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Seite:Die Gartenlaube (1857) 045.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

No. 4. 1857.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0 Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Verfehltes Leben.

Nach wirklichen Erlebnissen vom Verfasser der „neuen deutschen Zeitbilder.“
(Fortsetzung.)

„Tante!“ rief Emma, wie in einer Angst, die sie gar nicht mehr zurückhalten konnte, die sie jede Rücksicht, alles Andere um sie her vergessen ließ. „Tante, ein Wort! Höre mich!“

Hermann sah sie verwundert an. Seine Verlobte erblaßte; sie warf einen Blick voll Entsetzens auf das Kind; sie schien plötzlich in einer nicht geringeren Angst zu sein, als das Mädchen selbst.

Die Generalin war nur mit ihrem Plane beschäftigt.

„Nachher, Emma,“ sagte sie, und zu den Liebenden fuhr sie fort: „Ihr habt mich errathen, Ihr willigt ein. Ziehe Deine beste Uniform an, Hermann; Dich, meine Marie, werde ich selbst schmücken; Du, Emma, wirst uns begleiten. Aber Du hattest mir etwas zu sagen. Was war es?“

Das Mädchen war auf einmal wieder eine ganz Andere.

„Nichts!“ antwortete sie kurz, fast trotzig, und stürzte aus dem Zimmer.

„Was war ihr?“ fragte die Generalin. „Hat sie etwas mit Euch gehabt?“

„Nicht das Geringste, Mutter. Ich habe sie schon oft so sonderbar gefunden.“

„Seit einiger Zeit,“ sagte die Generalin, und es schien, als wenn plötzlich eine sonderbare Ahnung sie durchbebe. „Laßt uns gehen; meine Kinder.“

„Du willigst ein?“ fragte der Major seine Verlobte.

Sie fiel erröthend an seine Brust.

„Dein Wille ist der meinige.“

Der Major küßte sie dankbar. Die Generalin verließ mit der künftigen Schwiegertochter das Zimmer. Der Major folgte ihnen. –

Etwa eine Viertelstunde später kamen der Prediger des Dorfes und der Maire der Gemeinde mit zwei Zeugen in das Schloß. Der alte Bediente der Generalin führte sie in den großen Prunksaal, den dieselbe zu der Feierlichkeit, die sie im Geheimen vorbereitet, festlich hatte schmücken lassen.

Wenige Minuten nach ihnen trat Emma von Rixleben in den Saal. Sie war festlich, aber einfach gekleidet; nur weiß, eine einzige weiße Rose zierte ihr dunkles Haar; ihr Gesicht war fast so wie ihr Kleid und wie die Rose; aber sie war vollkommen ruhig, und zeigte keine Spur einer Aufregung oder Unruhe mehr. Nur ein tiefer, stiller Ernst war über ihr ganzes Wesen verbreitet. Sie begrüßte schweigend die Anwesenden, und stellte sich dann still erwartend an ein Fenster.

Der Major trat ein. Er trug seine Paradeuniform als preußischer Major; er war das Bild der stolzen und kräftigen männlichen Schönheit, in der kleidsamen blauen Uniform mit den rothen Rabatten, den dicken silbernen Epauletten; auf der Brust trug er an dem schwarz und weißen Bande das blau emaillirte achtspitzige Kreuz des preußischen Ordens pour le mérite. Er konnte stolz auf seine Uniform und auf diese Auszeichnung sein, denn er hatte sie verdient durch manche That der Tapferkeit, und hatte ihnen stets Ehre gemacht. Die anwesenden Männer beugten sich ehrfurchtsvoll vor dem Manne mit diesen Zeichen der Ehre und des Verdienstes.

Der Major, nachdem er die Fremden gegrüßt hatte, begab sich zu seiner Cousine; er gab ihr die Hand, und drückte die ihrige sanft; sie erwiederte den Druck leise, mit einem sehr leichten Zittern.

„Bist Du glücklich, Hermann?“ fragte sie ihn.

„Ich bin es, mein Kind.“

„O, sei es immer!“

Sie trat schweigend wieder an das Fenster; der Major stellte sich neben sie. Die Erwartung der bevorstehenden, von der Generalin so unerwartet hervorgerufenen Handlung schien Alle doppelt feierlich gestimmt zu haben.

Die Flügelthür des Saales öffnete sich, und die Generalin schritt, die Braut an der Hand führend, in den Saal. Auch sie war einfach gekleidet, ebenfalls nur weiß; aber das weiße Kleid war von kostbarer schwerer Seide, und der Kranz weißer Myrthen, den sie in dem schönen Haare trug, bestand aus glänzenden edlen Steinen; es war ein alter Familienschmuck, den die Generalin durch trübe, schwere Zeit hindurch sorgsam bewahrt hatte. Die Braut war reizend schön in dem einfachen und doch reichen Anzuge; eine feine Blässe der Verwirrung, eine leise Röthe jungfräulicher Scham schienen zu wetteifern, das schön geformte Gesicht noch reizender, noch anziehender zu machen.

Der Major ging ihr entgegen, und nahm ihren Arm. Sie schien überrascht, als sie den stolzen, hohen Mann in der glänzenden Uniform, mit dem blitzenden Stern auf der Brust sah. In seinem Auge strahlte Glück bei dem Anblicke der schönen Braut; man meinte, kein schöneres Paar sehen zu können. Er führte sie an den Tisch, auf welchem der Gemeindebeamte sein Civilstandsregister aufgelegt hatte; die Generalin stellte sich neben sie.

Emma blieb am Fenster; sie schwankte einen Augenblick, ob sie gleichfalls dem Tische sich nahen solle. Als sie sah, daß Niemand auf sie achtete, blieb sie; aber wie sie selbst nicht beachtet

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_045.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)