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Seite:Die Gartenlaube (1857) 052.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Schinken gehören, an die weitern Empfänger vertheilen. Zur Seite jedes Zerwirkers steht ein Stunz mit siedendem Wasser, in welches diese häufig die Schneide des Beils tauchen, indem das dadurch erhitzte Metall dann leichter durch das Fett dringt. Und mittelbar daneben haben die Schinkenmacher ihren Stand, welche mit Messer und Säge die rohen Hinter- und häufig auch Vorderviertel in Schinken verwandeln, welche, wenn fertig, durch einen angebrachten hölzernen Kanal, der in einen großen Trog mündet, an die im untern Raume beschäftigten Packer befördert werden. Aehnliche Kanäle befördern andere Theile der Schweine, so für die Packer störende Aufhäufungen verschiedenen Materials verhütend.

In dem unteren Packraum angekommen, bemerkt man an der Seite von jedem Trog eine Waage aufgehängt, auf welcher ein Auswähler (selector) die sortirten Fleischstücke abwiegt. Das Gewicht beträgt 200 Pfund, und bildet den Inhalt eines Fasses. Er wählt stets besondere Stücke des Schweins für den Inhalt desselben Fasses aus, da eingesalzenes Schweinefleisch hier in verschiedenen Sorten, welche verschiedene Preise haben, verkauft zu werden pflegt. Die abgewogenen Stücke legt er dann mit seinem Haken auf einen leeren Platz der andern Seite des Trogs, wo der Packer seinen Stand hat, dabei immer drei bis vier der schönsten Stücke besonders legend, welche zuletzt oben auf gepackt werden. Der Packer füllt dann mit den abgewogenen Stücken sorgfältig das Faß an, mit der größten Geschicklichkeit diejenigen auswählend, welche sich am besten zusammenlegen. Ueber jede Lage Fleisch streut er eine Lage Salz. Er hat einen schweren Hammer oder Rammer, womit er das Fleisch einrammt, und sobald das Faß gefüllt ist, dreht er solches nach der Richtung des in der Nähe stehenden Faßbinders hin. Dieser erfaßt es und setzt in unglaublich kurzer Frist den obern Boden ein; worauf er es umlegt und mit einem Stoß seines Fußes einem Arbeiter zusendet, welcher es in den angrenzenden Vorrathsraum rollt. Alles dies wird mit der größten Geschwindigkeit gethan. Ein Packer packt durchschnittlich 125 bis 150 Fässer in einem Tag.

Zu dem nächsten Raum weiter gehend, gelangen wir in das Departement der Schinkenpacker. Die Hinterschinken werden in größere 400 Pfund haltende Fässer verpackt, was allerdings eine leichtere Arbeit zu sein scheint, da die Schinken, von einer gleichen Gestalt, keiner Auswahl bedürfen, und auch schon an sich schwerer, sich besser zusammenpacken, als die kleinern Fleischstücke. Aus einem andern Trog werden die Schultern oder Vorderschinken gleichfalls in dergleichen Fässer verpackt.

Wir sahen einer geschäftigen Scene zu. „Theilung der Arbeit“ wird hier auf die Spitze getrieben. Außer den Abwiegern, den Packern und Faßbindern, finden sich hier Arbeiter, welche unaufhörlich Säcke mit Salz aus einer unerschöpflichen Quelle herbeischaffen, und sie in dazu bestimmte Tröge leeren. Andere Arbeiter bringen leere Fässer herbei; Jungen sind beschäftigt, alle zur Seite fallende Abfälle in kleine Karren zu sammeln, und ein Mitglied der Firma richtet sein wachsames Auge stets auf die Waagen, daß solche bei dem Einwerfen der Fleischstücke nicht in Unordnung kommen.

Diesen Raum verlassend, gehen wir in den, wo das s. g. bulk pork eingepökelt wird. Bulk pork besteht aus den Speckseiten der Schweine und wird gewöhnlich mit Zucker eingepökelt, um es demnächst als Speck räuchern zu können. Es geschieht mit gleicher Vertheilung der Arbeiten, von der wir eben Zeugen waren. Große viereckige Haufen von diesen Speckseiten sind reihenweise in dem Raum aufgesetzt, und zahlreiche Arbeiter sind beschäftigt, die Seiten mit einer Mischung aus Salz, Salpeter und unraffinirtem Zucker einzureiben. Wenn das Einpökeln vollendet ist, werden die Speckseiten in hölzerne Kasten, deren jeder ein Gewicht von 400 bis 500 Pfund enthält, verpackt, und so über alle Theile der Welt versendet.




Verbrechen und Wissenschaft.

Die Menschen haben immer ein grausenhaftes Interesse für große Verbrecher und die juristische Untersuchung derselben bewiesen, besonders für Giftmischer beiderlei Geschlechts, Madame Lafarche, Palmer und dergleichen Helden der Chemie gegen Menschenleben. Jedes Land hat zu verschiedenen Zeiten den Gerichten und Leuten solche Herren geliefert. Von Hause aus war Italien Jahrhunderte lang das Hauptlaboratorium der Giftmischerei. Dort spielte das Gift eine Rolle in der Politik, in der Liebe und im Hasse der Parteien und Familien. Deutschland lieferte nur einzelne Giftmischerinnen, Frankreich mehrere, eben so einige andere Länder. In allen diesen Fällen und Ländern war Leidenschaft im Spiele, großartige Entflammung und energische Verrenkung menschlicher Willensrichtungen und Herzensangelegenheiten. Die Giftmischerei bekam dadurch einen poetischen Anflug, ein romantisches Gepräge. Erst im modernen England ist die Giftmischerei ein kaltblütiges, nüchternes Geschäft geworden. Palmer war die Hauptpersönlichkeit dieser Art geschäftlicher Praxis. Vor ihm und nach ihm und um ihn vernahm man und hört man noch fast täglich von Vergiftungen in Familien, um durch die Hinterlassenschaft des Vergifteten sein Glück zu machen. Eine Zeit lang herrschte diese Richtung als förmliche Seuche unter Eltern gegen ihre Kinder. Man kaufte letztere in „Beerdigungs-Gesellschaften“ ein, welche gegen einen jährlichen geringen Beitrag sich verpflichteten, die Kosten der Beerdigung solcher Kinder im Falle des Todes zu tragen. So vergifteten Eltern ihre Kinder, um 3, 4 bis 5 Pfund baares Geld in die Hände zu bekommen. Die Haare stehen uns dabei zu Berge, das warme Herzblut stockt und gefriert über diesen Grad von Entmenschung bis weit unter die Thiere, von denen nur die niedrigsten, blödsinnigsten, wie die Sau, aber nur in äußersten Fällen des Hungers und der Verwahrlosung, ihre Jungen fressen. Aber die „Civilisation“ hat in England auch einen Grad erreicht, der aller Menschlichkeit bis in die tiefsten, festesten Heiligthümer des Herzens spottet. Wo das Geld, das Geld und der Rang Maßstab aller Dinge geworden, da muß Alles aufhören.

Wir verfolgen aber die moralische Seile der Sache nicht, sondern heben nur eine wissenschaftliche hervor: das Mikroskop als feinster, untrüglichster Ankläger und Zeuger gegen Giftmischer und Mörder juristischen Sinnes. An dem wissenschaftlichen und geschäftlichen Hauptmörder Palmer wurde die berühmte, stolze Chemie der englischen höchsten Naturweisen jämmerlich zu Schanden. Niemand wußte wissenschaftlich sicher anzugeben, wie man Strychnin in einem Körper entdecken und herausanalysiren könne. Der Mann hatte Frau und Freunde zu Tode strychnisirt, um sich mit dem Gelde, das er durch Einkauf derselben in Lebensversicherungen gesichert hatte, gütlich zu thun; aber die Wissenschaft konnte ihm die Schuld nicht nachweisen.[WS 1] Nur andere Umstände ziemlich handgreiflicher Art rechtfertigten den Ausspruch der Geschwornen. Diese Blamage der englischen Naturwissenschaft und die Raffinirtheit der geschäftlichen Mörder, die in ihrer Kaltblütigkeit schon vorher alle verdächtigenden Umstände zu berechnen und zu umgehen suchen, haben endlich die Organe der Gerechtigkeit aus ihrem Schlendrian aufgerüttelt. Auch der Umstand, daß man mit den bisherigen Mitteln, Verbrecher zu überführen, nicht selten unschuldige (ich weiß nicht genau, wie viel solcher Fälle bereits ermittelt wurden) dem Galgen überlieferte und schuldige laufen ließ, trug etwas zur Verschärfung und wissenschaftlichen Verfeinerung gerichtlicher Untersuchungen in Mordsachen bei. Dabei hat sich herausgestellt, daß in unzähligen Fragen und Problemen, wo Chemie und Wissenschaft überhaupt Inquisitionskunst und Zeugenverhör die Gerechtigkeit im Stiche lassen, das Mikroskop noch Wahrheiten aus seiner sonst unsichtbaren Welt an den Tag zu bringen weiß, die unumstößlich sicher und klar für Schuld oder Unschuld den Ausschlag geben. Das Mikroskop hat schon manchen unentdeckbar Schuldigen an den Galgen gebracht und manchen Unschuldigen, den die übliche Gerechtigkeit mit der festesten Ueberzeugung von seiner Schuld gehangen haben würde, gerettet.

Einige Beispiele. Vor einigen Monaten ward ein Individuum, Namens Munroe, von dem Gerichte zu Cumberland wegen Mordes untersucht. Der Gemordete war, wie dies ganz klar aus dessen Lage und Zustande hervorging, an einem einsamen Orte auf offener Landstraße überfallen, mit einem schneidenden Instrumente um’s Leben gebracht und in eine Hecke verborgen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. S. auch den Nachtrag in Heft 7 dieses Jahrgangs.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_052.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)