verschiedene: Die Gartenlaube (1857) | |
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nur dann ein von der Straße aus sichtbares Spiegelbild, wenn sie von der Sonne hell beleuchtet sind und der Beschauer einen günstigen Augenpunkt wählt:
Recht schöne Lichterscheinungen zeigen sich am bethauten Fenster. Betrachtet man den Mond durch die zart bethaute („schwitzende, angelaufene“) Scheibe eines Fensters, so erblickt man ihn bleich aussehend und mit einem mattgelben Hofe umgeben. Die wissenschaftliche Erklärung dieses Phänomens, welches Fraunhofer aus der Beugung des Lichtes herleitet, die dasselbe beim Durchgange zwischen kleinen Kügelchen erfährt, ist an dieser Stelle unthunlich, und es möge genügen zu erwählen, daß auch der wirkliche Hof um den Mond, den Jedermann als Vorbedeutung regnerischen Wetters kennt, auf gleiche Weise entsteht. Man sieht dabei den Mond durch eine in der Atmosphäre befindliche Dunstschicht, welche der bethauten Fensterscheibe entspricht.
Eine weit prächtigere Lichterscheinung bietet sich dar, wenn man durch eine mit feinen Wassertröpfchen beschlagene Fensterscheibe in schräger Richtung die Sonne betrachtet. Jedes Tröpfchen des Fensterbeschlages nämlich erscheint dann so herrlich mit Regenbogenfarben umsäumt, daß das Auge des Beschauers ordentlich farbentrunken wird. Auch auf die wissenschaftliche Erklärung dieser Beugungs-Erscheinung muß hier verzichtet werden. Nur möge einem Irrthume vorgebeugt werden, der sich bei diesem Farbenspiele wenigstens in die Kinder einschmuggeln könnte, nämlich dem Vorurtheile, daß auch der Regenbogen auf gleiche Art seine Farbenschönheit erhalte. Bei dem Farbenlicht des Fensters gelangt das Sonnenlicht zwischen den Tröpfchen der bethauten Scheibe hindurch in das Auge; den Regenbogen erblickt aber nur der, welcher der Sonne den Rücken kehrt; es kann also dabei das Licht der Sonne nur durch Spiegelung zu dem Beschauer kommen und muß dabei in seine farbigen Bestandtheile zerlegt werden. Jede Lichtwelle nämlich, die von der Sonne angeregt zu uns fluthet, besteht aus mehreren farbigen Bestandtheilen, welche, wenn sie verbunden in das Auge gelangen, die Empfindung des Weißen erzeugen, geradeso wie drei harmonische, gleichzeitig in das Ohr dringende Töne zu einem Akkorde verschmelzen, der die einzelnen Tonbestandtheile dem Hörer kaum noch verräth. Ein ähnliches Farbenschauspiel, wie durch die bethaute Glastafel, erhält man, wenn man durch eine mit Drudenmehl bestreute Glastafel (welche man, um das Abfallen jenes Mehles zu verhüten, mit einer andern Glastafel bedeckt) nach einer Kerzenflamme blickt; oder wenn man durch die zarte Befiederung einer Flaumfeder nach der Sonne blinzelt.
Hiermit beschließen wir unsere optischen Studien am Fenster, und wollen ein anderes Mal die Phänomene betrachten, welche durch die Wärme hervorgerufen werden.
Die englische Diplomatie hat sich wieder entschließen müssen, ihr hübsches Capital von etwa 6,000,000,000, (geschrieben sechs tausend Millionen) Thalern Kriegsschulden, wo möglich schon wieder etwas zu vergrößern, d. h. Krieg anzufangen oder wenigstens so viel Geld durchzubringen, als ob sie Krieg führe. Der künftige Kommandant der englisch-indischen Flotte im persischen Meerbusen zur Demüthigung Persiens und zur Beschulung ihres alten Freundes Dost Mahomed, des Beherrschers von Afghanistan, Sir James Outram verließ Ende Novembers Southampton in England, um nach Bombay in Indien zu fahren und von dort die Flotte in den persischen Meerbusen zu führen.
Weshalb Krieg mit Persien? Das ist eine kurze Frage, worauf man nur durch Beleuchtung sehr weiter und breiter, dunkler Verhältnisse etwas genügend antworten kann. Wer pflegt die Berichte, welche die englische Oberlandpost von Indien etwa alle vierzehn Tage bringt, in den englischen Zeitungen zu lesen? Wer, der da sagen könnte, er habe etwas davon verstanden und die darin vorkommenden, abenteuerlichen Namen nur aussprechen können? Man nehme, wo möglich, eine gute Karte von Indien und den Ländern zur Hand, durch welche die Oberlandpost sich nach Europa windet, und studire die Namen von Städten und Ländern und Racen und Völkern, die um diesen Weg herumliegen und welche alle Indiens und der Oberlandpost wegen von England in Furcht oder Freundschaft gehalten, beschützt und bewacht werden müssen, Punjab und Derejat, Kandahar und Kabul, Turkestan und Beludschistan, die Afghanen, Usbeken, Seikhs und hundert andere Racen, die in Bergfestungen hausen oder deren wandernde Zeltenstädte mit Kameelen und Dromedaren weithin durch sonnig-heiße Ebenen und Thäler glänzen. Man denke sich diese Hunderte von wilden, wandernden, leidenschaftlichen, auf einander eifersüchtigen Racen in unaufhörlichen Konflikten und Kämpfen mit einander, mit ihren Oberhäuptern, die so lange köpfen, bis sie geköpft werden, die Rachekriege Derer, die im Kampfe um den Thron unterlagen, gegen den Sieger und dessen wilde Wuth, womit er sich zu behaupten sucht, die Blutrachezüge von Familie gegen Familie, die endlosen Scenen von Raub und Mord der Racen, die geschäftsmäßig und gewerblich von Nichts leben als den Schätzen, die sie Andern abnehmen – man male sich dies über das ungeheuere Terrain aus, durch welche die englisch-indische Oberlandpost alle vierzehn Tage hindurchsteuern muß, und man wird begreifen, wie es möglich war, daß die Engländer einen „afghanischen Krieg“ führten und jetzt trotz der grimmigsten Verlegenheiten in Europa in den persischen Meerbusen segeln wollen, um ihre Oberlandpost, um ihr Indien vor immer ernstlicher drohenden Gefahren zu schützen. Jede ungewöhnliche Erregung unter den noch nicht von England unterjochten Indiern und den wilden und halbwilden Stämmen, die sich zwischen dem englischen Indien, Rußlands äußersten Grenzen und Persien umhertreiben, weckt in den unterjochten Indiern stets die glühendsten Hoffnungen, Sympathien, abergläubischen Sagen und messianischen Ideen von Erlösung und Freiheit. Dazu kommt unter den indischen Engländern selbst die immer näher kommende Furcht von einer Invasion Rußlands. England hat an seinen Kolonien, so blühend sie auch erscheinen oder geschildert werden, keine Freude, so viel Waaren sie auch dorthin absetzen und so viel Steuern sie auch den Unterjochten abpressen. Es hat in Indien zwei neue Königreiche gewonnen, Birmanien und Oode, aber jeder Gewinn erhöht den drohenden Verlust und macht ihn wahrscheinlicher. Das alte römische Reich war mächtiger als England. Ihm gehörte unter Kaiser Augustus ziemlich die ganze bekannte Erde Europa’s, Asien’s und Afrika’s, aber es starb daran einen gräßlichen, langsamen Tod, indem die eingeschlungenen Theile in Gährung und Fäulniß übergingen und es selbst 700 Jahre lang von innen heraus verfaulte. Nur ein Schwachkopf erster Klasse oder ein gegen das Walten der Sittengesetze in der Geschichte der Menschheit von Besitz, äußerer Größe und Geld geblendeter constitutioneller Philister sieht die Nemesis nicht heraus, die über Englands äußere, besonders Palmerston’sche Politik hereinbricht und aus dem Mutterlande, das Jahrhunderte lang das Gift derselben einsog. Man wirft in Deutschland den Leuten, die aus England schreiben, ziemlich geläufig und häufig vor, daß sie sich vereinigt hätten, England schlecht zu machen. Ich frage hier blos beiläufig: Begehen oder erfinden wir die endlosen Schwindeleien, Betrügereien, Morde, Selbstmorde, Räubereien auf offener Straße, Fälschungen, Mißhandlungen von Weibern und Kindern u. s. w., die fast täglich die großen englischen Zeitungen mit enggedruckten Spalten füllen? Täglich etwa eben so viel, als Deutschland in dieser Sphäre in einem Jahre kaum liefert, insofern wenigstens die brutale Geldgier oder kaltblütige Feigheit und Berechnung, die in England den Verbrechen durchschnittlich zu Grunde liegt, in Deutschland sehr lange gesucht werden müßte, um mit dem kriminalistischen Inhalte eines Jahres gegen die tägliche Produktion in England in Konkurrenz zu treten! – Haben wir die 6000 Millionen Thaler Kriegsschulden für auswärtige Politik gemacht? Sind wir Schuld, daß dieses Geld und die Millionen Menschenleben, die für diese Summe geschlachtet wurden, immer mehr als rein weggeworfen in Schatten wiederkehren und an dem starken Marke John Bull’s so zehren, daß selbst ihm bange wird, ob er’s noch länger aushalte?
Dies bei- oder vorläufig zur Beleuchtung eines besonderen, wenig bekannten Stücks auswärtiger englischer Politik, des afghanischen
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_026.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)