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Seite:Die Gartenlaube (1857) 150.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

erhob zuvorderst Einsprache gegen die Competenz des Gerichts; nur seinem Herrn, dem Herzoge von Burgund, habe er Rede zu stehen, nicht den Bürgern und Bauern, die hier beisammen säßen.

Doch die Einrede wurde verworfen und er ermahnt, zu sagen, was er gegen die schweren Anklagen vorzubringen habe. Da der Freiherr schwieg, ergriff sein verordneter Rechtsbeistand, Herr Hans Irmi, das Wort, und nachdem er alle Schuld von dem Angeklagten ab auf den Herzog, nach dessen Befehl der Landvogt gehandelt, zu wälzen suchte, hoffte er, den Angeklagten zu retten. Seine Bemühungen waren umsonst. Nachdem man vom Morgen bis zur siebenten Abendstunde gesprochen und berathen, erhob sich der Vorsitzende, Schultheis Thomas Schütz nebst den übrigen Beisitzern des Gerichts und indem er über den Angeklagten den Stab brach, erklärte er ihn, nach dem Wahlspruch der Richter, für schuldig und verurtheilt, mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gerichtet zu werden.

Bei der Verkündigung dieses Urtheils entfärbten sich des Landvogts Wangen und seine Kniee bebten. Er drehte sich um und bat um einen Trunk Wein. Der Mann, der ihm zunächst stand, eilte in die gegenübergelegene Weinschenke „zum wilden Mann“ und kehrte eilig mit einem Becher Rheinweins zurück, den er dem Landvogt mit den Worten reichte:

„Trinkt, Herr Freiherr, und seid gefaßt wie ein Christ, der Tod sühnt alle Schuld und Gott möge Eure Seele zu Gnaden aufnehmen und Euch Eure Sünde vergeben, wie ich Euch das Böse vergebe, das Ihr gegen meinen Bruder und mich im Sinne führtet.“

Der Landvogt, dessen Trotz und Muth im Angesicht des Todes immer mehr wich, drückte dem Manne die Hand und murmelte:

„Der Allmächtige lohne Euch dieses Wort, Meister Schmied, das Ihr mir jetzt gesagt –“

Eine Stunde später fiel sein Haupt unter dem Schwerte des Nachrichters. Der Goldschmied war nicht bei der Execution gegenwärtig, sein weiches Gemüth konnte den Anblick einer solchen blutigen Scene nicht ertragen. Der Waffenschmied brachte ihm die Kunde davon, indem er hinzusetzte, daß der Landvogt ihm noch aufgetragen, Frau Elsbeth um Verzeihung wegen des Bösen zu bitten, das er gegen sie im Sinne gehabt.

„Möge Gott ihm vergeben, wie ich es thue,“ sprach, erschüttert und sich weinend an des Gatten Brust werfend, die junge Frau, „er ruhe in Frieden.“

„Amen!“ setzte der Waffenschmied bewegt hinzu.




Die Darstellung des weiteren Verlaufs dieser Ereignisse gehört nicht mehr in das Bereich dieser Erzählung. Nur soviel sei noch mitgetheilt, daß es den beiden Baronen von Hewdorf und Eptingen vollständig gelang, den durch die Hinrichtung Hagenbach’s auf’s Aeußerste erbitterten Herzog von Burgund zur Zurückweisung der Berner Gesandtschaft sowie zu Feindseligkeiten gegen die Vorlande und die Eidgenossenschaft zu bewegen. Die Namen von Granson und Murten, diese Namen der Schlachten, in denen die burguudische Macht den Todesstoß erhielt, erzählen selbstredend den Verlauf jenes verhängnißvollen Kriegs, der Karl dem Kühnen zuletzt das Leben kostete.

Die Folgen dieses Krieges für die politische Gestalt Europa’s waren schwer und verhängnißvoll und ihre Wirkungen dauerten Jahrhunderte. –




Die bewachte Rose.
(Mit Abbildung.)

Als ich in Petersburg den General Klinger besuchte, der bekanntlich Goethe’s Jugendfreund war, erzählte mir der greise Dichter folgende liebliche Anekdote, die den Stoff zu einem schönen Gedicht abgeben könnte.

Ich war noch nicht lange in Petersburg, hub der General an, als ich eines Tages die Kaiserin Mutter nach Zarskoi-Selo begleiten mußte. Indem ich auf einem einsamen Spaziergange die weitläufigen Gärten durchstrich, gewahrte ich an einer Stelle einen Wachtposten aufgestellt, und ich konnte nicht entdecken, welchen Gegenstand dieser Posten bewachte. Es befand sich kein Gebäude in der Nähe, auch war die Stelle des Gartens nicht so gelegen, daß man glauben konnte, irgend ein frequenter Spaziergang des Hofes führe hier vorbei; es war ein Stück grünen Rasenplatzes und eine überall angebrachte Einfassung. Ich blieb stehen und sah mir dieses Räthsel an. Der Soldat, schweigend und ernst, ging in seinem Diensteifer immer auf derselben unerklärlichen Stelle seine vorgeschriebenen zehn Schritte auf und ab. Endlich entschloß ich mich, ihn zu fragen, und brachte mit einigem Zögern die Worte hervor:

„Brüderchen, warum stehst Du hier?“

Er blieb stehen, sah mich an, und da er einen Orden an meinem Halse erblickte, glaubte er, daß es seine Pflicht sei, mir zu antworten, er stellte sich gerade und antwortete in einem respectvollen Tone: „Väterchen, weil es mir so befohlen worden ist.“

Ich wußte, daß eine zweite Frage unbeantwortet bleiben würde, ich mühete mich daher von Neuem, zu entdecken, wo der Gegenstand und welcher Art er sei, der hier bewacht wurde. Ich fand nichts. Zuletzt wurde mir der stumme Soldat und das Stück Rasen ordentlich unheimlich. An der Mittagstafel sah ich den wachthabenden Lieutenant, und während ich unterdessen an tausend andere Dinge gedacht hatte, kam mir, als ich die Epaulettes erblickte, doch rasch wieder der Soldat und seine räthselhafte Bestimmung in’s Gedächtniß. Ich fragte und erhielt dieselbe Antwort: „Er ist an die Stelle commandirt worden.“

„Wer hat ihn commandirt?“

„Das Wachreglement.“

„Weshalb?“

„Da müssen Sie den General fragen, der die Ordres vertheilt.“

„Offenbar ist doch an jener Stelle nichts zu bewachen!“

„So scheint’s.“

„Und dennoch!“

Der junge Mann sagte jetzt mit einem etwas impertinenten Accent:

„Excellenz sind ja selbst Militair, werden wissen, daß wir niemals erfahren, weshalb wir etwas thun, genug, wir müssen es thun.“

Mit diesem Satze hatte es allerdings seine Richtigkeit, und ich mußte nun warten, bis ich nach Petersburg zurückkehrte, um dem fraglichen General, der mir näher befreundet war, mein Anliegen vorzutragen. Es fand sich bald dazu eine Gelegenheit; aber auch hier erfuhr ich nichts.

„Wir stellen diesen Posten schon über fünfzig Jahre aus, und immer steht nur in den Büchern: der Posten, fünfhundert Schritte vom östlichen Pavillon.“

„Ach,“ rief ich, „was sind das für sonderbare Dinge! Wer läßt denn ein Stück freies Feld bewachen? Die Sache muß eine andere Bewandtniß haben. Geben Sie doch Befehl, daß der unnütze Posten eingezogen wird.“

„Das darf ich nicht. Der Befehl muß von Oben kommen; geschieht dies nicht, so wandert der Soldat noch nach hundert Jahren an dieser Stelle.“

Mein Eifer, dem Geheimniß auf den Grund zu kommen, wurde jetzt fast ein nervöser. Ich träumte von Schätzen, die dort begraben lagen, und von denen Niemand als die höchste Person des Staates und ich Kenntniß hatten; dann fand ich’s wieder ergötzlich, daß man die Natur als Natur bewachte, gleichsam der freien Wolkenbildung, dem üppigen, ungezwungenen Wehen der Winde einen Wink ertheilte, der ihnen Kunde gab, daß sie bewacht seien, also daß sie vorsichtig zu sein hätten. Ich kam öfters nach Zarskoi-Selo, lediglich um meinen geheimnißvollen Wachtposten zu sehen. Endlich wurde meine ungestillte Wißbegier auch in weiteren Kreisen bekannt. Ein Umstand, der Niemand bis jetzt aufgefallen war, bekam plötzlich eine Wichtigkeit, und sehr Viele bei Hof und in der Stadt fragten jetzt, wie ich gefragt hatte.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_150.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)