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Seite:Die Gartenlaube (1857) 164.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Die jetzige Technik der Holzschneiderei ist freilich eine ganz veränderte, so daß man eigentlich gar nicht mehr von Holzschnitt, sondern nur von Holzstich reden sollte, da man sich nicht mehr, wie früher, feiner Messerchen zum Umschneiden der einzelnen Striche von beiden Seiten, sondern des Grabstichels bedient, wie der Kupferstecher, nur zu umgekehrtem Zweck: der Kupferstecher vertieft die Linien, welche das Bild geben, der Holzstecher vertieft die Zwischenräume, welche weiß bleiben sollen. Was dem Kupferstecher die größte Schwierigkeit macht, die tiefsten Schattenmassen, ist für den Holzstecher das Leichteste.

Da es sich hier nicht um eine erschöpfende Geschichte der Holzschneidekunst handelt, so wünsche ich nur, mich deutlich genug ausgesprochen zu haben, und will später ein Gleiches mit der Kupferstecherkunst versuchen. {Linie}}


Die Gewinnung des Kaviars und der Fischfang im Uralflusse.
Vom Major Wangenheim von Qualen.

Der große Landbesitz, der Handel mit dem Innern Rußlands und der Tauschhandel mit den Kirgisen bieten den Uralschen Kosaken, deren Wohnsitz sich am rechten Ufer des Uralflusses an der Grenze zwischen Europa und Asien hinzieht, großartige Erwerbsquellen, welche sich im Laufe der Zeiten noch unendlich mehr vergrößern werden, aber dennoch ist der Fischfang im Ural von der Stadt Uralsk bis zum Kaspischen Meere auf einer Strecke von 475 Werst gegenwärtig noch die wahre Goldgrube des Landes, woran alle dienenden Kosaken des Landes Theil nehmen.

Die Fischerei im Ural ist mehr ein Vergnügen, als eine Art Jagd, sie ist ein Zustand, wo sich kosakische Gewandtheit, Kraft und rasches Leben vor den Augen Aller auf eine vortheilhafte Art zeigen können. Sie ist ein Glücksspiel, da oft ein einfacher Kosak in ein paar Stunden, von Glück und Zufall begünstigt, eine Menge großer Fische fängt, die 100 und mehr Rubel Silber werth sind, während sein naher Nachbar den ganzen Tag nicht eine Flosse mit seinem Haken herauszieht. Sie ist daher zugleich auch eine ergiebige Erwerbsquelle, an der Tausende Theil nehmen, und die außer dem Vergnügen noch eine große Masse Geld in’s Land bringt. Auch für den eigenen Bedarf im Lande ist der Fischfang sehr wichtig. Die fast unglaubliche Menge aller Arten Fische, welche den Ural und die Nebenflüsse beleben und vom Kaspischen Meere immer wieder Zufluß erhalten, sind, nebst Ueberfluß an Fleisch, die gewöhnliche Speise der Kosaken. – Gemüse ist wenig vorhanden und wird auch wenig geachtet, Fleisch und Mehl sind zwar vortrefflich und unglaublich billig, aber ohne Fische, sowohl frische, als gesalzene oder an der Luft getrocknete (Balik), und ohne Kaviar, theils frischen, theils gepreßten, kann kein Kosak leben. Das ist die tägliche Speise, welche man das ganze Jahr hindurch in allen Häusern findet. Dieser so ganz frische, nur eben aus dem Fische genommene Kaviar ist aber auch etwas höchst Delicates. Der feine und vortreffliche Geschmack dieses Fischrogens an Ort und Stelle hat etwas ganz Eigenthümliches, welches dem in ferne Gegenden versendeten und gewöhnlich zu stark gesalzenen Kaviar gänzlich abgeht. Besonders wohlschmeckend ist der großkörnige etwas gelbliche, sogenannte Bernstein-Kaviar, der aber als eine Seltenheit nicht in den Handel kommt. Im Jahre 1847, als ich Uralsk zum letzten Male besuchte, kostete ein Pfund frischen Kaviars 20 bis 25 Kopeken Silber (8 Sgr.). Seit jener Zeit aber sind die Preise bedeutend gestiegen, da die Sendungen in’s Ausland sich von Jahr zu Jahr vergrößern. Aus allen diesen Gründen ist denn auch der Fischfang im Ural für den Kosaken ein wichtiger Gegenstand, und die Idee desselben durchdringt das ganze Volksleben. Die Kinder auf den Straßen spielen Fischfang, in allen Kreisen wird von demselben gesprochen und mit Sehnsucht und freudefunkelnden Augen erwartet jeder Kosak die gesetzlich bestimmte Zeit, wo der allgemeine Fischfang beginnen soll.

Obgleich der Fischfang im Uralflusse schon oft beschrieben und nachgeschrieben worden, so ist dies doch von Augenzeugen in der neueren Zeit, wo sich alle Zustände des Lebens so sehr verändert haben, wohl nicht geschehen. Außerdem ist auch der Gegenstand so höchst merkwürdig und im ganzen Erdenraume so einzig in seiner Art dastehend, daß sich immer wieder neue Ansichten daran auffinden lassen, und das interessante Material ist noch lange nicht erschöpft. Das Kaspische Meer enthält einen ungeheuren Reichthum an fetten und wohlschmeckenden Fischen, welche alljährlich, um ihren Laich abzusetzen, in die Wolga und den Uralfluß stromaufwärts gehen. Unter ihnen ist das Geschlecht Acipenser mit rüsselförmigen Köpfen mit seinen vier Arten dasjenige, welches die größten Fische enthält und den schwarzen Kaviar liefert. Der größte von diesen Fischen ist der Hausen (Beluga), welcher nach den Aussagen alter Leute in früheren Zeiten oft in einer Größe von 40–50 Pud (2000 Pfund) gefangen worden und 5–6 Pud Kaviar gegeben haben soll. Jetzt sind Hausen, die einen Faden lang, 15–20 Pud wiegen, schon eine Seltenheit. Nach dem Hausen folgt in der Größe der Stör (Osetr oder Osetrina) mit dem Schipp, einer schlechten Abart des Störs. Der Stör-Kaviar wird für den besten gehalten, doch geben auch Viele dem vom Hausen den Vorzug. Dann folgt der Sewrüga und zuletzt der kleinste von allen, der Sterlev, welcher ausgewachsen gewöhnlich nur zwei, höchstens drei Fuß lang ist. Frisch ist dieser Fisch außerordentlich fett und wohlschmeckend, und wird als Delicatesse sogar lebend mit großen Kosten bis nach St. Petersburg gebracht. Sein Kaviar ist aber zu feinkörnig und schleimig, und wird daher weniger beachtet. Außer diesen Acipenser-Arten wird der Uralstrom noch von weißen Lachsen, großen Welsen, Hechten, Sandarten, Barsen und vielen andern Fischen im Ueberflusse belebt. Da nun, wie gesagt, die Fische zu gewissen Zeiten des Jahres immer stromaufwärts gehen wollen, auch größtentheils im Flusse überwintern, andere aber, wie z. B. der Sewrüga, sobald sie gelaicht haben, wieder in’s Meer zurückgehen, so hat man seit den ältesten Zeiten unterhalb der Stadt eine Fischwehre errichtet, die alle Jahre neu gebaut und wobei der Strom von einem Ufer zum andern mit langen Balken gesperrt wird, um die großen Fische zu verhindern, stromaufwärts über die Grenzen des Kosakenlandes hinauszugehen. An dieser Fischsperre nun drängen und reiben sich die Fische, von ihrem Instincte getrieben, um gegen den Strom oder zurück in’s Meer zu schwimmen, in einer solchen Menge und mit einem solchem Eifer, daß es hier in der Tiefe von Fischen wimmelt, die in langen Reihen unter und über einander sich gegen die Fischwehre drängen.

Es war im Sommer des Jahres 1824 oder 25, als ein erst unlängst angestellter Civil-Gouverneur von Orenburg zum ersten Male die Stadt besuchte und mich zu seiner Begleitung wählte. Da es gerade in einer Zeit war, wo keine Fischerei stattfinden konnte, der Heeres-Ataman uns aber doch ein Stück des Uralschen Fischerlebens zeigen wollte, so begleitete er uns zur Fischwehre, wo uns ein wunderbares Schauspiel erwartete. Auf einen Wink des Heeres-Atamans sprang ein kräftiger und gewandter Kosak aus der uns umgebenden Menge, warf rasch Stiefeln und Oberkleider ab, nahm dann in die rechte Hand einen eisernen Haken, der an einen langen Strick gebunden war, dessen Ende von Kosaken auf der Fischwehre gehalten wurde, schlug in der Eile das Kreuz, – dann ein geräuschloses Hinabgleiten – und der Kosak war unter dem Wasser verschwunden! – Es war eine lautlose Stille, Aller Augen auf die Oberfläche des Stromes gerichtet, und wir Fremden eine halbe Minute voller Erwartung der Dinge, die da kommen würden. Da bewegte sich der Strick – das gegegebene Zeichen zum Heraufziehen – der Taucher erschien wieder auf der Oberfläche des Wassers, einen zappelnden Fisch, mit dem eisernen Haken in die Kiemen gefaßt, hinter sich herschleppend, und in diesem Zustande wurden beide unter lautem Jubel der Kosaken an’s Ufer gezogen. Man denke sich nun unser Erstaunen bei dieser wunderbaren Erscheinung, wir blieben eine ganze Zeit lang lautlos, endlich nahm der Gouverneur zuerst das Wort und bemerkte mir in französischer Sprache: er glaube, daß der Fisch wohl unten im Flusse bei der Fischwehre angebunden gewesen sein müsse, denn in einem großen Strome mit den Händen einen solchen Fisch zu fangen, sei doch eins wahre Unmöglichkeit. Der Heeres-Ataman, ob er gleich die Sprache nicht verstand, begriff aber dennoch mit der bekannten kosakischen Verständlichkeit den Sinn der Rede, befahl eine lange, unten zugespitzte Stange zu bringen, und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_164.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2022)