Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1855) 655.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Aus dem Tagebuche eines britischen Legionärs.

Shorncliff. Im November.
II. Im Lager bei Shorncliff.
(Schluß.)

Sobald wir im Lager von Shorncliff eingetroffen waren, wurden wir vollständig bewaffnet. Von nun an ward der militärische Dienst strenge, indeß ist derselbe den Verhältnissen nach nicht drückend. Den ganzen Tag über wird der Soldat zum Theil mit Exerciren, zum Theil mit Putzen und den im Soldatenlebben unvermeidlichen Intriguen beschäftigt, die Stunden von 5 bis 9 Uhr Abends jedoch gehören ihm, wenn er nicht gerade Wachtdienst hat. Dann geht der Soldat, wenn das Wetter zu schlecht ist oder er nicht Lust hat, weiter zu gehen, in die Kantine, sonst aber nach Sandgate, Folkestone oder auch wohl nach Hythe. Folkestone ist vorzugsweise ein bei den Soldaten beliebter Ort. Alle diese Gänge können übrigens nur stattfinden, wenn der Soldat noch mindestens im Besitze einiger Pence sich befindet, was indessen nicht immer der Fall ist. In der Kantine des zweiten Regiments (jedes Regiment hat nämlich seine besondere Kantine) ist der Aufenthalt übrigens nicht sonderlich interessant. Entweder sind die Leute zu still, zu langweilig, oder das unausstehlichste Geschrei tönt aus ihren Kehlen. Nach echt deutscher Weise ist in dieser Kantine für die Unteroffiziere ein Zimmer reservirt, in welchem der gemeine Soldat nicht geduldet wird, wogegen von Seiten der Unteroffiziere auch auf diejenigen von ihnen scheel gesehen wird, welche sich einmal in das allgemeine Zimmer verlaufen. Die gebildeten Unteroffiziere beklagen sich über diese Einrichtung selbst; sie würden sich oft weit lieber mit den ihnen an Bildung oft noch überlegenen Gemeinen, als mit den ihnen an Rang zwar gleich, aber sonst oft sehr niedrig stehenden Unteroffizieren unterhalten. In der Kantine der übrigen Regimenter (das erste befindet sich freilich schon nicht mehr hier, wo ich schreibe) sitzen Unteroffiziere und Gemeine bunt durcheinander. Hier herrscht bei weitem mehr Leben. Das südlichere Blut, welches in diesen Regimentern vorherrscht, macht sich daher auch mehr geltend. Ein kurioses Kauderwelsch bekommt man oft freilich zu hören; neben den verschiedenen deutschen Dialekten das Französische der Belgier, dazwischen hier und da Englisch, und um die Sache vollständig zu machen, auch mitunter ein Wort Polnisch. Indessen verständigen sich die Leute mit einander so gut, wie es geht, je weniger die Rede sie an einander bindet, um so mehr thun es Porter und Ale.

Das Lager der Fremdenlegion bei Shorncliff.

Die Zufriedenheit, welche im Allgemeinen auf Helgoland herrschte, findet man hier nicht mehr. Es ist natürlich, weil der strengere Dienst manchen Mißvergnügten schafft. Die große Theuerung ist wohl mit das Hauptmotiv der Klagen. Dazu kommt, daß die Menage (für welche 8 Pence täglich abgezogen werden, so daß dem Mann täglich 5 Pence bleiben) hier in Wahrheit schlechter ist, als auf Helgoland. Der Mann erhält täglich nur 3/4 Pfund Fleisch, während er auf Helgoland täglich ein Pfund bekam. Sehr viele Leute vermissen hier höchst ungern das deutsche Schwarzbrot, statt dessen nur Weißbrot, das, nach vielfachen Klagen zu urtheilen, nicht in gehörigem Maße verabreicht wird. Bei dem zweiten Regimente hört man bereits auch viele Klagen über die unregelmäßige Zahlung des Soldes, worüber ich die Mannschaften der übrigen Regimenter und der Kavallerie noch nicht habe klagen hören. Es ist möglich, daß die Schuld, wenn nicht an dem Regimentszahlmeister, so doch an den einzelnen Kompagniechefs liegt. Nutzen wird durch ein solches Verfahren wahrhaftig nicht geschafft. Man rechne ferner hinzu, daß von der auf Helgoland versprochenen Gratification von einem Pfund Sterling für gutes Betragen hier gar nicht die Rede ist. So ist es wohl erklärlich, daß die Zahl der Mißvergnügten, und gerade im zweiten Regimente, dessen Disciplin

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_655.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2023)