Verschiedene: Die Gartenlaube (1855) | |
|
Mit geistig Nahverwandten Worte tauschen,
Bei heiterm Streit, in Wissenschaft und Kunst,
Und lesen jetzt der neusten Dichtung Werke. –
Da war bei Ihm das Glück auch heimgekehrt,
Da hielt die Freude, die sein Lied besang,
Mit ihren Götterarmen Ihn umschlungen,
Das Pfeifchen dampft, kein Zwang bedroht Ihn hier,
Und fröhlich bläst Er Wolken in die Luft,
Kaum ahnend: daß der blauen Wolken Dünste
Als Weihrauchwolken einst zurückekehren,
Die segnend Ihm im Herzen hoch begeistert
Die späten Enkel voller Jubel weih’n,
Den deutschen Dichter hoch in Ihm verehrend.
(Ort: Weimar, Zeit: 1799.)
Die Zeit war groß! Gesegnet strahlt der Name
Karl August in den Büchern der Geschichte.
Von Frankreich drangen, Schrecken rings verbreitend,
Die Kunden her, vom wild empörten Volk!
Krieg, Mord und Tod! die Marseillaise raste
Bluttriefend durch die schreckensstarren Länder;
Schon hob der Corse stolz sein Haupt empor
Mit Heeresmacht und der Kanonen Donner
In feste Bande neu das Volk zu schmieden.
Nach Frankreich schauen Deutschlands Völkerstämme
Entsetzt und bang in Ahnung schwerer Zeiten.
Da blühte friedlich um Karl August’s Thron
Die Kunst, die Wissenschaft, da klang das Lied
Der deutschen Dichter tröstend an das Ohr
Der vor Entsetzen bangbewegten Bürger.
Das waren Lieder, guter, kräft’ger Art;
Das waren Werke, deren Ruhm nicht schwindet!
Verklungen ist die Zeit, die sie gebar;
Der Kaiser Frankreichs führte seine Schaaren
Verheerend durch das weite deutsche Land.
Der Zaar von Rußland führte seine Völker,
Die Franken jagend durch Germaniens Au’n –
Das alte deutsche Reich, es brach zusammen,
Die neuen Reiche zitterten im Kampf
Der neuen Satzung mit ererbtem Recht.
Doch ewig jung das Herz, den Geist belebend,
Ertönten uns’rer deutschen Dichter Worte!
Und Friedrich Schiller’s Lied ward zum Panier
Der deutschen Jugend und der deutschen Männer,
Und Frau’n und Jungfrau’n lieben ihn als Freund.
Die Züge Schiller’s, Goethe’s hohes Bild
Sie sind in jedes Deutschen Herz gegraben,
Wie eines Freundes, eines Vaters Antlitz!
Heil Dir, Karl August, der mit Fürstenmacht
Der deutschen Dichter Sternenbild berufen,
Im ew’gen Glanz strahlt Deines Thrones Macht!
Des Sieges Lorbeer schmückte Vieler Haupt,
Der große Kaiser und sein Heldenkreis
Und seiner Sieger weit berühmte Namen
Nennt unvergeßlich laut die Weltgeschichte –
Doch segnend weilt der späten Enkel Blick
Auf Weimars Thron, auf den geliebten Sängern,
Und jubelnd grüßen wir das Bild der Männer,
Die uns der deutschen Dichtung Reich erschlossen.
(Das Bild entschleiert sich, der Redner spricht fort.)
Schaut hin: Karl August in der Freunde Kreis
Zu Goethe, dem Vertrauten hingeneigt,
Indeß der Sänger Oberons beredt
Des Schönen Reiz erhebt. Der ernste Herder
Lauscht Wieland’s Wort, doch Schiller’s Dichtergeist
Strebt nach Gestaltung Albrecht Wallenstein’s,
Wenn nicht prophetisch schon sein Schöpferauge
Der Jungfrau angehört, die Frankreich rettet –
In Ahnung, daß gar bald sein Vaterland
Der Heldenjungfrau Ruf bedürfen wird,
Um Frankreichs Ketten siegend zu zerbrechen!
Wo allzu stark der Geist die Schwinge regt,
Bricht nur zu oft des Körpers Kraft zusammen!
Zum Schaffen drängt der übermächt’ge Trieb;
Und der Gedanke, der im Busen keimt
Verlangt gebieterisch die eigne Form,
Um festgestaltet durch die Welt zu fliegen.
Und ist erwacht nur des Gedankens Keim,
Und steht gestaltet vor des Dichters Geist
Das hohe Werk, dem seine Seele glüht,
Dann zwingt zur That die Schöpfung ihren Schöpfer;
Sie muß entstehen, er muß das Werk gestalten,
Gleichviel ob seine Kraft dem Werk entspricht,
Ob die Geburt er mit dem Leben zahlt.
Wohl krönt den Dichter seines Volkes Dank,
Sein Name prangt gepriesen von der Welt
Und seinem Liede lauscht der Hörer Kreis –
Doch hat sein Mund viel Herrliches verkündet;
Noch Größ’res schlummert in der Dichterbrust
Und mehr zu schaffen, immer Mehr zu geben,
Spornt ihn der Beifall, spornt die inn’re Gluth,
Die Liebe seines Volkes zu verdienen.
Sein trübes Auge mahnt zum Schlummer ihn,
Umsonst, der Schöpferdrang kennt keinen Schlaf,
Und Er, der für der Wachen Freude sorgt
Muß selbst die Stärkung süßen Schlafs entbehren!
Der Lorbeer ziert den Sänger wie den Helden!
Und wie Achill durch frühen Heldentod
Unsterblichkeit errang im Lied Homer’s;
So naht der Todesengel Friedrich Schiller,
Unsterblichkeit im frühen Grab zu bieten!
Gabst den Leib der Erde wieder,
Gingest ein zur ew’gen Ruh’,
Doch der Zauber Deiner Lieder
Ruft Dir heut’ noch Grüße zu!
Und das Mädchen und der Knabe,
Frau und Mann und schwacher Greis,
Rufen wach Dich aus dem Grabe,
Singen Deiner Werke Preis!
Ja, Dein Werk, Dir soll es lohnen!
Schiller, wo Dein Lied erklingt,
Hallen Grüße lustbeschwingt
Himmelan von Millionen!
Freude sangst Du feuertrunken,
Freude singt im vollen Chor!
Steig’ als schöner Götterfunken
Uns zur Freude selbst empor!
Auf des Glaubens Sonnenberge
Seh’n wir Freudenfahnen weh’n,
Durch den Riß gesprengter Särge
Dich im Chor der Engel steh’n!
Sei gegrüßt von Millionen,
Du, den unsre Liebe preist!
Ja, Du mußt beim guten Geist,
Dort beim lieben Vater wohnen!
Mit dem letzten Niederrauschen des Vorhangs floß manche Thräne ungeheuchelter Empfindung, mancher Seufzer entschlüpfte dem gepreßten Herzen. – Es sind dies wohl die schönsten Beifallszeichen gewesen für eine Vorstellung, welche mit Ehrfurcht für den erhabenen Gegenstand erfunden und in gleichem Sinne ausgeführt wurde.
Zur Festtafel blieben gegen 500 Personen, unter denen manche eigens zu diesem Feste hierher gekommene bemerkt wurden, wie Justizrath Eberwein aus Rudolstadt, Assessor Schulze von Delitzsch und Andere. Unter dreizehn Trinksprüchen wurden auch drei humoristische ausgebracht, welchen die ernsten folgten. Professor Wuttke begann den seinen mit dem Hinweis darauf, daß lebenswarme Bilder einer erhebenden Vergangenheit, in der die Kraft des Geistes geleuchtet hat, uns rascher der gedrückten Stimmung des Augenblicks entreißen, und führte dann aus, wie die Natur in ewigem Einerlei kreist, im unwandelbaren Gesetz, während der strebende Menschengeist Neues schafft, den todten Stoff prägt, bis er seine Spur und Bewegung kündet und aus sich ein ein Reich baut, in dem er sich höher und höher emporhebt im endlosen Fortschritt. Dies wendete der Redner zum Preise Schiller’s an. Es folgte die „Erinnerung an das Vaterland“ durch Dr. Heyner und das „Lob der Frauen,“ durch Theodor Apel.
Gegen Morgen entfernten sich die letzten Gäste dieses Festes, und wir sprechen nur noch den aufrichtigen Wunsch aus, daß die Begeisterung, die Aller Herzen für den unsterblichen Dichter der Deutschen an diesem Abende erfüllte, eine nachhaltige, eine dauernde sein möge!
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 685. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_685.jpg&oldid=- (Version vom 7.8.2023)