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Seite:Die Gartenlaube (1857) 151.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Eines Abends winkte mich die Kaiserin Mutter bei Seite und sagte lächelnd:

„Wissen Sie, weshalb der Soldat dort steht?“

„Nein, Majestät – in der That –“

„Nun, so hören Sie; man hat mir Bericht erstattet und ich will Ihnen diesen Bericht nicht vorenthalten. Die Kaiserin Katharina ging eines Tages in ihren Gärten spazieren, und entdeckte eine frühzeitig aufgeblühte, besonders schöne Moosrose. Da den Morgen darauf der Geburtstag eines ihrer Enkel fiel, so wollte sie diesem die Rose geben, und gab darum Befehl, daß, damit die Rose nicht unterdessen gepflückt werde, man eine Wache dabei stelle. Der Morgen des nächsten Tages kam, aber die Kaiserin vergaß ihre Rose. Die Wache blieb; man wagte nicht, ohne ausdrücklichen Befehl diesen Posten wieder einzuziehen. Die Rose war längst dahin – die Wache blieb, und so ist sie geblieben, ohne daß Jemand gefragt hat, weshalb sie da war.“

In Rußland fragt man überhaupt nicht. So wußte ich denn Bescheid über das Geheimniß des Wachtpostens, setzte Klinger hinzu.

Es war die erste, mit militairischer Macht bewachte Rose, von der ich gehört. – Der Posten wurde jetzt eingezogen.

St.




Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg.
(Schluß.)

Seit Jahren ist Diesterweg der Vorkämpfer für die Stellung der Schule; die meisten Feinde auf dem Gebiete der Kirche überhaupt, namentlich der orthodoxen, mag er sich durch diesen Streit gemacht haben. Seine Entscheidung ist Lebensfrage für das wahre Gedeihen der Schule. Man mag dieselbe auf einige Zeit durch Mittel aller Art zu verzögern suchen, endlich muß sie doch erfolgen, erfolgen nach den Grundsätzen einer rationell entwickelnden nationalen Erziehung. Die Volksschule ist ursprünglich nach Entstehung und Zweck Kirchschule. Die Kirche rief sie in’s Dasein, jede Confession die ihrige, oder bildete sie darnach um. So ward die Schule Confessionsschule, die Erziehung oder Belehrung der Kinder im kirchlich-confessionellen Glauben die wesentliche Bedingung des Lehrers. Auf die Bekenntnißschriften seiner Confession wird er als solcher verpflichtet, der Geistliche zur Ueberwachung seiner Bekenntnißtreue ihm zum Inspector und Vorgesetzten gegeben, die kirchlichen Lehrbücher ihm vorgeschrieben. Dies seine innere Stellung zur Kirche, die äußere, namentlich der früheren Zeit, doch auch noch an vielen Orten der Gegenwart, ist derselben entsprechend. Der Lehrer bekleidet meist kirchliche Aemter, er ist Küster, Cantor, Organist. Diese sind sein Hauptamt, gewähren ihm den Haupttheil seines Einkommens in Geld, Liegenschaften (Aeckern) und Nahrungsmitteln (Getreideschutt, Brot u. s. w.). Das Schulgeld war und ist noch meist gering. Dies Verhältniß hat sich im Laufe der Zeit etwas geändert, die Schule ward mehr weltlich. Die weltliche Obrigkeit, zum Theil der Staat, stellte die Lehrer an, das Schulamt ward zur Haupt-, die Küsterei zur Nebensache. Die Oberaufsicht geschah im Namen des Staates, aber nebenbei blieb der Geistliche in seinem Verhältnisse zum Lehrer. Diesterweg kämpft für Selbständigkeit der Schule als besondere Anstalt, will sie von der kirchlichen Aufsicht und Leitung befreit haben, ihr eigene, vom Staate ernannte, sach- und fachkundige Behörden vorsetzen, die Achtung und Stellung der Lehrer erhöhen, die Kirchschule in eine Nationalschule verwandeln, im Religionsunterrichte nur das Sittlich-Religiöse, nicht das Speciell-Confessionelle behandelt haben, so daß Kinder aller Confessionen dieselbe Schule besuchen (England und Holland haben bereits dergleichen Nationalschulen als Gegensatz zu Kirchschulen) und verlangt ausschließlich eine Bildung fürs Leben. Den Lehrern ist ein auskömmliches Gehalt zu sichern. Das Wenigste von alle Diesem ist erreicht, im Gegentheil ist man in neuester Zeit bemüht, den Schulen einen speciell konfessionellen Charakter einzuprägen, den Lehrer vom Geistlichen noch mehr abhängig zu machen. Als in neuester Zeit ein Franzose, Herr Rendu, Chef im Ministerium des öffentlichen Unterrichts, die norddeutsche Volksschule mit Heftigkeit dieser Strebungen halber angriff (der Mann hatte Deutschland im Fluge durchreist und dabei sein Schulwesen „gründlich“ studirt, auch einen öffentlichen Bericht darüber in höchst abfälliger Weise abgelegt – Arago nennt die herrschende Leidenschaft seiner Landsleute, Alles mit größter Geschwindigkeit zu thun, „Tollheit“ –) so fand er an Diesterweg seinen Mann, gleichwie ihn seiner Zeit Cousin für die Lobhudeleien des deutschen Schulwesens fand.

Die Unterrichtsgegenstände der Schule des sechzehnten Jahrhunderts waren Religion, Lesen und Singen. Dem Religionsunterrichte ward mehr als die Hälfte der Zeit gewidmet, Lesen und Singen standen nur im Dienste desselben. Allmälig kam das Schreiben, noch später das Rechnen zu den obigen Gegenständen. Schon das siebzehnte Jahrhundert brachtn einiges aus den sogenannten gemeinnützigen Kenntnissen dazu, das achtzehnte erweiterte diesen Kreis, das neunzehnte stellte den Lectionsplan so her, wie wir ihn noch vor Kurzem fanden. Dies Alles ging nicht ohne Kampf ab, man brachte gegen solchen „gottlosen, verweltlichenden“ Unterricht die trivialsten Gründe vor. Die Mädchen sollten nicht schreiben lernen, damit sie nicht Liebesbriefe schrieben, die Knaben aber nicht zu querulirenden Suppliken an Serenissimum und an die hohe Obrigkeit befähigt werden, woraus für letztere nur Incommodirung und Molestirung entständen, auch würde der Bauer und gemeine Mann durch solchen Unterricht nur weltlich gesinnt, übermüthig, superklug und widerspenstig, die Berufsarbeit werde ihm verleidet[WS 1], sei ihm zu niedrig. In neuester Zeit, namentlich nach dem Erscheinen der sogenannten preußischen Regulative vom 1., 2. und 3. October 1854, sucht man den Unterricht in diesen Fächern sehr zu beschneiden, dagegen die Religionsstunden bedeutend zu vermehren. Diesterweg kämpft seit Erscheinen jener Verordnungen mit Entschiedenheit gegen sie, und kann er auch der physischen Macht nicht gebieten, so befestigt er doch die moralische in den Herzen aller strebsamen Lehrer für seine Sache. Eine strenge, dauernde Durchführung jener Vorschriften über den Unterricht ist nicht glaublich, das deutsche, namentlich das preußische Volk ist in seinen intelligenten Provinzen zu weit vorgeschritten, als daß ihm Stillstand und Rückschritt geboten werden könnte. Mag es sein, daß man die strebsamen Lehrer entmuthigt, daß man gegen andere deutsche Staaten zurückbleibt, eine Zukunft haben jene Regulative ebenso wenig, als Wöllners Religionsedicte zu Ausgang des vorigen Jahrhunderts. Mag Englands Machtstellung im Capitale ruhen, die des deutschen Volkes liegt in der Bildung. Bildung ist Macht! Ihre Verkümmerung ist Schmälerung des Nationalwohlstandes und rächt sich sicher. Die „Rheinischen Blätter“ von 1855 und 1856, sowie die besondern Broschüren Diesterwegs bekämpfen die Tendenzen jener unterrichtlichen Verordnungen mit außerordentlicher Schärfe.

Auch für die Lehrerbildung ist Diesterweg vielfach in die Schranken getreten. Stellte das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert Handwerker, ehemalige Schüler der Lateinschulen und verdorbene Theologen als Lehrer an, so begann man, namentlich in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, mit der Errichtung besonderer Lehrerbildungsanstalten, und fuhr im Laufe des gegenwärtigen damit fort. Auch diese Anstalten, deren Mängel nicht in Abrede gestellt werden sollen, wurden vielfach, besonders von den Strenggläubigen unter den Geistlichen angefeindet, indem man den daraus hervorgegangenen Lehrern Mangel an religiösem, besonders kirchlichem Sinn, Halbbildung und Hochmuth vorwarf.

Die Männer der Reaction stimmten mit ein, und so ist man an Beschränkung und Verlegung der Seminare in neuester Zeit gegangen, während die Geschichte bereits das Resultat feststellt, „daß sich das Schulwesen besonders seit Errichtung der Seminare und durch dieselben gehoben hat.“ Man vergleiche in dieser Beziehung das englische, französische und österreichische Schulwesen mit dem des übrigen Deutschland. Diesterweg ist allezeit für tüchtige, durchgebildete Lehrer in die Schranken getreten, und als man um die sogenannte wechselseitige Schuleinrichtung Dänemarks der deutschen Schule empfahl, die Regierungen Fachmänner zur Prüfung derselben nach Dänemark abordneten, von denen Einige günstig berichteten, so trat Diesterweg, er war auch in jenen Schulen gewesen und hatte schärfer als viele gesehen, entschieden gegen sie

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: verleitet
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_151.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)