verschiedene: Die Gartenlaube (1856) | |
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eben so verwegen wie verschmitzt. Haben Sie schon von Revolvers gehört?“
„Eine neue Spitzbubengattung?“
„Das nicht, aber ein neues Spitzbubengewehr. Ein Pistol mit sechs Läufen, mit dem man also sechs Mal hintereinander schießen kann, ehe Einer die Hand umdreht.“
„Eine gefährliche Waffe,“ versicherte der Bürgermeister.
„Er führt zwei bei sich. Sie sehen, da muß man vorsichtig sein; da reichen alle ihre Gensd’armen und Polizeidiener nicht aus.“
„Man muß die Bürgerschaft aufbieten.“
„Um ihn aufmerksam zu machen, und jedenfalls Bürgerblut zu vergießen? Ich habe einen andern Rath.“
„Ich bitte darum.“
„Er logirt hier heute Nacht, hält sich auf dieser abgelegenen Straße sicher, und wird ruhig schlafen. Im Schlafe wird er plötzlich überfallen, leise, ohne Geräusch –. Sie haben doch einen Hauptschlüssel?“
„Aber er könnte von innen verriegeln.“
„Desto besser. Dann bleibt er eingeschlossen und wird ausgehungert.“
Dem Bürgermeister schien der Plan des Fremden einzuleuchten. „Ich bleibe vorläufig noch hier,“ fuhr dieser“ fort; „ich gehe, das Terrain zu recognosciren.“
„Und der Handwerksbursch drüben?“ fragte der Bürgermeister.
„Ah, hätte ich doch den Menschen beinahe vergessen. Lassen Sie ihn mit oder ohne seine Zahnschmerzen laufen, wohin er will.“
Der Fremde ging. Er stieg die Treppe hinauf, die zu den im obern Stock gelegenen Fremdenzimmern führte, und fand dort, was er erwartet hatte. Eine männliche Gestalt suchte in das Dunkel einer Ecke zu entschlüpfen. Er ging ihr nach.
„Herr Stadtgerichtsrath Hartmann, ein Wort.“
Der junge Stadtgerichtsrath trat vor. „Mein Herr, warum spioniren Sie mir nach? Wer sind Sie?“
„Herr Hartmann, wenn Ihr Freund Thilo nicht gehängt oder geköpft werden soll, so verhalten Sie sich ganz ruhig und thun Sie pünktlich Alles, was ich von Ihnen fordern werde.“
„Mein Herr, wer sind Sie?“
Zum Teufel, bekümmern Sie sich nicht um mich. Ihr Freund ist in der größten Gefahr, und es gibt nur noch ein Mittel, ihn zu retten. Hat Jemand hier im Hause Sie gesehen?“
„Kein Mensch.“
„Gottlob. Suchen Sie unvermerkt daraus wieder zu entkommen; dann kehren Sie auf der Stelle zurück; aber nicht hierher in den zweiten Stock; Sie bleiben vielmehr hübsch unten, fragen nach dem Postmeister oder Posthalter, geben sich für den Kammerdiener des Fürsten Hohenstein aus, sagen, der Wagen des Fürsten habe draußen eine Viertelstunde vor der Stadt umgeworfen und die Achse zerbrochen, verlangen eine Postchaise mit zwei Pferden nach Mainz, indem der Fürst und die Fürstin sofort weiter reisen müßten, und kündigen Fürst und Fürstin als Ihnen auf dem Fuße folgend an. Haben Sie Alles verstanden?“
„Verstanden Alles, mein Herr, aber begriffen nichts.“
„Teufel, Sie sind Hegelianer; das sollte mich beinahe fürchten machen für die Mission, die ich Ihnen da ertheile.“
„Mein Herr, im Ernst, ich muß vorher –“
„Ihren Freund hängen sehen? Herr, ich beschwöre Sie, gehen Sie. – Noch eins. Haben Sie nicht irgend ein verabredetes Zeichen für Fräulein Charlotte?“
„Aber, mein Herr, wer sind Sie? Was wollen Sie?“
„Haben Sie ein Zeichen, so machen Sie es, und dann schnell, daß Sie fortkommen; die Zeit ist nachgerade verdammt kurz zugemessen.“
Der junge Stadtgerichtsrath pfiff kopfschüttelnd auf einem Finger.
„Verdammt einfach!“ sagte der Andere. „Jetzt gehen Sie.“
Der Stadtgerichtsrath schlich sich fort. An dem Gange öffnete sich eine Thür. Fräulein Charlotte trat in den Gang, leise, vorsichtig.
„Wie unvorsichtig,“ flüsterte sie.
„Gewiß, Fräulein!“
„Herr Klein, Sie?“
„Still, Fräulein. Keinen Namen! Aber Recht hatten Sie. Es kann nicht wohl eine größere Unvorsichtigkeit geben, als mit der Sie dazu beigetragen haben, meinen Freund Thilo –“
„Um des Himmelswillen, mein Herr!“
„Meinen Freund Thilo mitten zwischen Steckbriefe, Gensd’armen,
verschiedene: Die Gartenlaube (1856). Ernst Keil, Leipzig 1856, Seite 649. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1856)_649.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2017)