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Seite:Die Gartenlaube (1855) 672.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

„Ich sage, daß Sie eine edle, kriegerische Physiognomie haben, daß Sie für den Ruhm geschaffen sind. Wahrhaftig, ich glaube in Ihnen den Kriegsgott zu erblicken, wie er für das Regiment angeworben wird. Nur Eins ist mir unerklärlich!“ fügte der Korporal hinzu.

„Und was?“ fragte Niklas.

„Daß ein so liebenswürdiger junger Mann Unglück in der Liebe haben kann. Bei Gott, man ist hier sehr difficil! Um den Schönen zu gefallen,“ fuhr Janos Esthi mit Galanterie fort, „bedarf es nur einer Uniform, und vorzüglich der meines Regiments. Wenn man einmal darin steckt, hat man ununterbrochen Glück bei dem schönen Geschlechte.“

„Ah, Herr Korporal, so haben Sie doch die Güte und stecken Sie mich hinein!“ sagte Niklas eifrig, der den Worten des Soldaten gespannt zugehört hatte.

„In die Uniform? Gut, verabredet und festgestellt! Ich habe Ihr Wort, alles Uebrige ist unnütz. Freuen Sie sich, junger Held, denn in dem Regimente der Ehemänner wären Sie vielleicht ein schlechter Soldat geworden – aber in dem meinigen werden Sie ein verführerischer Grenadier werden!“

„Ich wäre doch lieber in das andere Regiment eingetreten!“ flüsterte Niklas vor sich hin, dann stieß er einen tiefen Seufzer aus.

Netti hatte in einer Fenstervertiefung gestanden und ruhig dem Gespräche der beiden Männer zugehört.

„Niklas,“ sagte sie, „gehen Sie in die Apotheke und bitten Sie meinen Vater, daß er komme.“

Der lange Mann entfernte sich. Gleich darauf trat Herr Czabo ein.

„Was wünschen Sie?“ fragte er grüßend den Korporal.

„Mein Herr,“ war die artige Antwort, „hier ist mein Einquartirungsbillet. Es lebe Oesterreich!“

Der Apotheker verneigte sich, dann reichte er dem Soldaten die Hand.

„Bei diesem erhabenen Namen seien Sie mir willkommen,“ sagte er feierlich. „Ja, es lebe Oesterreich! Sie sind hier bei einem seiner treuesten Unterthanen und einem Soldaten wie Sie – ich habe die Ehre, Commandant der hiesigen Schutzwehr zu sein.“

„Ein doppelter Grund, uns näher kennen zu lernen. Wir werden für einige Zeit hier in Garnison bleiben. Ihr Name, mein Herr?“

„Istvan Czabo, Apotheker.“

„Ein herrliches Geschäft!“ rief der Korporal. „Nun, Herr Istvan Czabo, ist mein Quartier in Ordnung?“

„Gewiß; Sie sollen bei mir vollkommen zufrieden sein.“

„Ich zweifle nicht einen Augenblick daran,“ sagte der Soldat mit einer nachlässigen Verbeugung.

Gleich bei dem Eintritte wird das Riechorgan durch einen angenehmen Duft gekitzelt – außerdem trifft man angenehme Gegenstände, die das Auge erfreuen.

„Ein galanter Soldat!“ dachte Herr Czabo.

„Fräulein Tochter!“ fragte der Sohn des Mars mit einer Protectormiene, die zugleich auch den Kenner verrieth.

„Ja, mein Herr.“

Der Korporal wandte sich mit großer Unbefangenheit zu Netti.

„Fräulein Czabo ist der Inbegriff aller Vorzüge des schönen Geschlechts,“ sagte er sehr galant. „Ich mache Ihnen mein Compliment.“

Die Ungezwungenheit des Gastes schien dem Apotheker nicht zu behagen, denn wie Niklas, so dachte auch er mit Schrecken an den Eindruck, den die reizende Kathi ausüben würde, außerdem war der schöne Korporal ein gefährlicher Rival. Er trat rasch zu seiner Tochter und sagte in einem unwilligen Tone:

„Herr Korporal, meine einzige Tochter Netti!“

„Bei Gott, ein schöner Name; aber schöner noch ist das Gesicht!“

„Verzeihung, mein Herr,“ unterbrach ihn Herr Czabo, „ich muß Ihnen bemerken, daß mein Tochter Braut ist, und vielleicht in einigen Tagen schon ihre Verlobung feiert – mit einem wackern jungen Manne. Sind Sie noch im Orte, so lade ich Sie hiermit dazu ein.“

„Ich nehme die Einladung an!“ rief heiter der junge Mann.

„Kathi, Kathi!“ rief Netti an der halb geöffneten Thür.

„Gleich, Fräulein Netti, gleich!“ hörte man draußen die Stimme der Köchin rufen.

Herr Czabo war bestürzt.

„Was soll Kathi?“ fragte er eifrig.

„Unserm Gaste das Zimmer anweisen,“ antwortete Netti.

Der alte Apotheker begriff seine Unvorsichtigkeit. Hier galt es, gute Miene zum bösen Spiele machen, wenn er seine Liebe zu der schönen Köchin nicht verrathen wollte.

„Mein Kind,“ fragte er unruhig, „welches Zimmer hast Du gewählt?“

„Unser Gartenpavillon ist bequem eingerichtet -“

„Vortrefflich!“ rief Herr Czabo. „Daran hätte ich wahrlich nicht gedacht! Ich selbst habe ja den ganzen Sommer darin gewohnt und geschlafen. Ich trage den Schlüssel in der Tasche – kommen Sie, mein Herr, ich selbst werde Ihnen das Quartier anweisen. Kathi kann in der Küche bleiben und das Abendessen vorbereiten.“

Aber Kathi trat schon in das Zimmer. Die Köchin sah reizend aus. Der Korporal wandte sich und sah die Magd, die mit niedergeschlagenen Blicken neben der Thür stand. Als ob ein jäher Blitz alle seine Glieder gelähmt, stand er wie Lot’s Salzsäule in der Mitte des Zimmers.

„Das dachte ich mir!“ flüsterte Herr Czabo vor sich hin, indem er den Schlüssel zu dem Pavillon in seinen Taschen suchte. „Der Kerl ist wie geblendet von der schönen Kathi!“

Jetzt sah Kathi auf. Bestürzt starrte sie den Soldaten an. Als ob sie sich der forschenden Blicke des Korporals schämte, senkte sie rasch die Blicke wieder zu Boden.

„Geh’ in Deine Küche,“ befahl Herr Czabo. „Ich selbst werde den Herrn führen. Du hast viel zu thun, mein Kind; vergiß nicht, daß wir diesen Abend einen Gast zu versorgen haben.“

Kathi und Netti verließen das Zimmer. Der Korporal starrte ihnen nach.

„Nun, mein Herr?“ sagte der Apotheker. „Was ist Ihnen? Sie sind ja plötzlich wie umgewandelt.“

„Das bin ich!“ antwortete ernst der junge Mann.

„Und darf man den Grund wissen?“

„Jenes Mädchen – ich meine Ihre Köchin – erinnerte mich lebhaft an eine Person, die meinem Herzen über Alles geht. Die Aehnlichkeit ist so täuschend -“

„Ist Ihre Geliebte eine Köchin?“ fragte Herr Czabo, der seine Ruhe wieder gewann.

„Nein, sie ist ein einfaches Bürgermädchen in Wien. Der Krieg hat uns getrennt, und da ich seit einem Jahre keine Nachricht von ihr habe –“

„Nun,“ tröstete Herr Czabo, „so beruhigen Sie sich, der Krieg ist ja bald zu Ende, Sie werden Ihr Liebchen nun wiedersehen. Aber bleiben Sie ihr hübsch treu, mein Herr Soldat, dann sind die Wonnen des Wiedersehens um so süßer.“

Der Korporal drückte mit einem schwermüthigen Lächeln dem Apotheker die Hand, als ob er sagen wollte: fürchten Sie Nichts, ich bin Ihrem Hause nicht gefährlich!

Beide Männer verließen das Haus und betraten den Garten. Herr Czabo erschloß das Gartenhaus, und ein freundliches Stübchen, ausgestattet mit allen Bequemlichkeiten, empfing den müden Krieger.

„Sind Sie zufrieden?“ fragte Herr Czabo.

„Vollkommen, mein Herr.“

„Nun, so sorgen Sie, daß auch ich mit Ihnen zufrieden sein kann. Ich liebe Ruhe und Ordnung in meinem Hause.“

Herr Czabo reichte seinem Gaste die Hand, verließ den Pavillon, ging gedankenvoll durch den Garten und verschwand in dem Hause. Der Korporal saß nachdenkend in dem großen Lehnstuhle seines Stübchens.


V.
Der alte Fischer.

Eine Stunde später erschien Niklas bei dem Korporal. Es war dunkel, und dennoch hatte der Gast kein Licht angezündet, er saß immer noch sinnend in seinem Sessel.

„Herr Korporal!“ murmelte der Gehülfe.

„Was giebt’s?“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_672.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)