sich zu dem Gedanken erhoben, es gebühre ihnen doch wohl Revange und demgemäß verlangten, der folgende Tag sollte Mannen-Dagh heißen, beschieden sie ihre wackeren Väter dahin, daß hierdurch der ganze Zweck der weisen alten Sitte vereitelt würde, der kein anderer sei, als ihnen schon von Jugend auf die wichtige Lehre einzuschärfen, niemals, unter keiner Veranlassung je die Hand gegen ein Weib zu erheben.
Noch lange nach der Besetzung der holländischen Colonie durch die Engländer erhielt sich dieses Fest, und man muß gestehen, daß die Amerikaner seiner Zucht alle Ehre machen.
Die Pflege- und Bildungsanstalt für Geistesschwache von Doctor Heinrich Herz, deren wir bereits in diesen Blättern mehrfach ehrenvoll zu gedenken Gelegenheit hatten, ist seit Neujahr von dem Plossenberge bei Meißen in das eine Stunde von der Stadt entfernte Buschbad verlegt worden, das Doctor Herz zu diesem Zwecke käuflich an sich gebracht. Während diese äußerst wohlthätige Anstalt früher auf ein einzelnes Haus beschränkt war, und daher in der letzten Zeit mehrfache Anmeldungen abgewiesen werden mußten, stehen ihr jetzt drei Häuser mit bedeutenden Räumlichkeiten zu Gebote. In dem einen derselben befindet sich die eisenhaltige Quelle mit einer Anzahl Badezellen, welcher das Buschbad seine Entstehung verdankt, und die einsame Lage in herrlicher gesunder Gegend ist ganz für seine jetzige Bestimmung geschaffen. Außer für die geistesschwachen Kinder, an deren einigen bereits ausgezeichnete Resultate erzielt worden sind, können nun auch solche Personen aufgenommen werden, die nur an zeitweiligen Geistesstörungen leiden und gesonderte Wohnzimmer beanspruchen. Nebenbei wirkt Frau Herz durch orthopädische Turnstunden für Kinder und Mädchen, welche nur diese besuchen, äußerst heilsam, und hat dafür von den berühmtesten Dresdner und Meißner Aerzten die ehrenvollsten Zeugnisse erhalten.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_272.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)