verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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„Der Himmel hat uns zusammengeführt!“ rief Bruno. „Widerstreben wir ihm nicht länger! Amanda, ich will Ihre Liebe nicht gewaltsam erobern; ich will demüthig darum werben – aber mein Herz sagt mir, daß ich es darf! Damals, als ich Sie meiner alten Freundin senden wollte, berechnete ich, daß ich da Gelegenheit fände, mich Ihnen zu nähern –“
„Und darum,“ unterbrach ihn Amanda, „mußte ich meine Schritte wo anders hin lenken, zu viel schon hatte ich den fremden Jüngling in mein Schicksal eingreifen lassen; es durfte nicht mehr geschehen, wenn nicht er selbst und mit Recht den Glauben an weibliche Würde und Selbstständigkeit verlieren, ich an mir selbst verzweifeln sollte. Ich reiste nach Bayreuth, aber darüber hinaus. Ich hatte im „Nürnberger Correspondent“ gelesen, daß eine Dame auf einem Gut bei Bamberg für eine eben der Schule entwachsene Tochter eine jugendliche Gesellschafterin suchte, die Unterricht im Malen, Musik und Sprachen geben könne. Ich reiste dahin und stellte mich ihr vor. Die Dame gefiel mir – ich schenkte ihr mein ganzes Vertrauen, sie nahm mich sogleich und unter einem andern Namen bei sich auf. Erst habe ich lange gar Niemanden, dann Bertha mein glücklich gewendetes Schicksal mitgetheilt, aber Schweigen ihr zur Pflicht gemacht. Jetzt schrieb sie mir, daß sie diesen Sommer wieder hier sein werde, allein, und meine Dame gab mir ein paar Wochen Urlaub, sie aufzusuchen. Seit gestern bin ich bei ihr – und heute eilte ich allein an diese Stelle.“
„Und werden Sie wieder nach Bamberg zurückkehren?“ fragte Bruno.
„Bertha sagt mir, daß mein armer Vater mir vergeben hat und meiner bedarf,“ antwortete Amanda, „so bald als möglich kehre ich zu ihm; Herr von Subow hat meine Stiefmutter entführt – mein Vater ist in der Scheidung begriffen und kränkelt – Blumenbach ist, wie ich höre, glücklich verheirathet.“
„Er ist mein Vater geworden!“ rief Bruno und erzählte was geschehen.
Und was nun weiter geschah, ist schnell errathen und erzählt.
Derselbe Abend schon vereinte einen Kreis von glücklichen versöhnten Menschen in Alexanderbad, die nach wenig erklärenden Worten in die Verhältnisse zu einander sich zu finden wußten: Blumenbach mit seiner Frau, Bruno, Amanda und Bertha.
Mehr als ein heiterer Tag folgte diesem Abend des wunderbaren Findens. Da kam plötzlich auch der Regierungsrath an – Amanda hatte ihm geschrieben und er eilte, der schmerzlich entbehrten Tochter seine Verzeihung zu bringen und – wenn er das auch nicht eingestand – noch mehr die ihrige zu suchen, denn nach dem ehrlosen Betragen seiner Gemahlin waren ihm endlich die Augen über diese aufgegangen und er hatte schmerzlich bereut, wie viel er durch seine Verblendung seine Tochter hatte leiden lassen. Auch mit Blumenbach und Bruno versöhnte er sich und gestattete, daß noch Amanda’s Verlobung mit letzterem vor seiner Abreise auf der Louisenburg gefeiert ward! –
Sobald der Tag erscheint, wo die Fischerei beginnen soll, und der Fischerei-Ataman bestimmt worden, ist Alles schon voller Erwartung und Leben. Mancher Kosak kann vor Freude die ganze Nacht nicht schlafen, und lange vor Tagesanbruch wird schon gekocht und gebraten, gegessen und getrunken. Kaum zeigt sich der erste Schimmer der Morgenröthe, so ziehen die Tausende von Kosaken schon zum Flusse an den Ort, wo der Fischfang beginnen soll. Ihnen folgen eine Menge Russen und Kirgisen, welche als gemiethete Arbeiter für die Pferde zu sorgen haben, das Zelt oder die Filzhütte aufschlagen, Feuer von Strauchwerk anmachen und überhaupt alle Arbeiten verrichten, die nicht unmittelbar der Fischerei angehören, mit welcher sich der Kosak allein beschäftigt. Hinter den Kosaken folgen große Züge russischer Kaufleute aus Uralsk und andern Orten mit ihren vielen Fuhren und Arbeitern, welche den Fischzug immerwährend begleiten, die Fische, so wie sie aus dem Wasser kommen, sofort von den Kosaken kaufen, den Kaviar herausnehmen, einsalzen und in Tonnen schlagen, die Fische selbst aber, nachdem auch die sogenannte Hausenblase herausgenommen ist, entweder steinhart frieren lassen oder ebenfalls einsalzen, um Alles so rasch als möglich in’s Innere des Reichs zu versenden. Zusammen mit den Kaufleuten begleiten immer eine Menge Handelsleute oder Marketender den Fischzug, schlagen ihre leichten Hütten am Ufer auf, wo sie dann Hafer und Heu, Brot, Backwerk, Nüsse, Pfefferkuchen und anderes Eßwerk verkaufen, dabei aber auch Thee und Branntwein verschenken.
Hat der große Zug dieser Masse von Menschen und Thieren in langen Reihen endlich die Ufer des Flusses erreicht, so werden in der Eile eine Menge von 500 bis 1000 Filzhütten, leichte Zelte und andere kleine Wohnlichkeiten errichtet, die aber, da sie den Fischzug immer stromabwärts begleiten, nur auf kurze Zeit berechnet sind. Alles ist hier in reger Thätigkeit, um das Lager einzurichten, die Ufer wimmeln von Menschen und das Ganze gleicht einer großen Völkerwanderung. Endlich hat Alles einen Platz gefunden, am Ufer ist die Signalkanone aufgestellt und neben ihr steht der Artillerist mit der brennenden Lunte. Nun erhalten die Kosaken den Befehl, sich in langen Reihen an den beiden Ufern des Flusses aufzustellen, um hier das Signal zum Fischfange zu erwarten. Jeder Kosak schleppt die Fischhaken und Brechstangen hinter sich her und stellt sich an’s Ufer, wo er gerade Platz findet, oder wo er glaubt, eine tiefe Stelle und viele Fische zu finden.
Nachdem sich Alles geordnet und beide Ufer des Urals mit Kosaken besetzt sind, tritt endlich der Fischerei-Ataman aus seinem Zelte und geht langsam mitten auf den Fluß, den vor dem Kanonenschusse kein Kosak betreten darf. Nun erfolgt eine wahre Todtenstille, Alles ist voller Erwartung und mit vorgebeugtem Oberkörper ist schon Jeder zum Sprunge bereit. Es ist ein wahrhaft interessanter Augenblick, diese Reihen so vieler kräftiger und lebensfroher Menschen lautlos und doch in höchster Aufregung zu sehen. Wie wunderbar schön dieses Alles ist, läßt sich nur unvollkommen beschreiben. Alle Gesichter strahlen voller Freude und Lust, die Augen entweder auf einen vorher ausgesuchten Fleck im Flusse oder starr auf den Fischerei-Ataman gerichtet, der das Zeichen zum Abfeuern der Kanone geben soll. Doch dieser übereilt sich nicht – er geht gemüthlich von einem Ufer zum andern und macht allerlei Bewegungen, um die Kosaken zu täuschen. Ist der Heeres–Ataman zufälligerweise gegenwärtig, so nimmt der Fischerei–Ataman seine Mütze ab und verbeugt sich ehrfurchtsvoll in der Richtung hin, wo dies oberste Haupt der Kosaken am Ufer steht. Dann gibt er endlich nach vielen Neckereien das geheime Zeichen, welches nur ihm und dem Artilleristen bekannt ist.
Die Kanone kracht, der dicke Rauch hat sich kaum aus der Mündung gewälzt, so entsteht in demselben Augenblicke ein wahrer Höllenlärm, denn das ganze Kosakenheer stürzt sich nun mit Geschrei und Jubel bunt durcheinander auf’s Eis. Jeder strebt nun mit rasender Hast nach einem vorher ausgesuchten Platz zum Fischen oder, wenn ihm ein Anderer schon zuvorgekommen, so wählt er eine andere Stelle, wie Eile, Zufall und Raum es gestatten. In einem Nu werden Tausende kleiner Löcher von ein paar Fuß im Durchmesser ins Eis gehauen – und an vielen Stellen, wo man gerade viele Fische erwartet, kaum drei bis vier große Schritte von einander entfernt, und nun erhebt sich ein ganzer Wald von langen Fischerhaken, welche in die Eislöcher bis auf ein oder zwei Fuß vom Grunde herabgesenkt und von den Kosaken in der Hand gehalten werden, damit der Fischer sogleich fühlen kann, wenn ein Fisch über den Haken geht, oder die Stange berührt. Ist dies nun der Fall, so zieht der Kosak mit einem schnellen Ruck die Stange aufwärts, der scharfe Haken faßt den Fisch unter dem Bauche in’s Fleisch und er ist gefangen. Das Loch im Eise wird nun vergrößert, der Fisch mit kleinen Haken noch besser gefaßt, und endlich von einem Kosaken, oder mit Hülfe mehrer auf’s Eis gezogen. Durch das Hin- und Herlaufen und das Geschrei
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_172.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)