verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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In dem Lazareth zu Varna lagen Kranke ohne Zahl; zu den Schrecken des Krieges hatte sich noch das Gespenst der Cholera gesellt. Hier stöhnte ein Verwundeter, dort rief ein Sterbender mit heiserer Stimme um einen Trunk frischen Wassers. Das anwesende Heilpersonal konnte nicht allen Wünschen und Anforderungen mehr genügen, die Aerzte waren geistig und physisch erschöpft und die Wärter durch den Tod selber dezimirt. Die Noth war auf das Höchste gestiegen, da öffneten sich eines Tages die Thüren des Lazareths und mehrere Frauen in dunklen Gewändern mit weißem Schleier den sie zurückgeschlagen hatten, schwebten durch den Krankensaal. Bei ihrem Anblick kehrte das Vertrauen in das Herz der Kranken wieder zurück. Sie hatten ja die unermüdlichen Pflegerinnen, die „barmherzigen Schwestern“ erkannt, welche, von gläubigem Heldenmuth beseelt, sich dem schwierigen Amt der Krankenpflege unterzogen.
„Vivent les soeurs grises!“ rief ein alter Sergeant, dem man so eben eine Kugel aus dem Arm gezogen hatte. „Jetzt fürchte ich nicht, daß der Brand in meine Wunde kommt.“
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_077.jpg&oldid=- (Version vom 9.5.2017)