verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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No. 18. | 1857. |
Unter den schönen Frauen Roms, zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, war Junia, die Fürstin Romagnola, die schönste. Ihr Wuchs hielt sich in dem reinsten Ebenmaß der Antike, ihr Antlitz zeigte, bei aller Vollendung der Form, wenn man etwas tadeln wollte, zu große Ruhe, man möchte sagen, Kälte. Nichts erschütterte diese junonischen Züge. Ein Reiz von Gefälligkeit und Lieblichkeit wäre eine Unmöglichkeit gewesen, allein er würde es bezaubernd gemacht haben, während es jetzt nur befehlend und herrschend war.
Junia war die einzige Tochter eines der reichsten Adelshäuser Roms, ihr Vater, der Fürst Romagnola, stand in hohem Ansehen, er hatte den Ruf eines strengen Mannes von untadelhaften Sitten. Sein Name wurde zuerst genannt, wenn es auf Vollbringung einer That ankam, dem Vaterlande wichtig und der Gesammtheit von Nutzen. Wenn man ihn suchte, fand man ihn, aber man mußte ihn suchen, da wo man die stolzen Erlen suchte, die sich ihres Werthes bewußt waren. Fügsamkeit und Geschmeidigkeit war nicht seine Sache, obgleich er höfischer Sitte zugethan war. Der Papst Paul III. erhob ihn zu einem Großwürdenträger des römischen Stuhls und Carl V. fügte in das Wappen des römischen Edlen die drei rothen Lilien des castilianischen Adels. Diese Auszeichnungen erfreuten den Fürsten, aber sie überraschten ihn nicht: sein Stolz war auf sie gefaßt.
Aehnlich dem Vater war Junia. Auch sie trug das Haupt hoch. Man sagte sich in Rom, daß sie des Vaters Geheimsecretair sei, wenigstens wußte man, daß sie mit ihm arbeitete, und daß, wenn man sie aus der Thüre des Cabinets ihres Vaters treten sah, irgend eine wichtige Entscheidung zur Reife gediehen sei. Die fremden Fürsten, sowie ihre Gesandten blickten zuerst auf die umwölkte oder auf die heitere Stirn Junia’s, wenn sie sich Gewißheit verschaffen wollten, ob das, was sie durchzusetzen gekommen waren, durchsetzbar war oder nicht. Ein zürnendes Auge der jungen Fürstin erschreckte, ein sinnendes weckte Hoffnungen, ein niedergesenktes lähmte diese Hoffnungen und ein offenes, freies machte Glückliche. Ein lächelndes sah man nie. Ehe hätte man sich Pallas Athene lächelnd denken können.
Paul der Dritte hatte den päpstlichen Thron bestiegen mit schwankendem Fuße und unsicherem Blick. Mißtrauend, wie er war, sah er dicht neben seiner Erhöhung seinen Sturz. Der Boden unter ihm schien zu beben und er getraute sich keinen sichern Schritt zu thun. Aus der dumpfen Enge einer Klosterzelle hervorgegangen, hatte er nie gelernt, einen großen und freien Blick auf die Geschicke der Menschen zu werfen und sein Geist nahm die Richtung zu Kleinlichem und Armseligem hin. Romagnola war es, der ihm Stütze und Halt wurde. Der Stolz und der Trotz dieses Mannes legten in die Seele dieses Greises zu Zeiten feste Entschlüsse und eifrige Thaten. Aber es gab Augenblicke, wo dieser Günstling ihm ebenfalls verdächtig wurde, so wie er alle Welt beargwöhnte, und diese Zeichen der Schwäche benutzten des Fürsten Feinde, um ihn zu stürzen. Es gelang ihnen ihr Plan nicht, aber so viel erreichten sie, daß Romagnola durch Gesandtschaftsreisen öfters dem
- ↑ Aus dem in einigen Monaten bei Brockhaus erscheinenden 2. Bande der „Geschichte und Bilder der Dresdner Gallerie“ –. Unser heutiges unter dem Namen „Tizian’s Madonna“ bekanntes Bild befindet sich im zweiten Saale des Dresdner Museums (in Quandt’s Katalog pag. 36)D. Redact.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_241.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)