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Seite:Die Gartenlaube (1855) 666.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

in die Alpen zurückgedrängt) Ziesel, Biber, Wasserratten, gewöhnliche Ratten und Mäuse, Hasen und Kaninchen, während der tertiären Periode nur Pfeifhasen, die heute uns fehlen, Biber und Ziesel. Ihre zarten Gebeine entziehen sich den minder fachkundigen Blicken und wir dürfen daher hoffen, daß spätere sorgfältige Nachforschungen uns noch zahlreichere Arten dieser kleinen Thiere bringen werden. Es ist gar kein Grund vorhanden zu der Annahme, daß bei der überraschenden Mannigfaltigkeit der großen Raubthiere und Pflanzenfresseer die kleinen und sehr kleinen damals von der schöpferischen Kraft der Natur vernachlässigt sein sollten. Alle Bedingnisse ihrer Existenz waren ja während der tertiären und diluvialen Zeit ganz eben so wie heute vorhanden.

Die Vertheilung der Gewässer und ihr Verhältniß zu dem Festlande wechselte in den verschiedenen Schöpfungsepochen und wir finden daher auch innerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes Meeresbewohner, welche heute nur an den nördlichen Küsten und weit entfernt im Ocean leben. Mit Sicherheit kennen wir bereits Ueberreste von Seehunden und Delphinen und von Seekühen. Unter letzteren fesselt das merkwürdige Dinotherium des mainzer Tertiärbeckens die Aufmerksamkeit. Der allein bekannte kolossale Schädel desselben mißt über drei Fuß Länge und zwei Fuß Breite. Sein Bau ist eigenthümlich, im Wesentlichen aber für den Aufenthalt des Thieres im Wasser eingerichtet. Die Backzähne gleichen so sehr denen des Tapirs, daß sie, einzeln gefunden, sehr leicht verwechselt werden können. Ganz eigenthümlich biegt sich die Spitze des Unterkiefers, wie bei keinem andern Säugethiere abwärts und zwei gewaltige Stoßzähne ragen abwärts gerichtet aus derselben hervor. Das Dinotherium war ein Pflanzenfresser und bediente sich dieser enormen, eigenthümlich gestellten Stoßzähne wahrscheinlich nur zum Festhalten, wenn es das Wasser verließ, um sich am Ufer zu sonnen, ähnlich, wie sich das Wallroß mit seinen langen Stoßzähnen im Oberkiefer am Eise festhält. Die Körperlänge des Dinotherium mag etwa zwanzig Fuß betragen haben. Eine andere tertiäre Seekuh in Deutschlands Gewässern war dem lebenden Dugong sehr verwandt und besaß flußpferdähnliche Backenzähne.

Nach dieser Aufzählung war Deutschland also in frühern Schöpfungsepochen von einer viel mannigfaltigeren Säugethierfauna bevölkert, als gegenwärtig. Wir finden die heutigen Gestalten vereint mit zahlreichen Vertretern aller Zonen und aller Welttheile, vereint mit Gestalten, welche der gegenwärtigen Schöpfung ganz fremd sind. Diese Fremdartigkeit war in der ältern Zeit eine allgemeine, denn neben Paläotherien, Anoplotherien, Hippotherien, Mastodonten, Dinotherien und Bärenhunden sahen wir nur einzelne heutige Gattungstypen, wie den Tapir, das Nashorn, Hirsche und Katzen. In der Diluvialepoche, der letzten, welche der gegenwärtigen Ordnung der Dinge vorausging, lebten meist Arten von Gattungen der Jetztwelt, die Zahl der eigenthümlichen tritt auffallend zurück, und es erscheinen im Gegentheil mehre Arten, welche von jetzt lebenden sich gar nicht unterscheiden lassen.




Ueber Frauenbestimmung.[1]

Von Professor Biedermann.
V.
Der Erziehungsberuf der Frauen.

Kehren wir aus diesen weiteren Kreisen der Wissenschaft und des Lebens, wo die Frau gleichsam nur wie ein Gast vereinzelt bisweilen einspricht, zurück zu jener engsten und eigentlichsten Sphäre weiblicher Beruftsthätigkeit, in die stillen Räume des Hauses, so finden wir hier noch ein Feld der Wirksamkeit für die Frauen erschlossen, dessen liebevolle, sorgsame und dann gewiß auch erfolgreiche Bebauung das ächte Weib für die Entbehrung aller weitergreifenden Lebensrichtungen vollkommen entschädigt, ja, in den meisten Fällen gar nicht an solche denken lassen wird. Es ist dies der Beruf der Erziehung, der körperlichen, geistigen und sittlichen Ausbildung des nachwachsenden Geschlechts. Die Wirksamkeit der Frauen auf diesem Felde kann schon in ihrer jetzigen Ausdehnung eine unendlich fruchtbare und lohnende sein, wenn sie die ihr gesteckte Aufgabe ganz erfüllt; sie ist aber auch noch mannigfacher Erweiterung und Entwickelung fähig. Wie viel, wie unberechenbar viel vermag schon eine wohlgeleitete körperliche Pflege des Kindes von seinen ersten Lebensstunden an bis dahin, wo dasselbe der Fürsorge des Aelternhauses entwachsen ist, für dessen ganzes künftiges Lebensglück, für sein körperliches Wohlsein, für sein gemüthliches Behagen, für die kräftige Ausbildung seiner Geistesanlagen und somit für seine einstige Stellung und Wirksamkeit in der Welt auszurichten! Und diese Pflege ist, der Natur der Sache nach, vorzugsweise, ja beinahe ausschließlich den Händen der Frauen anvertraut, ihrer verständigen Sorgfalt überantwortet. Was die geistige Bildung der Kinder anbetrifft, so kann die Frau, wenn sie guten Willen, Eifer und eigene Vorbildung genug dazu mitbringt, einen wichtigen und weitreichenden Antheil daran haben. Ihr fällt naturgemäß der ganze erste Unterricht des Kindes zu, der mehr zufällig als planmäßig, mehr anregend als festhaltend, mehr in die Breite als in die Tiefe gehend sich verhält. Hier ist die leichte Beweglichkeit des Frauengeistes, ihre feine und sinnige Beobachtungsgabe für das Nächste und Unmittelbarste, ihr praktischer Sinn und ihre Ordnungsliebe recht am Platze. Im fortwährenden Umgange mit dem Kinde, welches sich in diesem früheren Alter vorzugsweise gern und mit Vertrauen an die Mutter oder ein anderes weibliches Wesen anschließt, kann die gebildete Frau beiläufig, mitten unter anderen Geschäften, dem kindlichen Geiste eine Menge für ihn passender und fruchtbarer Vorstellungen beibringen, kann ihn zum eignen Denken und Beobachten anleiten. Sie braucht dazu kaum etwas Anderes, als die von Natur rege Wißbegier des Kindes recht zu befriedigen und zu leiten, auf seine nie ermüdenden Fragen ebenso unermüdlich, aber auf die rechte Weise, zu antworten, nicht zu viel und nicht zu wenig, vor Allem so, daß das Kind ganz verstehe, was ihm gesagt wird, und daß ihm nichts gesagt werde, was es durch eignes Nachdenken und Sichbesinnen herausbringen kann.

Auch für die Anfänge eines planmäßigen wissenschaftlichen Unterrichts dürften die Frauen, bei genügender eigner Vorbildung, wohl geschickt sein, und gewiß wäre es als ein wichtiger Fortschritt zu begrüßen, wenn ein Theil dieses Unterrichts auf solche Weise aus der öffentlichen Schule in das Haus, dem er jetzt allzu sehr entfremdet ist, zurück verlegt werden könnte. In Nordamerika sollen die Mütter den Unterricht, nicht blos der Töchter, sondern auch der Söhne, und zwar selbst in manchen streng wissenschaftlichen Fächern, in Mathematik und Naturkunde, bis zu einem gewissen Punkte mit glücklichem Erfolge übernehmen. Bei uns hat man wenigstens angefangen, den Frauen einen Theil von dem, was ihnen gebührt, zurückzugeben und die Uebertragung des Unterrichts der weiblichen Jugend an weibliche Lehrerinnen in größerem Umfange als bisher anzubahnen. In England ist dies bereits in umfänglicherem Maße geschehen, und eine wohlthätige Folge davon scheint die vertraute Bekanntschaft mit den Erscheinungen und Vorkommnissen des täglichen praktischen Lebens zu sein, welche dort die Jugend beiderlei Geschlechts besitzt.

Unendlich wichtig ist der Einfluß, den das weibliche Gemüth auf die Entwickelung des Charakters und des ganzen Seelenlebens der ihr anvertrauten oder nahestehenden Jugend ausüben kann. Von den Mädchen versteht sich von selbst, daß ihre Gemüths- und Charakterbildung zum allergrößten Theile das Werk mütterlichen oder jedes sonstigen weiblichen Einflusses ist. Aber auch auf die männliche Jugend kann dieser Einfluß sich sehr weitreichend äußern. Wenn es wahr ist, daß die ersten Eindrücke auf das kindliche Gemüth die stärksten und bleibensten sind (und die Erfahrung spricht allerdings dafür), so begreift sich leicht, daß der Same, der in dieser Zeit von Frauenhänden, den natürlichen Pflegerinnen der ersten Kindheit, ausgestreut wird, unaustilgbar für das ganze Leben fortwuchert – zum Guten oder Bösen – je nachdem er beschaffen war.


  1. Siehe die Nummern 10, 14, 17 und 37 d. Jahrg.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 666. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_666.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2023)