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Seite:Die Gartenlaube (1857) 119.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

mehrere junge Mädchen. Der Kopf war in viele Quadrate getheilt und das eines jeden einzelnen für sich zu einem Zöpfchen verflochten. Der Anblick dieser vielen kleinen aufrechtstehenden Zöpfchen war in der That höchst komisch.

Unter den Indianerinnen hatten wir einige bemerkt, deren Halsschmuck von den feurigsten Brillanten zu sein schien, so hell und schön leuchtend spielte er in allen Farben. Wir sprachen unser Erstaunen darüber einem jungen Indianer aus, welcher auch sofort die Freundlichkeit hatte, uns zu seiner Braut zu führen und diese zu bitten, ihre Halskette uns zur genaueren Besichtigung in die Hände zu geben. Wie groß war unsere Verwunderung, in diesen vermeintlichen Brillanten nur Käfer zu erblicken! Sie waren über zollgroß und gehörten zu dem Geschlechte der sogenannten Schmidte, welche, auf den Rücken gelegt, sich aufschnellen. Sie waren natürlich lebendig, mit Fädchen an einander gereiht, und um den Hals geschlungen, wobei sie die Freundlichkeit hatten, für die Dauer ihres Dienstes die Beine einzuziehen, und sich auch sonst ganz still zu verhalten. Den Tag über werden sie in Flaschen mit etwas Zucker aufbewahrt. Ihr Leuchten übertrifft das Licht der hellsten Brillanten in allen Farben und ist auf sehr große Entfernung sichtbar. So gibt die Natur den dortigen Schönen umsonst einen Schmuck, um dessen Pracht die europäischen Damen sie beneiden können.

Bis fast gegen Morgen währte dieses Treiben, als endlich sowohl Tänzer wie Musikanten und Zuschauer ermüdet sich zurückzogen. Wir verzichteten auf das Vergnügen, den Moskito’s noch die letzte Nacht als Spielwerk zu dienen, und benutzten die wenige Zeit bis zum Tagesanbruche, unser Gepäck zu ordnen. Mit den ersten Strahlen der Sonne schifften wir uns ein, und mit freudigem Herzen betraten wir den Steamer Bogota, der uns in seinen fürstlich eingerichteten Räumen gastlich aufnahm. In wenig Stunden war Alles zur Abfahrt bereit; der Kapitain gab die nöthigen Befehle und der Koloß setzte sich in Bewegung. Erst langsam, dann immer schneller schlugen die mächtigen Räder die Wellen, und bald war Panama, das im Stillen gefürchtete Panama, unsern Blicken entschwunden.




In der Herrnhuter Brüdergemeinde.
Von G. A.       (Schluß.)

Das Missionswerk hat die Herrnhuter auf die kirchliche Stellung geführt, welche sie einnehmen. Sie bekennen sich zur Augsburgischen Confession, ob sie gleich jedes menschliche System der göttlichen Wahrheit als unvollkommen gelten lassen, und lange vor dem Philosophen von Sanssouci schon die Forderung stellten, daß Jeder nach seiner Façon selig werden solle. Die Sünderschaft des Menschen gegenüber dem Versöhnungstode Gottes ist ihnen Anfang und Ende und der Mittelpunkt ihrer ganzen Glaubenslehre, und die Früchte des Glaubens sind ihnen – nach einem Ausspruche Zinzendorf’s – „nicht Pflichten der Gläubigen, sondern Vorrechte zur Jesusähnlichkeit.“ Für diesen Inhalt, den die Missionäre in Grönland zuerst erkannten, wurde die Form des mährischen Kirchenthums hervorgesucht, als die Missionäre in Westindien der Ordination bedurften, um sakramentale Handlungen gültig verrichten zu können, die Augsburgischen Confessionsverwandten aber herrnhutische Missionäre nicht ordiniren mochten. Indem das Herrnhuterthum sich als Fortsetzung der alten, aus hussitischer Parteizerklüftung 1457 hervorgegangenen Brüderkirche erklärte, gewann es zugleich die Ueberlegenheit historischen Bestandes und die Unabhängigkeit vom Grolle orthodoxer wie pietistischer Eiferer. Mit den bischöflichen Weihen, welche Oberhofprediger Jablonsky in Berlin, des alten Commenius letzter Nachkomme, am 13. März 1735 dem Zimmergesellen David Nitschmann ertheilte, war das Missionswerk der Herrnhuter erst gesichert.

Freilich ist die Fiction einer erneuerten Brüderkirche etwas Gewagtes und das Herrnhuterthum von der alten Brüderkirche etwas wesentlich Verschiedenes. So wenig den Grubenheimern, wie die alten Brüder in Böhmen und Mähren vom Volke genannt wurden, die „Bluttheologie“ des Herrnhuterthums zur „einigen und alleinigen Glaubensmaterie“ entwickelt erschien, ebensowenig war ihnen das Chorwesen, der Kultus und die Verfassung des Herrnhuterthums bekannt; am allerwenigsten hatten sie einen Begriff von dem „Oekonomikum,“ mittelst dessen die Herrnhuter als industrielle Korporation den Bedarf ihrer kirchlichen Stellung decken, und von welchem schon die Synode von 1769 so richtig erkannte als redlich bekannte, daß es „den Ruf in Christo zu schmälern, den Charakter einer Gemeine Jesu zu entstellen“ geeignet sei.

Von der alten Brüderkirche haben die Herrnhuter vorzugsweise nur ihre Kirchenzucht und die Kirchengrade fortgesetzt. Die Kirchenzucht ist bestimmt, christliche Sitte in den Gemeinen aufrecht zu erhalten, und von heilsamem Einfluß, ob sie gleich oft nur schlaff und nicht immer parteilos gehandhabt wird. Sie kann sich von verschwiegener Zurechtweisung bis zu öffentlichem Sprechen vor dem Aufseherkollegium, vom Ausschluß aus der Zahl der Abendmahlsgenossen bis zum Ausschluß aus der Zahl der Gemeinemitglieder steigern.

Den obersten Kirchengrad nehmen die Bischöfe ein, die jedoch nicht wie in der alten Brüderkirche besondere Kirchensprengel verwalten, sondern nur die Ordination verrichten. Zu Kirchenvorstehern werden in der Regel die Gemeinprediger ordinirt. Diakonen sind die angehenden Diener der Gemeine, die als Gehülfen beim Predigen, bei Verwaltung der Sakramente und bei sonstigen Kirchenhandlungen oder Gemeinegeschäften gebraucht werden. Die Annahme zu niedern Kirchendienst besteht in der Verpflichtung zu tüchtigem und willigem Schul-, Anstalts- oder Gemeindienst mittelst Handschlags. Brüder oder Schwestern, welche zum ersten Mal in ein Pfleger- oder Vorsteheramt eintreten, empfangen dazu die Einsegnung. Jedes Kirchenamt ist für jeden Bruder erreichbar, auch wenn er nicht im Pädagogium zu Niesky, im Seminar zu Gnadenfeld studirt hat, und Aeltester, Arbeiter oder Diener, wie die Herrnhuter ihren Klerus nennen, kann jeder Handwerker werden, auch wenn er nicht, wie einst der Töpfergesell Martin Dober, das alte Testament in der hebräischen, das neue in der griechischen Ursprache zu lesen versteht. Geeignete „Herzensstellung“ und gehörige „Herzenserfahrung“ befähigt zur Ordination und der Klerus, den die Herrnhuter noch im ursprünglichen Werth inne haben, insofern ihre Aemterbesetzung nach dem Loos erfolgt, ist keine Innung, in welche nur aufgenommen wird, wer zünftig gelernt hat.

Es war drei Uhr Nachmittags, als ich aus dem Brüderhaus in’s Gemeinlogis zurückkehrte. Eben rief Glockengeläut die Gemeine zum Chorliebesmahl der ledigen Schwestern zusammen. Der Wirth im Gemeinlogis nahm mich mit sich. Der Gemeinsaal ist wie der Chorsaal, den ich im Brüderhause sah, nur von vergrößertem Maßstab, eine lichte und schlichte, freundliche Räumlichkeit, ohne alle Zierrathen der Kunst. In der Mitte saß auf langen Bänken mit hohen Lehnen das festfeiernde Chor, junonische Gestalten neben welken, verwitterten Matronen, alle in dunklen Kleidern mit dem weißen Häubchen und der rothen Bandschleife daran. Auf den Bänken seitwärts waren die zu Gaste geladenen Chöre, dem festfeiernden Chore gegenüber auf etwas erhöhten Sitzen die Arbeiter und zwischen diesen der „Liturgus“ (Geistlichkeit) hinter einem weiß behangenen, mit hellrothem Band umkränzten Tisch. Die Feier bestand in Wechselgesängen zwischen Liturgus, Gästen und Festgeberinnen über den jungfräulichen Beruf der letzteren und ihr Brautverhältniß zu Christo, wozu jedem Anwesenden ein Milchbrötchen mit zwei Tassen Thee gereicht wurde. Die gesungenen Lieder hatten wenig poetischen Werth, aber die musikalische Begleitung, unter welcher sie gesungen wurden, war überaus sanft und in ihrer edlen Einfachheit wahrhaft ergreifend.

Die Liebesmahle der Herrnhuter sind denen der alten Christen nachgeahmt. Im Jahr 1731 waren nach einem Abendmahl noch sieben kleine Gesellschaften beisammen geblieben, und der Graf Zinzendorf hatte ihnen aus seiner Küche Essen geschickt, damit sie nicht auseinander zu gehen brauchten. Dieser Anlaß führte auf Erneuerung der Agapen (religiösen Mahlzeiten bei den ersten Christen). Wenn irgend ein Bruder Geburtstag hatte, wenn er auf einen Posten abreiste oder davon zurückkehrte, wenn sonst ein Gemeinfest war, wurden Liebesmahle

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_119.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2022)