verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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„Hermann, ich bin ein schwaches Weib; laß mich! Folge mir nicht!“
Er ließ sie los, sie stürzte zur Thür.
„Marie,“ rief er ihr nach, „meine Geliebte, mein Weib!“
Sie hatte die Thür schon aufgerissen. „Marie, noch ein Wort: was ist Dein Entschluß? Begehe kein Verbrechen, keine –“
Er wagte nicht, das Wort auszusprechen; aber sie hatte seine Gedanken schon errathen.
„Nein,“ entgegnete sie, „fürchte nichts, ich gehe an einen stillen Ort, um meine Tage im Gebete zu beschließen, im Gebete für Dich, für meine Kinder, für meine Vergebung im anderen Leben.“
Sie zog die Thür hinter sich zu, und verschwand in dem auf sie im Hofe wartenden Wagen, den sie schon vorher bestellt hatte, fuhr darin nach Holzminden, und von dort war sie in der Nacht mit der Post weiter gereist. In dem Augenblicke, als sie den Schloßhof verließ, war von der andern Seite die Generalin mit ihrer Nichte auf denselben gefahren; die unglückliche Frau hatte Beide nicht mehr gesehen.
Anderthalb Jahre später rief der König Friedrich Wilhelm III. seine Getreuen zu den Fahnen. Der Major von Rixleben war einer der ersten, die dem Rufe folgten; der König vertraute ihm den Befehl eines Regimentes an. Der Erste in allen Kämpfen mit den Franzosen, fand er, was er suchte – den Tod auf dem Felde der Ehre.
Etwa ein halbes Jahr nach seinem Tode traf auf dem Schlosse Harthausen ein Schreiben der Vorsteherin des Annunciatenklosters in Würzburg mit der Nachricht ein, daß die fromme Schwester Magdalena, des weltlichen Namens Maria Antoinette Andreä, schon lange an der Auszehrung krank, selig dem Herrn entschlafen sei, und in ihr letztes Gebet alle ihre Lieben auf Schloß Harthausen eingeschlossen habe.
Die Ereignisse in der Schweiz haben in der jüngsten Zeit Aller Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und je ungeduldiger man in ängstlicher Spannung der Dinge wartete, die da kommen sollten, und je lebhafter das Bedauern sich allerwärts aussprach, die eingetretene Waffenruhe von Neuem gestört zu sehen, um so wohlthuender klang in Aller Ohren die Nachricht von der friedlichen Beilegung der eingetretenen Konflikte.
Wenn nun auch diese Sache als der Geschichte überliefert betrachtet werden kann, so dürfte doch eine kurze Mittheilung über den Mann, in dessen Hände die Schweiz ihr Wohl und Wehe gelegt hatte, den Lesern der Gartenlaube angenehm sein, so wie ihnen das Portrait desselben eine willkommene Erscheinung sein wird.
Wilhelm Heinrich Dufour, eidgenössischer General, wurde 1787 zu Konstanz geboren und diente, nachdem er sich zu Genf zum tüchtigen Genieoffizier ausgebildet, unter Napoleon, zur Zeit, da Genf zum großen Kaiserreiche gehörte. Es konnte ihm hier nicht an Gelegenheit fehlen, die Kriegskunst in der Praxis kennen zu lernen, und er brauchte nicht lange Zeit, um unter den Offizieren höheren Ranges und den Rittern der Ehrenlegion genannt zu werden. Sein entschiedenes Feldherrntalent ließ ihn bald unter seinen Kameraden hervorragen, und rühmlichst wird noch der Taktik Erwähnung gethan, mit welcher er im Jahre 1815 die Stadt Grenoble befestigen und vertheidigen half. Seitdem seine Vaterstadt der Schweiz angehört, hat er nie aufgehört, dem schweizerischen Vaterlande seine Dienste zu widmen, und er that es auf ausgezeichnete Weise. Im Jahre 1827 wurde er Oberst im eidgenössischen Generalstabe, und als 1831 die Tagsatzung zur Wahrung der schweizerischen Neutralität ein Heer unter General Gugier von Prangin aufgeboten hatte, wurde er diesem als Chef des Generalstabes beigegeben. Bald darauf zum Oberstquartiermeister ernannt, leitete er die topographische Aufnahme der Schweiz, und die seitdem erschienenen Karten verdanken ihm hauptsächlich ihr Dasein.
Durch seine Verdienste um das eidgenössische Heerwesen, namentlich als Oberinstruktor des Geniekorps an der Militairschule zu Thun, hat er sich in seinem Vaterlande ein unvergängliches Denkmal gesetzt, und das hohe Vertrauen, dessen er sich als Soldat bei seinen Mitbürgern erfreuete, erhielt seine Weihe im Jahre 1847, wo er von der Tagsatzung unter dem gebräuchlichen Titel eines Generals an die Spitze des zur Bewältigung des Sonderbundes aufgebotenen 100,000 Mann starken eidgenössischen Heeres berufen wurde. Es galt damals, durch eine überwiegende Macht einem vielleicht langwierigen und blutigen Bürgerkriege vorzubeugen, dem Auslande aber zu zeigen, wie sich mit dem etwaigen Versuche einer bewaffneten Intervention kein allzu leichtes Spiel treiben lasse. Er war dieser Aufgabe gewachsen und hat sie, so viel an ihm war, gelöst; denn er trug durch seine tüchtige Führung im Sonderbundkriege nicht nur zur besseren Militairorganisation, sondern überhaupt zum Uebergange der Schweiz aus dem lockeren Staatenbunde in den Bundesstaat mittelbar wesentlich bei. In ihm vereinigen sich Theorie und Praxis. Zudem ist er ein feuriger Eidgenosse und ein edler, rechtschaffener, wohlwollender Mann, den alle Parteien hochachten. Seine Mäßigung im Glück, sein versöhnendes Vermitteln, sein theilnehmendes Entgegenkommen und die freundliche Behandlung der Besiegten haben ihm die Herzen selbst Derer gewonnen, die seiner Sache feind waren. Der moralische Eindruck des Sieges, der lediglich seinen weisen und wohlberechneten Maßregeln zuzuschreiben, ist für die große Sache ein unendlich großer gewesen; er hat die Bessern ermuthigt und die Finsterlinge bis in das innerste Mark ihres Lebens erschüttert. Seinen Feldzugsplan hielt er so geheim, daß er einst sagte: „Und wenn ihn sein Hemd wüßte, so würde er es ablegen.“
Sein humaner fester Charakter hat sich auch in dem neuern Konflikte bewährt, und seine Vorsicht und Bedachtsamkeit, womit er zu Werke geht, haben ihre gute Wirkung nicht verfehlt.
Durch Herausgabe mehrerer geschätzter militairischer Werke hat er sich einen Namen unter den militairischen Schriftstellern erworben.
„Man würde es sicher als eine der größten Entdeckungen unseres Jahrhunderts betrachten, wenn es Jemandem gelungen wäre, das Steinkohlengas in einen weißen, festen, trocknen, geruchlosen Körper zu verdichten, den man auf Leuchter stecken, von einem Platze zum andern tragen, oder in ein flüssiges, farb- und geruchloses Oel, das man in Lampen brennen könnte. Wachs, Talg und Oel sind aber brennbare Gase, im Zustand von festen Körpern und Flüssigkeiten, die uns gerade eine Menge Vortheile bieten, welche das Gaslicht nicht besitzt.“
So lautet eine Stelle in Herrn v. Liebig’s chemischen Briefen (Brief XII. S. 214). Die Industrie der Neuzeit hat uns mit zwei Beleuchtungsstoffen, dem Photogen und Paraffin, bereichert, welche um so mehr obigen Stoffen zugezählt werden müssen, als namentlich das Paraffin im Zustande seiner chemischen Reinheit genau die Zusammensetzung des ölbildenden Gases, (1 Kohlenstoff auf 2 Wasserstoff) den Hauptbestandtheil des Steinkohlengases besitzt, und also mit vollem Rechte „verdichtetes, auf einem Leuchter zu steckendes Leuchtgas“ genannt zu werden verdient. Photogen und Paraffin, zu deutsch Lichterzeuger und Verwandtschaftsloser, sind in der That zwei Produkte, die jedenfalls zu einer großen Rolle in der Zukunft berufen sind, wofür die schnelle Ausbreitung dieses neuen Industriezweiges hinreichendes Zeugniß sein dürfte. Wie alles Neue, fand auch er Gegner und Freunde die Hülle und Fülle, und während erstere so weit
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_063.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2019)