verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Einen nach St. Thomas, die Andern nach Grönland zu gehen. Jene wurden am 21. August 1732, diese am 19. Januar 1733 auf ihre Posten abgefertigt.
Besonders die Mähren wendeten sich dem neuen Berufe zu. In kühnem abenteuerlichen Wagen erprobter als die übrigen Einwohner von Herrnhut, zogen sie aus mit wenig Mitteln nach Nord und Süd und suchten in Tranquebar, auf Ceylon und den Nikobaren, unter Indianern von Nordamerika, Freinegern von Surinam, Kopten von Abyssinien, Ghebern von Persien, Christensklaven von Algier, Negern von Guinea und Kalmücken von Astrachan Raum zu gewinnen für sich selbst wie für ihre Landsleute, die man in Herrnhut nicht länger aufnehmen durfte.
Die Geschichte dieser ersten Missionäre ist reich an heroischer Gesinnung und That. Als sie hörten, daß man in Grönland keine Häuser bauen könnte, sagten sie: „So wollen wir uns in die Erde graben!“ und als sie erfuhren, daß man in Westindien, um mit den Sklaven zu verkehren, die Arbeit derselben theilen müsse, faßten sie den Entschluß, „sich zu Sklaven zu verkaufen.“ Nach Surinam und Berbien mußten in langer Zeit alljährlich Missionäre nachgeschickt werden, die Lücken auszufüllen, welche das Fieber in ihre Reihen riß, und man betrauerte in Europa noch den Verlust der ersten Opfer, als sich schon wieder neue anboten. Johannes Sörensen, von Zinzendorf gefragt: „willst Du morgen nach Grönland gehen?“ antwortet: „Ja, wenn ich ein paar Schuhe bekomme!“ und am folgenden Tage war er auf der Reise. Georg Weber, von Zinzendorf bei der Einfahrt in den Hafen von St. Thomas darauf vorbereitet, daß sie vielleicht keinen Missionär auf der Insel mehr am Leben fänden, erwiedert: „Nun, so sind wir da!“ Gottlieb Israel scheiterte bei Tortola und rettete sich auf eine Klippe. Während sein Gefährte, der Studiosus Feder, vor seinen Augen vom Meere verschlungen wird, segnet er ihn ruhig zur „Heimfahrt“ ein und während er selbst, ein lahmer Krüppel, jeden Augenblick in Gefahr ist von der Klippe heruntergespült zu werden, singt er wohlgemuth im Tosen der Brandung den Lieblingsvers der ledigen Brüder:
Ihr Mauerzerbrecher, wo sieht man euch?
Die Felsen, die Löcher, die wilden Sträuch’,
Die Inseln der Heiden, die tobenden Wellen
Sind unsre vor Alters bestimmten Stellen.
Gegenwärtig, wo das Missionswerk mit mehr Geldmitteln und weniger Begeisterung getrieben wird, sind in Grönland und Labrador, unter den Indianern von Nordamerika, auf den drei Inseln des dänischen und auf fünf Inseln des englischen Westindiens, in Surinam und auf der Südspitze von Afrika Missionen, die noch aus früherer Zeit herstammen, sowie in Neuholland und auf der Mosquitoküste, welche erst neuerdings unternommen wurden. Wiederholt ist auch ein Versuch für Thibet und die Mongolei gemacht worden, bisher jedoch ohne Erfolg. In diesen 14 Missionsprovinzen arbeiten 300 Missionäre auf 70 Missionsstationen. Die Zahl ihrer Pfleglinge beträgt 70,000. Das ist eine kleine Zahl bei der langen Dauer des Missionswerkes und bei den großen Opfern an Menschen und Geld, welche demselben gebracht worden sind. Indessen ist es den Herrnhutern nicht um Massenbekehrungen zu thun; sie taufen nur die Heiden, welche Rede und Antwort von den Hauptpunkten der christlichen Lehre geben können, und ihren Missionären wurde schon 1742 die Instruktion ertheilt: „nicht auf ein Netz es anzutragen, darin man Alles zusammenfaßt, sondern auf eine Auswahl, ein Bündlein der Lebendigen.“
Der jährliche Kostenaufwand für das Missionswerk beläuft sich auf ungefähr 90,000 Thaler. Einen beträchtlichen Theil dieser Summe nimmt die Erziehung der „Missionskinder“ in Anspruch. Die Missionäre nämlich sind gehalten, ihre Söhne und Töchter im zartesten Lebensalter von sich und nach Europa zu geben, wo sie das „Missionsdepartement“ – meist in den Pensionsanstalten von Kleinwelka – erziehen läßt. Freie Gattenwahl ist den Missionären erst seit 1848 zugestanden. (Schluß folgt.)
Die römische Architektur, welche recht eigentlich zur Dienerin des Lebens wurde, eröffnete sich ein unendlich weites Feld für ihre Thätigkeit. Nicht der Tempel allein ist es mehr, dem eine ideale Ausbildung gebührt; das ausgebildete Rechtssystem erforderte eine Menge von Basiliken, die zugleich dem geschäftlichen Verkehr des Tages eine schirmende Stätte boten. Den Angelegenheiten des Staates diente das Forum mit seiner complicirten, großartigen Gestaltung; die leidenschaftliche Lust der Römer an Schaudarstellungen aller Art rief die, meistens riesenhaften Anlagen der Theater, Circus, Amphitheater hervor; dem öffentlichen Vergnügen, überhaupt waren die kolossalen Gebäude der Thermen (ursprünglich warme Bäder) geweiht. Sodann brachte die Sitte, ausgezeichneten Personen Denkmäler zu errichten, die prächtig geschmückten Triumphthore, die Ehrensäulen und Grabmonumente hervor. Die Paläste, Villen und Wohnhäuser überboten sich einander an Glanz und Größe; unübertroffen sind aber die Nützlichkeitsbauten (Brücken, Wasserleitungen, Heerstraßen und Befestigungen) der Römer.
Aus der früheren Epoche der römischen Architektur, welche die ersten Zeiten der Republik umfaßt, wissen wir nicht viel; nur daß die Anlegung der berühmten Heerstraße, der Via Appia, sowie der Bau großartiger Wasserleitungen schon in jene Periode fällt, ist bekannt. Auch das Forum der Stadt Rom erhielt damals bereits eine bedeutsame Anlage. Erst gegen 150 v. Chr., als Griechenland römische Provinz geworden war, begann eine höhere Entwickelung der Architektur. In jener Zeit wurden in Rom die ersten prachtvollen Tempel (des Jupiter Stator, der Juno) ausgeführt. Besonders aber gehört die erste großartige Ausbildung der Basiliken in ihrer römischen Eigenthümlichkeit jener Zeit an. – Den Höhepunkt ihrer edelsten Blüthe erlebte die römische Architektur unter Augustus.
In der Augusteischen Periode entstanden prachtvolle Tempel (des Quirinus), das Pantheon, die großartigen Thermen des Agrippa, das Theater des Marcellus, das riesige Mausoleum (Grabdenkmal) des Augustus u. s. f. Was uns aus dieser Zeit (aus welcher auch Vitruv’s architekton. Lehrbuch stammt) enthalten ist, zeichnet sich durch eine gewisse Harmonie und einfachen Adel der Verhältnisse vortheilhaft aus. – Zur Zeit des Titus treten gewisse römische Eigenthümlichkeiten schärfer hervor, wie denn auch an seinem Triumphbogen
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_110.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)