verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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mit einer Lösung von Pyrogallussäure das Bild auf derselben hervorgerufen, im Bade von unterschwefligsaurem Natron fixirt und auf diese Weise vollendet schöne Schablonen erzielt, deren Kopieen wenig oder keiner Retouche bedürfen.
Groß ist bereits der Nutzen, den Wissenschaft und Kunst aus dem so vervollkommneten Verfahren der Photographie erzielen, bereits rüsten sich Reisende nach fernen und fremden Ländern mit der Camera obscura und photographischen Präparaten aus, um unauslöschliche Spiegelbilder alles Neuen, Interessanten und Schönen zu sammeln und, nach Hause zurückgekehrt, mit Leichtigkeit die Resultate ihrer Reisen in beliebiger Anzahl zu kopiren; und mehr und mehr bewahrheiten sich die Erwartungen und Hoffnungen der größten Männer unserer Zeit in Wissenschaft und Kunst, die sie vor sechzehn Jahren, bei Gelegenheit der Veröffentlichung des Daguerre’schen Verfahrens durch die Akademie der Wissenschaften in Paris aussprachen. –
Mitgetheilt von Julius v. Wickede.
I.
Aus Mendoza, am Fuße der Cordilleren, sende ich diese Tagebücher, die ein Kourier hoffentlich sicher nach Buenos Ayres befördern wird, von wo sie dann wohl ihren Weg zu Schiffe nach Hamburg und so auch in Deine Hände finden werden. Willst Du Einiges von dem wahrheitsgetreuen Inhalte desselben in deutschen Zeitschriften mittheilen, so bin ich damit zufrieden, und sendest Du mir alsdann zum Danke dafür einige gute historische Bücher unter wohlbezeichneter Adresse, so werde ich Dir ungemein verbunden dafür sein.
Ich bin nach hiesigen Begriffen jetzt ein wohlhabender, ja selbst ein reicher Mann, habe weite Landstriche, aus denen man in Deutschland schon ein halbes Dutzend Landgüter schneiden könnte, besitze Hunderte von Pferden und Rindern, und nenne als theuerstes Gut ein geliebtes Weib und einen kräftigen Sohn mein, aber nach dem Lesen eines geeigneten deutschen Buches sehne ich mich oft vergebens. Wer mir in diesem Augenblicke Droysen’s „Leben von York“ brächte, der sollte sich gern dafür das fetteste Rind oder das schnellste Roß aus meinen zahlreichen Heerden suchen können. Tüchtig herumtummeln habe ich mich aber müssen, bevor ich mir dies jetzige Eigenthum erwarb, denn die gebratenen Tauben sind mir nicht in den Mund geflogen, wie man in Deutschland zu sagen pflegt, das wird Dir der Inhalt dieses Tagebuches auch beweisen. Mit Nichtsthun gründet man in Nordamerika, Kalifornien und auch hier in Mendoza sein Glück nicht, sondern man muß gar hart arbeiten, sich sehr viele Entbehrungen aller Art auferlegen, und sich über Manches dabei hinwegsetzen, was man in Europa nicht möchte, ja selbst nicht könnte. Wer zu allen diesen Dingen nicht geistige Energie noch körperliche Kraft und Gesundheit genug besitzt, der wandere ja nicht aus, sondern bleibe, wenn irgend möglich, zu Hause in den altgewohnten Verhältnissen. Doch nun zu meinen bisherigen Schicksalen und Kreuz- und Querfahrten in New-York, New-Orleans, Kalifornien, Chili und den Cordilleren.
Im Februar 1851 verließ ich, wie Du weißt, unsere kleine schleswig-holsteinische Armee, die ohnedies aufgelöst werden sollte, und hatte zuerst die Absicht, eine mir angebotene Hauptmannsstelle in der für Brasilien angeworbenen Legion anzunehmen, aber sehr Vieles gefiel mir nicht in der ganzen Art und Weise, wie diese Legion organisirt wurde, schlug daher die Hauptmannsstelle aus und freue mich noch heute darüber, daß ich es gethan habe.
Glücklicher Weise erbte ich gerade zur rechten Zeit von einer alten Tante die Summe von 6000 Thalern, und nun stand mein Entschluß fest, mir in Amerika irgendwo eine neue Heimat damit zu gründen. Meinen treuen Hansen, einen ehrlichen Schleswiger, den ich während der drei Kriegsjahre stets als Ordonnanzsoldaten bei mir gehabt, beschloß ich mitzunehmen, wozu sich dieser brave anhängliche Mensch auch gleich bereit erklärte, und so schiffte ich mich denn im März 1851 in Bremerhafen auf einem nordamerikanischen Schiffe nach New-York ein. Sowohl Kapitain wie sämmtliche Matrosen waren echte Nordamerikaner, und ich konnte daher schon auf der Reise den Charakter derselben hinlänglich studiren.
Im höchsten Grade sind dieselben fast immer selbstsüchtig, anmaßend und übermüthig, wenn man ihnen irgendwie diesen Uebermuth hingehen läßt, und was man in Deutschland liebenswürdig nennt, wird man bei den Nordamerikanern höchst selten finden. Mit diesen vielen schlimmen Eigenschaften verbinden sie aber große Thatkraft, kaltblütigen Muth und eine zähe Ausdauer in Allem, was sie beginnen, die wirklich bewundernswerth ist. Auch sind sie in vielen Fällen sehr zuverlässig und erfüllen ihr Versprechen, weil die eigene Klugheit ihnen sagt, daß in kaufmännischer Hinsicht Rechtlichkeit gewöhnlich vortheilhafter wie Unredlichkeit sich bezahlt machen.
Die erste Landung in New-York ist nicht angenehm, und der arme Auswanderer erhält auf Kosten seines Geldbeutels oft harte Lehren und sehr handgreifliche Beweise, in welchem ungastlichen und selbstsüchtigen Lande er jetzt angekommen. Die unverschämteste Zudringlichkeit umlagert ihn von allen Seiten, und wer die Augen nicht recht offen hat und gleich von vornherein möglichst selbstbewußt auftritt, kann sicher sein, daß er überall geprellt wird. Mir passirte dies zwar nicht, aber ich war Augenzeuge, auf welche infame Weise so viele meiner deutschen Landsleute von diesem nichtsnutzigen amerikanischen Volke geprellt, und dann noch ausgelacht und als Dummköpfe verspottet wurden.
Mein Hansen und ich bildeten ein kräftiges Paar und fluchten so herzhaft darein, daß alle die vielen Mäkler, Wirthshauslocker, Kofferträger und wie die Leute sonst noch heißen, welche wie die Raubvögel auf die sehr zu bedauernden Auswanderer losstürzen, um sie zu plündern und auf jegliche Weise zu betrügen, bald von uns abließen. Sie mochten wohl einsehen, daß bei uns nur Grobheiten, aber keine Dollars zu holen wären, und wenn sie auch hinter uns her lachten und schimpften, als wir unsere nicht allzuschweren Koffer selbst an das Land trugen, auf einen Karren setzten und dem Besitzer davon befahlen, nach einem deutschen Boarding house, welches mir schon in Bremerhafen als reell empfohlen war, zu fahren, so ließ man uns doch sonst in Ruhe.
Acht Tage blieb ich mit Hansen in diesem recht guten Gasthause, erholte mich gründlich von den Strapatzen der Seereise und streifte den ganzen Tag in den Straßen ven New-York umher, um mir die Charakteristik derselben genau anzusehen. Ich sah Vieles, welches mir durch seine Großartigkeit wirklich imponirte, aber noch viel mehr, was mir entschieden mißfiel. Es zeigte sich besonders in dem ganzen Straßen- und Wirthshausleben ein solcher Mangel an Takt und Zartgefühl und eine so rohe Selbstsucht, ein so unverhülltes Streben nach Geldgewinn, als den einzigen Zweck des Lebens, daß ich schon damals den festen Entschluß faßte, unter keinen Umständen mich hier in New-York niederzulassen. Lernen konnte ich aber viel und nahm mir daher vor, mich wenigstens noch einige Monate hier aufzuhalten; jedoch hatte ich nicht minder Lust, mein kleines Kapital unthätig im Wirthshause zu verzehren, und so beschloß ich denn nun, mich für meine Person wie auch für Hansen nach einer lohnenden Beschäftigung umzusehen. Der Zufall, welcher überhaupt eine große Rolle im menschlichen Leben spielt, half uns hierbei schneller als wir gedacht hatten.
Nicht weit von unserem Kosthause befanden sich nämlich die weitläufigen Ställe und Höfe eines großartigen Omnibus-Etablissements, in dem für den gewöhnlichen Gebrauch über hundert sehr starke und tüchtige Pferde gehalten wurden. Pferdeliebhaberei ist nun von jeher meine Hauptleidenschaft gewesen, und so stand ich denn häufig auf diesem Hofe und sah dem Zufahren der Pferde und dem ganzen Treiben daselbst mit vielem Interesse zu. Dem Unternehmer dieses Omnibus-Etablissements, ein sehr reicher Mann,
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_081.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)