Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
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Münze umzusetzen suchen, damit sie stets zu Ihrer Verfügung stehen.“
„Ich leiste Verzicht auf die Papiere, sie mögen der Lohn meines großmüthigen Advokaten sein!“
„Herr Graf!“
„Leben Sie wohl, vielleicht sehen wir uns wieder!“
Hastig umarmte der Graf den jungen Mann. Dann half er der Gräfin in das Boot, in welchem Lajos schon wartete. Zuletzt sprang er selbst hinein. Das Wasser rauschte und der Kahn verschwand in dem Nebel, der wie ein graues, undurchsichtiges Tuch auf dem Flusse ruhete. Noch einige Augenblicke hörte man die Ruderschläge, dann war Alles still.“
Als ob er die Flucht des unglücklichen Paares segnen wollte, streckte Ferenz seine Arme ihm nach. Leichten Herzens kehrte er in die Wohnung des Apothekers zurück. Kaum hatte er die Hausflur betreten, als heftig an der Klingel gezogen ward. Der lange Niklas öffnete. Eine Patrouille von demselben Regimente, dem der entflohene Graf angehörte, stand an der Schwelle. Die Gewehrläufe blinkten in dem Lichte der Laterne, die an der Apotheke befestigt war.
„Wem gehört dieses Haus?“ fragte der Offizier.
„Dem Commandanten der Schutzwehr, Herrn Czabo. Der Besitzer ist für den Augenblick im Dienste,“ antwortete Ferenz.
„Der Commandant der Schutzwehr ist nicht verdächtig! Fort!“
Die Patrouille ging weiter. Niklas schloß die Thür.
Fünf Minuten später saß der Advokat in dem freundlichen Zimmer und erzählte der staunenden Netti die Flucht der Gräfin Thekla Andrasy.
Es war zehn Uhr, als Herr Czabo die Glocke zog und Niklas ihm öffnete. Sein erster Weg war der nach der Küche. Sie war finster und still. Unmuthig trat er in das Wohnzimmer.
„Die Kathi soll mir ein Glas Wasser bringen!“ befahl er, um das hübsche Kind nur zu sehen.
Netti ging, und kam mit dem Verlangten zurück.
„Warum bringt Kathi nicht – ?“
„Vater,“ unterbrach ihn Netti, „wir haben eine fürchterliche Entdeckung gemacht! Die Gräfin Andrasy hatte sich in unserm Hause versteckt.“
„Himmel, welche Frechheit!“ rief erstaunt der Apotheker.
„Doch beruhigen Sie sich, lieber Vater,“ fügte der Advokat hinzu, „sie ist schon seit einer Stunde nicht mehr unter Ihrem Dache. Niemand wird glauben, daß eine Gräfin als Köchin in Ihren Diensten gestanden hat.“
Der Commandant fuhr so heftig zurück, daß der große Federhut, den er noch auf dem Kopfe hatte, in den Nacken zurücksank. Nachdem er einen Augenblick sprachlos dagestanden, stammelte er. „Wie, Kathi wäre – ?“
„Die Gräfin Andrasy,“ antworteten lächelnd Ferenz und Netti.
Herr Czabo sank vernichtet auf einen Stuhl. Sein Federhut fiel polternd zu Boden.
„Mein Gott, Vater, was ist Ihnen?“ fragte die besorgte Tochter, denn Herrn Czabo’s Augen schienen sich zu verdrehen.
Der angeführte Wittwer war zwar sehr erschreckt, aber er blieb seiner so viel Herr, daß er die Nothwendigkeit einsah, um sich nicht grenzenlos zu blamiren, einen andern Grund seiner Bestürzung anzugeben.
„Himmel,“ rief er plötzlich aus, „wenn das bekannt wird, bin ich verloren, entehrt, man wird mich meines Postens als Commandant entsetzen! O, diese Schlange! Nicht genug, daß sie im Lande Zwist und Hader anfacht, sie schleicht sich auch in die Häuser friedlicher Bürger, um Unglück anzurichten. Und wie täuschend konnte sie die Köchin spielen! Na, Lajos, Du kommst mir wieder über die Schwelle!“ rief er, die Fäuste ballend.
„Vater,“ sagte Ferenz tröstend, „wenn Sie selbst über diesen sonderbaren Vorfall schweigen können, wird Niemand etwas davon erfahren, denn außer mir und Netti weiß keine Seele darum.“
„Wohin hat sie sich gewendet?“
„Lajos hat sie in seinem Kahne abgeholt. Wenn ihr kein Unglück begegnet, schwebt sie jetzt auf den Wellen der Donau, um das türkische Ufer zu erreichen.“
„Kinder!“ rief Herr Czabo nach einer Pause, „versprecht Ihr mir zu schweigen wie das Grab?“
„Wir versprechen es!“ sagten feierlich die jungen Leute.
„Gut, dann mag die Gräfin mit den vierzig Gulden, die ich ihr voraus bezahlt habe, in der Türkei ihr Glück versuchen – meine Reputation ist mir mehr werth, als diese elende Summe! Gute Nacht!“
Er verließ hastig das Zimmer und eilte nach der Schreibstube neben der Apotheke, wo Niklas in einem Buche las. Herr Czabo hatte stets seinen Zorn an dem langen Menschen ausgelassen, und auch heute suchte er ihn auf, um seine Brust zu erleichtern.
„Niklas!“
„Herr Czabo?“ fragte der Gehülfe, der diesen Ton schon kannte.
„Ich habe vorhin die Kathi fortgejagt.“
„Wie, Herr –?“ Weiter konnte der Gehülfe nicht sprechen, sein breiter Mund blieb vor Erstaunen offen stehen.
„Hast Du mich verstanden?“ rief der Apotheker.
„Ja, Herr Czabo!“
Eine Pause trat ein. Herr Czabo ging auf und ab, der Gehülfe sah ihm nach.
„Niklas!“ rief plötzlich wieder der Commandant.
„Herr Czabo?“
„Du bist ein Esel!“
„Warum?“
„Warum fragst Du nicht nach dem Grunde, der mich veranlaßt hat, die Kathi wegzujagen? Du fragst nicht? Gut, so werde ich ihn Dir so sagen: die Aerzte haben sich über Deine Dummheiten beklagt, fast alle Recepte sind schlecht gemacht, die nicht durch meine Hände gegangen. Das kommt davon, wenn man verliebt ist. Die Kathi mit ihrem glatten Gesichte hat Dir den Kopf verdreht. Um fernern Dummheiten, vielleicht Vergiftungen, vorzubeugen, habe ich sie weggejagt. Und nun nehme ich mir wieder eine Alte in das Haus. Zugleich merke Dir: für diesmal sollst Du mit dem Verweise davon kommen, bei der zweiten Liebschaft mit einer Köchin jage ich Dich davon. Gehe zu Bett!“
„Ja, Herr Czabo!“
Eine Stunde später hatten sich Alle in die Schlafzimmer zurückgezogen. Netti träumte von ihrer nahen Hochzeit – Ferenz sandte noch ein Gebet für die Rettung der Flüchtlinge zum Himmel empor, dann entschlief er – und der Apotheker lag wachend in seinem Bette, er hatte mit einer schwermüthigen Freude den Schluß aus der ganzen Sache gezogen, daß der Verlauf der Dinge für die Ruhe seines Wittwerherzens gut sei. Ein Mann, dachte er, der jeden Tag Bürgermeister von Semlin zu werden hofft, kann doch seine Köchin nicht heirathen, und ich hätte sie geheirathet, wenn sie die schöne Kathi geblieben wäre. Der Wille des Himmels sei gepriesen!“
Der lange Niklas zerbrach sich fast den Kopf, um den eigentlichen Grund dieses plötzlichen Ereignisses zu errathen, er schlief darüber ein.
Als nach Mitternacht der Mond hinter einer schwarzen Wolke hervortrat und die romantischen Gestade der Donau beleuchtete, knieten drei Gestalten am Ufer des rauschenden Flusses und verrichteten ein Gebet.
Es waren Janos, Thekla und der treue Fischer Lajos, sie hatten nach einer dreistündigen gefahrvollen Fahrt das rettende Ufer erreicht.
Das Birmingham-Institut.
In Birmingham, der Hauptstadt des englischen Gottes Vulkan, der weltberühmten modernen Plastik in Metall, wo Eisen, Kupfer, Zimm, Zink, Blei, Silber und Gold fortwährend in großer Masse und Menge sich in allerlei Gebrauchs- und Luxusgegenstände für die Küchen und Putzzimmer aller Welt veredeln, in Birmingham war neulich auch große Festlichkeit mit Fahnen und Flaggen an den Häusern, mit Festessen und Festreden, wie für den Kaiser der Franzosen und hernach für den König von Sardinien
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 694. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_694.jpg&oldid=- (Version vom 6.8.2023)