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Seite:Die Gartenlaube (1857) 040.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Tasche klingt, wagt er doch noch einen letzten Gang in den verführerisch glänzenden Hörselberg auf St. Pauli, vor dessen Pforte kein getreuer Eckard abwehrend sitzt, denn Morgen, singt die lebenslustig geschürzte Lippe:

„Morgen geht’s in die wogende See“

Wozu sollte er sich kasteien? Wozu enthaltsam sein? Wenn Neptun ihm grollt und die Meerfei verlangend die kühlen Arme nach ihm ausstreckt, kann er schon wenige Tage später auf dem Seemannsleichenpfühl grüner Algen oder in den phantastischen Gemächern der Korallenkönigin zum ewigen Schlummer gebettet liegen.




Die deutsche Fremdenlegion und das Kap der guten Hoffnung.

Was wird nun aus der elftausend Mann starken, jetzt wirklich aufgelösten deutschen Fremdenlegion? Die Engländer haben dreitausend Mann für das Kap der guten Hoffnung gekauft und eingefangen, ein Schiff voll nach Amerika gesegelt und Andern das Reisegeld für Amerika oder die Heimath gegeben. Aber Viele müssen es vorziehen, letzterer auch ferner zu entsagen, und den Meisten fehlt „der Sinn, nach Amerika zu segeln, wo sie ohne König kegeln, wo sie ohne Spucknapf spei’n, bewohnt von Gleichheitsflegeln.“ Diese Letzteren gehen aber, wie sie Gelegenheit und Zufall zieht oder stößt, in alle Welt und lehren alle Heiden, wie’s just kommt. Sie finden und fressen und schlagen sich sogar durch, und sind vielleicht in allen Lagen gegen ihre Brüder am Kap zu beneiden. Wenn es dreißig Mann in Colchester gelang, zwei Regimenter Engländer mit Hurrah und Steinen in die Flucht zu schlagen[1] und überall, in Kneipen und Damen gegenüber zu herrschen, so ist uns für diese verlorenen Söhne des Vaterlandes nicht bange. Sind doch schon Manche glücklich „unter die Haube“ gekommen, Einige sogar empor, nämlich an den Galgen. Letzteres ist nicht nur gut gegen Zahnschmerzen, sondern auch gegen alle andern Uebel dieses Lebens. Für Alle diese ist gesorgt, und die übrigen zerstreuten Schafe finden auch ohne Hirten noch irgendwo Weide und einen barmherzigen Bruder, der ihnen die Wolle abscheert. Aber die Kapianer? Denen sei Gott gnädig. Nachdem die Engländer in mehreren Kaffernkriegen die Feinde ihrer Kapkolonie mehrmals vernichtet haben, stehen sie jetzt mit Weib und Kind und Nachkommenschaft alle wieder auf, um beiläufig auch die Engländer „zu civilisiren.“ Davor fürchten sich die Engländer rasend und haben deshalb Geld und Gaunerei in Massen aufgeboten, Deutsche als lebendige Mauern zwischen sich und die Kaffern zu schieben.

Das ist eine heroische Aufgabe für unsere dreitausend Herren Brüder, zumal da sie Palmerston größtentheils kurz vor ihrer Abreise noch Knall und Fall verheirathete, so daß sie gleich damit anfangen müssen, Mauern für die Engländer, für ihre eigenen Herde, für Weib und schreiende Wiege zu bauen. Außerdem das Feld, das ihnen die englische Regierung schenkt, denn der Mensch lebt nicht von Mauersteinen allein. Sodann läßt sich ohne Geologie denken, Was das für Feld ist, das die Engländer verschenken. Kurz, es sieht schon, noch ehe man den ersten Kaffer erblickt, sehr schwarz und wild aus. Dazu kommt aber, daß der große Kaffernprophet und Zauberdoktor Unchlakasa auf die radikalste und raffinirteste Weise eine Erhebung und Ausrottung der Engländer vorbereitet hat, die entsetzlich werden muß. Er hat ihnen alles Vieh und die ganze künftige Ernte weggenommen, um seinen Kaffern im Wahnsinn hungriger Wölfe die einzige Kornkammer, die einzige Rettung ihres Lebens in den englischen Niederlassungen und erschlagenen Körpern zu zeigen. Unchlakasa’s Prophezeiungen verkündigen die jetzige Auferstehung aller Kaffern, die während des vergangenen Jahrhunderts gestorben sind, vorausgesetzt, daß die jetzt Lebenden seine Befehle ausführen. Diese laufen darauf hinaus, daß sie all’ ihr Vieh verkaufen oder tödten, alle ihre Vorräthe von Lebensmitteln verbrennen, und ihre Felder und Gärten unbestellt lassen sollen. Niemand soll Lebensmittel oder Eigenthum behalten, mit Ausnahme einer Axt, die sich Jeder, der sie noch nicht besitzt, anschaffen muß. Diese Politik sieht ziemlich klar und kräftig aus. Nach den neuesten Nachrichten tödten die Stämme der Goleiko’s und T’Slombie’s, so wie andere Kaffernhorden ihre Viehheerden zu Tausenden, Andere verkaufen sie für ein Viertel, ein Achtel ihres Preises. Der Prophet sagt nämlich, daß, so wie die Lebenden sich alles Eigenthums, aller Lebensmittel entledigt hätten, die Todten auf ein gegebenes Zeichen von ihm mit sämmtlichem Vieh aus einer Höhle beim Flusse Kei auferstehen, hervormarschiren und einen Sturmwind loslassen würden, der alle Weißen vom Antlitze der Erde in’s Meer treiben würde. Wenn nichts von diesen Prophezeihungen eintrifft, stellt sich doch gewiß der Sturmwind ein, den die lebenden, hungrigen Wölfe von Kaffern selbst darstellen und ausführen werden.

Der Prophet Unchlakasa hat mehrere Jünger, unter denen sich besonders einer, Namens Kreli, auszeichnet. Er überredete mehrere Stämme, welche über „Säen oder Nichtsäen“ Rath hielten, sich gläubig für das Letztere zu entscheiden und so die großen Reformpläne des Propheten: „Ausrottung alles Lasters und Bekehrung oder Auskehrung aller Weißen,“ zu unterstützen. Was man bei den Kaffern Laster nennt und als Tugend preist, geht unter Anderem aus einem Kriegsgerichte unter den T’Slombie’s hervor. Das Kriegsgericht verurtheilte einen Mann ihres Stammes wegen Feigheit, weil er in einem Kampfe blos einen Mann, zwei Weiber und mehrere Kinder todtgeschlagen, und nicht einmal alle zum großen Festessen als Braten geliefert habe.

Und das sind noch lange nicht die Schlimmsten, wie denn überhaupt die braunen, sehnigen, schlanken Kaffern von Natur intelligent, scharfsinnig und nicht ohne Sinn für Menschlichkeit sein sollen. Ganz anders noch sieht’s unter den noch frei umherwüthenden, kurzen, stämmigen, im breiten, hervorstarrendem Maule zähnefletschenden Buschmännern aus. Der Missionär Fleming, der ein ganzes Buch aus seinen Erlebnissen in Südafrika schrieb, schildert mehrere Arten von Buschmännern, z. B. die Namagua’s, so:

„Man weiß von ihrem häuslichen, socialen Leben noch nicht viel, da nur wenige Missionäre, die sich unter dieselben wagten, zurückkehrten. Was durch sie bekannt ward, lautet entsetzlich. In geschlechtlicher Beziehung kennt man keine Liebe, keine Treue, da die wildeste Polygamie herrscht und Weiber und Kinder auf die bestialischste Weise mißbraucht und oft beinahe oder ganz getödtet werden. Wenn ein Vater die Mutter von sich stößt oder die kämpfenden Mütter sich an einander rächen wollen, werden allemal die Kinder der unterliegenden Partei gemordet. Der Missionär Kicherer, von Geburt ein Deutscher, der eine Zeit lang unter ihnen lebte, erzählt von Beispielen, daß Mütter ihre Kinder Löwen vor die Hütte hinauswarfen, weil diese nicht abziehen wollten, ehe ihnen ein Almosen hinausgegeben wurde. Kinder hören überhaupt auf, von der Mutter beachtet zu werden, sobald sie kriechen können. Man merkt selten eine Spur von Weiblichkeit unter Müttern und Mädchen. Sie morden ihre Kinder zuweilen ohne irgend eine sichtbare Veranlassung, ohne daß man sie deshalb bestraft oder nur tadelt. Wenn sie ihren abgeweideten Platz verlassen, von Feinden verfolgt werden, auch aus Rache gegen den Vater, werden Kinder erstickt, erwürgt, lebendig begraben oder schlechtweg auf der brennenden, ausgetrockneten Ebene liegen gelassen. Eben so geht’s bei der Flucht oder beim Aufbruch nach einer andern Gegend alten Leuten, die nicht mehr selber vorwärts können. Man läßt sie einfach zurück, im günstigen Falle mit einer mit Wasser gefüllten Straußeierschale und einem Stück Fleisch, so daß sie eben nur ihren Hunger- und Verschmachtungstod verlängern können. Diese Namagua-Buschi’s (Buuschi’s, wie man eigentlich statt Buschmänner sagen müßte) sind die personifizirte, fortwährende Wuth und Feindschaft gegen alle sie umgebende Welt. Sie beißen und schlagen auf Alles los, was ihnen in den Weg kommt, tolle Hunde in Menschengestalt. Was sie beißen, fressen sie auch im Nothfalle. Sie können ausgetrocknete alte Stiefeln mit Sohlen und Hacken verschlingen und verdauen. Zuweilen kratzen sie tief in den harten Boden hinein und fressen die Wurzeln der Bäume, die sie nicht ausreißen können, an Ort und Stelle ab. Thier- und Menschenblut trinken sie warm und deren Fleisch essen sie nicht selten

  1. Von einem Betheiligten mitgetheilt, der eine Schilderung des Lebens in der Fremdenlegion für die Gartenlaube versprochen hat.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_040.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)