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Seite:Die Gartenlaube (1857) 168.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Poesie. Das Meiste ist so gelungen, daß das Buch Tausenden eine höchst willkommene Gabe sein wird, in Deutschland sowohl als in England. Der Verfasser beachtete und übersetzte nichts, was er nicht gefühlt hat, und hat nichts gefühlt, als was schön und edel ist. Ein Grundzug geht hauptsächlich durch die ganze Sammlung; er ist die eigentliche Seele derselben und verleiht der Auswahl ihren eigenthümlichen Ton. Es ist dies die Liebe zum Heimwesen und zur Familie. Mit der warmen Sehnsucht nach Haus und Familie im Herzen arbeitete der einsame Gefangene an diesen Strophen; er fand Trost in Schilderungen der Häuslichkeit und des Familienglücks, und kraft der Innigkeit, mit welcher er fühlte, was er schrieb, hat er bisweilen das deutsche Gedicht besser gemacht, als er es im Englischen gefunden. Welch’ ein besseres Buch,“ schließt die Kritik, „gäbe es, worin der gebildete Deutsche gleich gut die englische Muse kennen lernen könnte?“ So weit der englische Kritiker!

Vielleicht keiner unsrer Leser hat das Unglück gehabt, Gottes schöne Sonne hinter Eisengittern untergehen zu sehen. So schön die Sonne, und so klar und frei und weit der Himmel – der Gefangene hat nur die eine Freude daran, daß er sich glücklich schätzt, wenigstens das Sonnenlicht sehen zu dürfen. Vielen seiner Leidensgenossen ist auch diese Freude versagt. Ihr könnt mir’s schon glauben, es ist ein armes – armes Dasein, das Gefangenenleben, selbst wenn es nur Monate oder wenige Jahre lang währt und durch die Milde der Vorgesetzten in jeder Weise erleichtert wird. Getrennt von Frau und Kind und Allem, was ihm lieb, der gewohnten Beschäftigung entzogen, mit jedem Tage der Einsamkeit und in allen schlaflosen Nächten von den quälenden Gedanken gemartert, daß zu der Herzensnoth der Seinigen auch noch die materielle tritt, so schleichen die Tage des Gefangenen langsam und niederdrückend hin, bis endlich die Hoffnung auf das Ende dieser Leiden wie ein lichter Strahl in die Dunkelheit des Kerkers dringt. Aber ohne Hoffnung täglich die heiße Stirn an die Eisengitter drücken, mit jedem neuen Morgen zu dem Bewußtsein erwachen, daß die Mauern, zwischen denen jetzt ungesehen Thränen der Sehnsucht fließen, ihn umfassen sollen, so lange auf Erden sein müder Leib noch aushält, sein Weib, sein Kind, seine Freunde nie wieder an das Herz zu schließen, das so viele Jahre schon jeder, auch der kleinsten Freude entbehrt – es gehört ein großer eisenfester Charakter dazu, unter der Wucht dieses Unglücks nicht zu brechen und zu sterben.

Der Verfasser dieses Buches – O. L. H…r –, wegen seiner Betheiligung an den sächsischen Maitagen zu ledenslänglichem Zuchthaus verurheilt, büßt diese Strafe nun schon fast acht Jahre. Um seiner nicht mit Reichthümern gesegneten Familie auch im Gefängniß der sorgende Vater zu bleiben, hat er die mild gegebene Erlaubniß der Regierung benutzt und sich mit literarischen Arbeiten beschäftigt. Die obenangeführte schöne Sammlung Gedichte ist das Ergebniß seines Kerkerfleißes. Der Verleger läßt die Hälfte des Gewinns der Familie zukommen und je mehr Exemplare also verkauft werden, je mehr wird die Arbeit des Gefangenen eine lohnende. Es bedarf wohl nur dieser Andeutung, um unsere Freunde zu veranlassen, das gute Buch ihrer Bibliothek einzuverleiben. Der Ertrag kömmt ja einer Gattin und vier Kindern zu. Wohl in mehr als einer Beziehung hat deshalb der englische Kritiker Recht, wenn er sagt: „mit der warmen Sehnsucht nach Haus und Familie im Herzen arbeitete der einsame Gefangene an diesen Strophen.“ – Mögen auch die Leser der Gartenlaube dazu beitragen, daß die Hoffnungen des armen Gefangenen nach dieser Seite bin reichlich erfüllt werden.[1]

Wir aber wollen nicht daran zweifeln, daß auch für ihn die Sonne des Glückes noch nicht untergegangen. Gott erbarme sich seiner und lasse ihn den Tag der Freiheit recht bald sehen, damit die verlassenen Kinder dem Heimkehrenden einst jubelnd mit dem schönen Gruße entgegen stürmen können: der Vater kommt – der Vater kommt!

E. K.


In Sachen Alex. v. Humboldt sagt das Frankf. Museum sehr richtig: Die Zeitungen bringen allwöchentlich wenigstens einmal irgend ein höfliches Schreiben, das Alex. v. Humboldt an einen Schriftsteller, an die Vorsteher einer Stiftung, an einen heimgekehrten Reisenden gerichtet hat. Jeder Brief des großen Mannes ist ein neues Zeugniß für seinen hohen Sinn und seine allseitige Humanität; in jedem ist, selbst bei geringer Veranlassung, ein heller und bedeutender Gedanke ausgesprochen. Gleichwohl scheint uns in der zudringlichen Art, mit der man den bald Neunzigjährigen bestürmt, eine Taktlosigkeit, ein Mißbrauch zu liegen, gegen den das gebildete Deutschland zu seiner eigenen Ehre und im Interesse des Patriarchen protestiren sollte. Humboldt selbst giebt in mehreren Briefen zu verstehen, er könne die rücksichtslos angehäufte Correspondenz nicht mehr bewältigen. Er schreibt die progressive Erhöhung seines Weltruhmes bescheiden dem Interesse zu, das sich an sein Uralter knüpft. Er bedarf dieser Erhöhung freilich nicht; gegen jede Wirkung der ruchlosen Angriffe einer Wiener Kirchenzeitung und ihrer Consorten ist sein erhabener Name längst gesichert.

Manche Sendschreiben werden dem edlen Manne auf unwürdige Weise zu eigennützigen Zwecken entlockt. Unermüdlich liest er eingesandte Bücher, Brochüren und Prospecte; selbst bei mangelhaften Leistungen ist er zu Anerkennung der Absicht, zu einem ermunternden Zuspruch bereit. Aber mit dieser Thätigkeit verbringt er kostbare Stunden seines Wirkens, das, weil er sich ja doch träge Ruhe nicht vergönnen mag, der Welt angehört.

Ein Verleger zieht bei Veranschlagung der Aussichten für sein neues Geschäft neben den schönen Holzschnitten und dem gepreßten Umschlag auch den Brief von Humboldt in Rechnung, „der wohl zu haben sein wird.“[2] Ein angehender Gelehrter steigert den Werth seiner Arbeit durch das abgedruckte Zeugniß, daß Humboldt sich für dieselbe interessirt habe. So wird ein Name des herrlichsten Klanges zum Aushängeschild entwürdigt, ja man bringt ihn in Gefahr, zum Gemeinplatz zu werden. Denn beim Umsichgreifen dieser neuen Art von Speculation kann es kaum ausbleiben, daß die Empfehlung an Gewicht verliert.

Mag Humboldt auch weiterhin verdiente Forscher und Entdecker dem König, seinem Freunde, vorstellen; mag er den Amerikanern seinen Rath zukommen lassen, die sich wegen des Durchstichs von Panama ehrenhalber zuerst an ihn wenden: das Alles ist seine Sache. Aber ihr jungen Schriftsteller, ihr Vereine, ihr Buchhändler könntet Euch wohl vor Euresgleichen auf eine passendere Weise auszeichnen, als indem ihr eure Leistungen mit seinem unsterblichen Namen verbrämt. Schlagt Euch doch durch wie Andere, oder wenn ihr durchaus Betriebsamkeit üben müßt, so wählt euch das Feld dazu mit etwas mehr Anstand und Takt! Deutschland hat nur noch einen Genossen seiner ersten Größen, seines Goethe, Kant, Herder und Schiller; lasset ihn in Ruhe sein neuntes Jahrzehend beschließen und seinen Kosmos vollenden! Suchet den Glanz dieses Gestirns nicht kleinlich zur Aufhellung Eurer Fabrik oder Studirstube zu verwenden: nein, lasset es ruhig ausstrahlen, bis ihm die Gottheit winkt, daß es ruhig untergehe!




Ein Pferde-Essen. Erlauben Sie mir, eines eigenthümlichen Diners zu erwähnen, das vor einigen Tagen der berühmte Gastronom Chevet, Bruder des vor Kurzem verstorbenen Marchand de Comestibles im Palais-Royal, einem auserwählten Kreise von Feinschmeckern gegeben. Bei diesem Diner wurden nämlich in den verschiedensten Formen Fleischspeisen aufgetragen, deren kunstvolle Zubereitung die Bewunderung der Zecher so sehr erregte, daß sie den Wirth mit den begeisterungsvollsten Lobeserhebungen überhäuften. Dieser machte jedoch nach beendigter Tafel seinen Gästen die Mittheilung, daß die verschiedenen Fleischsorten, die sie zu sich genommen zu haben wähnten, nur eine einzige Fleischsorte war und zwar nichts mehr und nichts weniger als – Pferdefleisch. Chevet sagte ihnen zugleich, daß es kaum einen Wursthändler in Paris gebe, in dessen Waaren das Pferdefleisch nicht einen Hauptbestandtheil bildete. Er habe ihnen das Fleisch von einem jungen zarten Pferde vorgesetzt, während in den Pasteten der Pariser Wursthändler sich oft das Fleisch von Pferden befinde, die während ihres langen Lebens tausenderlei Schicksale erfahren. Chevet behauptete ferner, daß die meisten Pariser, ohne es zu wissen, Hippophagen seien und daß gar Mancher, der ein Beefsteak zu verzehren glaubt, gemüthlich ein Stück von einem Schimmel genieße, der vor vielen Jahren einem Gensd’armen angehört, oder von einem Schweißfuchs, der vor kaum einem Monat mit peripatetischem Schritte eine Droschke durch die Boulevards geschleppt. – Wir Pariser erfahren gar Manches, die Geheimnisse aber, welche die hiesigen Restaurants unserm Magen zu verdauen geben, werden wir niemals ganz erfahren.

W. Z.

Für Zeitschriften- und Kalender-Verleger.

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Leipzig, im März 1857.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
  1. Alle Buchhandlungen, auch die Verlagshandlung der Gartenlaube, nehmen Bestellungen an. Preis 2 Thlr.
  2. Leider sind dergleichen buchhändlerische Speculationen sogar bei naturwissenschaftlichen Werken in Anwendung gebracht worden.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_168.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)