verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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Nr. 2.
Fürstliche Sonderlinge.
Ein Mann von Geist, Witz, aber auch von vielen Seltsamkeiten war der Herzog August von Sachsen-Gotha, der vorletzte seines jetzt ausgestorbenen Stammes. Er lebte zu Anfang dieses Jahrhunderts. Er war ein braver, rechtschaffener Mensch, ein guter Regent, der besonders in der Wahl seiner Staatsdiener sehr vorsichtig und glücklich war, aber voller Wunderlichkeiten, und man erzählt sich viele Züge von Bizarrerie und Sonderbarkeit. Der Dichter Jean Paul befand sich öfters in seiner Nähe, wohnte sogar einige Zeit in Gotha, allein er fühlte sich dort nicht behaglich, sowie sich denn Niemand bei diesem Fürsten behaglich fühlte, dessen Geist eine scharfe und verletzende Bitterkeit hatte. Ein fürstlicher Satiriker und Persifleur ist doppelt gefährlich, weil er die Waffen allein in Händen hat, und der Gegner ihm keine entgegensetzen kann. Es gibt einen Geist, der, wie der Spieß des Telephos zugleich verwundet und heilt, es gibt aber auch einen, der nur verwundet und die Heilung Andern überläßt. Der erstere bessert und erhebt, der zweite beleidigt und macht verhaßt. Dies sollten sich die Spötter merken.
Der Herzog war groß, lang, ohne dabei schön gewachsen zu sein; seine Gestalt entbehrte des Ebenmaßes, so wie sein Gesicht der natürlichen frischen Farbe. Er zeigte jenes krankhafte Weiß, das mit röthlichem Haar verbunden zu sein pflegt; dabei waren seine Augen ausdruckslos, mit hellblonden Wimpern und Brauen umgeben. Da er Roth auflegte, sowohl auf Lippen als auf Wangen, ja sogar Schönpflästerchen nicht verschmähte, bekam er das Ansehen eines Weibes. Dazu trug die bald blonde, bald braune Lockenperrücke das ihrige bei, denn er wechselte mit seinen Haaren wie mit seinen Launen. Oft sah der Hof zum größten Erstaunen ihn in einem Lockenkopf erscheinen, der zur Hälfte blond, zur andern schwarz war. Welch’ einen Eindruck dies machte, läßt sich kaum beschreiben. Ueberhaupt schien ihn das gewöhnliche Leben anzuwidern, und die Kleidertrachten, die die Mode mit sich brachten, waren ihm lange nicht abwechselnd und originell genug, daß er sich nicht hätte bemühen sollen, Variationen hineinzubringen. Wenn lange genug seine Lockenperrücke gerade auf dem Kopfe gesessen, zog er sie über das Gesicht herab und blickte so durch eine der in der Perrücke angebrachten Oeffnungen sich die Gesellschaft an, die ihrerseits diesen gnädigen Spaß belachte. Wenn er dazu genöthigt war, trug er die Uniform, wie sie damals getragen wurde; wenn aber keine äußern Verhältnisse ihm Zwang anlegten, wählte er sich irgend ein Gewand, von denen er in seiner phantastischen Garderobe eine große Auswahl hatte. Manchmal ging er als indischer Priester herum, dann als jüdischer Rabbi, dann als Grieche, öfters aber auch warf er sich in das Gewand einer Frau, bekleidete seine Arme mit Schmuck
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_093.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)