Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1857) 145.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

No. 11. 1857.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0 Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Böse Räthe.
Historische Novelle von Karl Wartenburg.
(Schluß.)


III.

Während der Waffenschmied so mit seinen Freunden über des Landes Noth und seine Errettung aus des Landvogts und der burgundischen Herrschaft Händen berieth, saß der Freiherr von Hagenbach mit seinen zwei vertrautesten Freunden und Räthen, den Baronen Bilgeri von Hewdorf und Konrad von Eptingen, in einem Gemach des Herrnhauses zu Breisach, sich mit ihnen über die Maßregeln besprechend, die gegenüber dem aufgeregten Volke und den drohenden Bündnissen zwischen der Eidgenossenschaft, dem Erzherzog Sigismund und den Städten der sogenannten niederen Vereinigung, an deren Spitze Basel und Straßburg standen, zu ergreifen wären. Denn dem scharfen Blick des burgundischen Statthalters war die dumpfe Gährung im Lande, der verbissene Grimm und Trotz der Leute, der besonders in der letzten Zeit zu Tage getreten, nicht entgangen und er wußte auch, daß es nur eines geringen Anlasses bedurfte, um das Land aller Orten in hellen Aufruhr zu bringen. Dazu kam noch, daß ihm ein Gerücht zu Ohren gekommen, nach welchem die Herren von Bern und Straßburg entschlossen seien, eine Gesandtschaft an den Herzog Karl von Burgund zu senden, die sich über Hagenbach’s Regiment, so er im Lande führte, so wie über seine unnachbarliche, feindselige Gesinnung gegen die Eidgenossenschaft beschweren sollte. Er und die beiden Barone von Hewdorf und Eptingen wußten nun aber recht wohl, daß dem Herzog Karl vor allen Dingen an Frieden und Freundschaft zwischen Burgund und der Eidgenossenschaft gelegen war und daß er einen offenen Friedensbruch seines Gouverneurs in den Vorlanden mit schwerer Ahndung getroffen haben würde. Aber der Landvogt und seine zwei Freunde, die Barone von Hewdorf und Eptingen, die, nachdem sie ihre Besitzungen in den Fehden mit der Eidgenossenschaft verloren, in burgundische Dienste getreten waren, wollten eben diesen Krieg zwischen Burgund und der Schweiz, sie wollten sich rächen dadurch an diesen übermüthigen Kuhbauern, wie die Edlen die Schweizer nannten. Besiegt in allen Fehden von den Bauern aus den Waldstetten, brannten die stolzen Barone, die Schmach ihrer Niederlagen in dem Blute der Eidgenossen zu ersticken, und in wem konnten sie ein besseres Werkzeug ihrer Rache finden, als in dem mächtigen Burgunderherzog Karl dem Kühnen, dem es nach der Königskrone des arelatischen Reiches gelüstete, eines Reiches, das bis jetzt nur in den Träumen des ehrgeizigen, phantastischen Fürsten bestand, dessen Grenzen aber von der Schelde bis hinunter zu den Ebenen der Lombardei sich erstrecken sollten.

Unterstützt von einer kleinen, einflußreichen Partei am burgundischen Hofe, war es Hagenbach und seinen Freunden bis jetzt auch gelungen, die Klagen des Volkes in den Vorländern über seine tyrannische Herrschaft und die der benachbarten Eidgenossen über sein herausforderndes, übermüthiges Wesen gegen sie von des Herzogs Ohr fern zu halten, und so die wahre Lage der Dinge zu verbergen. Es galt jetzt noch eine Anstrengung, um auch diesen letzten Versuch einer Aussöhnung der Eidgenossenschaft mit Burgund zu vereiteln, und das Spiel der Barone war gewonnen: Krieg zwischen Burgund und der Schweiz unvermeidlich.

Dies war der Gegenstand des Gesprächs, welches die drei Männer in des Freiherrn Cabinet mit leidenschaftlicher Erregung führten. Der Landvogt war dieses Mal anderer Ansicht, als seine zwei Freunde, die Barone von Hewdorf und Eptingen, und in lebendiger Rede suchte er ihnen das Richtige seiner Ansicht zu beweisen.

„Sprecht, was Ihr wollt,“ rief er endlich, vor den beiden Herren stehend bleibend und die Arme übereinander kreuzend, „sprecht, was Ihr wollt, Ihr Heren, ich bleibe bei meiner Meinung. Der Herzog ist kein Feind der Eidgenossen; kann er den Krieg vermeiden, so thut er es sicherlich. Und dies geschieht, falls die Herren von Bern und Straßburg vor Euch zu ihm in’s Lager kommen. Ich kenne das Bürgerpack der beiden Städte. Sie werden den Herzog mit ihren Beschwerden und Querelen über mein Regiment in diesen Landen, so wie über mein wenig freundnachbarliches Benehmen gegen sie so lange in den Ohren liegen, bis er den niederländischen Duckmäuser, seinen Kanzler van Hugonnet, mir über den Hals schickt. Und dann gebt Acht, was geschieht! Dann wird das Bürger- und Bauernvolk gelaufen kommen und dem alten griesgrämigen Federfuchser klagen, wie ich ihnen den Daumen auf’s Auge gehalten und mich zuweilen mehr, als es meiner landesväterlichen Fürsorge ziemte, mit ihren Weibern und Töchtern beschäftigte, und die von Bern und Basel und Mühlhausen, und wie die Nester alle heißen, werden in den Chorus einstimmen und die Geschichte von den Fahnen zu Schenkenberg ihm vorlamentiren, und ein Jedes wird seine Litanei vorbringen, bis das Sündenregister voll ist und der Kanzler mich zum Teufel schickt. Doch kommt Ihr zuerst zum Herzog, so wendet sich der Spieß, wir spielen das praevenire und unser ist das Spiel.“

„Bedenkt Euch noch einmal, Herr Landvogt,“ warf Bilgeri von Hewdorf ein, indem er sich von seinem Sitz erhob und an das Fenster trat, von dem aus man die vom Mond beglänzte Landschaft,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_145.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)